Legales Cannabis2023 wird zum Schweizer Hanfjahr
Mehrere Tausend Personen können sich bald Cannabis legal beschaffen. Selbst Präventionsexperten überzeugt das Pilotprojekt, das Alt Bundesrätin Ruth Dreifuss federführend mitgeschrieben hat. Doch es verzögert sich.

Für die ehemalige Bundesrätin Ruth Dreifuss geht ein politischer Traum in Erfüllung. Ihr Heimatkanton Genf reicht diese Woche beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) sein Dossier für ein Cannabis-Pilotprojekt ein. Läuft alles nach Plan, haben in Genf bereits im Sommer 2023 maximal 1500 Personen die Möglichkeit, legal Cannabis zu kaufen.
Gemäss einem Monitoring der Genfer Universitätsspitäler haben sich schweizweit über 5300 Personen für die Teilnahme an Cannabis-Pilotprojekten interessiert. Solche lancieren nun die Städte Basel, Bern, Lausanne und Zürich. 80 Prozent der Bewerber waren männlich. Im Durchschnitt waren sie 30,4 Jahre alt und konsumierten an mindestens 20 Tagen pro Monat und seit dem 16. Altersjahr Cannabis. Für den Konsum gaben sie verschiedene Gründe an. Diese reichten von «Weil ich besser schlafen kann» bis zu «Weil ich Partys damit besser geniessen kann».
Wissenschaft ist involviert
Am Genfer Pilotprojekt hat die 82-jährige Ruth Dreifuss seit 2013 federführend mitgeschrieben. Selbst die Lieferkette ist bis ins Detail geplant. Das Cannabis pflanzen und ernten Biobauern in Genf und der Waadt. Einmal verpackt und kontrolliert, werden die Produkte in sogenannten Cannabinotheken verkauft zu Preisen, die jenen auf dem Schwarzmarkt entsprechen. Die Cannabinotheken wiederum werden von einem Verein betrieben, der darüber wachen muss, dass Cannabis nur in die Hände jener Personen gelangt, die zum Pilotprojekt zugelassen sind. Die Teilnehmer werden von einem Soziologen und einem Mediziner wissenschaftlich begleitet.

Alt-Bundesrätin Dreifuss ist vom Erfolg des Pilotversuchs überzeugt. Bei der Projektpräsentation sagte sie: «Die Teilnehmer werden eine Gemeinschaft bilden und sich untereinander austauschen, um ihr Wissen über den Konsum zu erweitern.» Vorteilhaft sei der Versuch vor allem für jene Cannabiskonsumenten, die die Liberalisierung befürworten, so Dreifuss. Profitieren würden aber auch ältere Menschen, die Cannabis zu sich nehmen, um besser schlafen zu können, und nicht auf medizinische Produkte zurückgreifen wollen. Dem Genfer Gesundheits- und Sicherheitsdirektor Mauro Poggia ist vor allem eines wichtig: «Mit der Entkriminalisierung des Cannabis bekämpfen wir den Schwarzmarkt mit seinen mafiösen Strukturen.» Man habe längst realisiert, dass man in einer Sackgasse lande, wenn man den Handel mit repressiven Mitteln unterbinden wolle, sagt Poggia.
«Es geht darum, den Schaden des Cannabiskonsums bei den Konsumenten zu mindern.»
Wie Genf werden nächstens auch die Städte Zürich, Bern und Lausanne den legalen Cannabisverkauf probeweise einführen. Die Stiftung Sucht Schweiz, die Suchtprävention und Suchtforschung betreibt, ist in die Pilotprojekte involviert. Beim Lausanner Projekt «Cann-L» übernimmt sie gar die Rolle des Forschungsinstituts. Für Frank Zobel, Vizedirektor von Sucht Schweiz, ist das der richtige Entscheid und auch kein Widerspruch zum Stiftungszweck. Er sagt: «Es geht darum, den Schaden des Cannabiskonsums bei den Konsumenten zu mindern. Langjährige Konsumenten können Cannabis zwar legal kaufen, wir fördern aber keineswegs den Konsum und setzen den Jugendschutz konsequent durch.»
Um in den Projekten zu bleiben, müssen Konsumentinnen und Konsumenten regelmässig ausführliche Fragebögen ausfüllen, die Wissenschaftler auswerten. Frank Zobel geht davon aus, dass einige Studienteilnehmer dies nicht langfristig durchhalten werden, hingegen sei klar, dass 19 US-Staaten und auch diverse europäische Länder bei der Cannabislegalisierung vorwärtsmachten, so Zobel. «Die Schweiz sollte bei dieser Entwicklung nicht abseitsstehen.»
Basels Probleme mit dem Biohanf
Basel hätte sein Projekt am 15. September mit 370 Probandinnen und Probanden starten wollen. Doch ein unerwarteter Zwischenfall sorgt nun für eine Verzögerung, der auch für Zürich Folgen hat. Die Lieferfirma Pure bemerkte, dass ihre Haschisch-Cannabis-Produkte doch nicht so pur war. In dem im Kanton Aargau angepflanzten Haschisch und den Hanfblüten wurden Spuren eines Pestizids gefunden. Nun muss das BAG entscheiden, was mit der Ware geschieht, und ob die Probanden angesichts der Rückstände noch ein Bioprodukt rauchen oder ob die Verschmutzung zu gross ist. Der Produzent beteuert indes, das Pestizid nicht selbst eingesetzt zu haben. Fachleute gehen davon aus, dass sich der Beginn des Basler Projekts um drei bis vier Monate verzögert, auch weil Hanf erst im kommenden Frühjahr wieder angepflanzt werden kann.
Die Basler Probleme mit dem Biogras haben nun auch Folgen für das Zürcher Projekt, weil derselbe Lieferant auch ins Forschungsprojekt «Zürich Can – Cannabis mit Verantwortung» involviert ist. Gegen 2000 Konsumentinnen und Konsumenten hätten ab diesem Herbst für die nächsten drei Jahre in Apotheken, dem Drogeninformationszentrum und sogenannten Social Clubs straffrei Cannabis erwerben sollen, das alles unter Aufsicht der Psychiatrischen Universitätsklinik des Kantons Zürich. Doch nun müssen sich die Betroffenen ebenfalls gedulden. Probleme hat Zürich nicht nur mit dem Bio-Hanf, sondern auch mit den Bezugsstellen.
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