Schwieriges ErbeKeller-Sutter will Maurers Zollgesetz umkrempeln
Die Gesetzesrevision des ehemaligen Finanzministers Ueli Maurer ist höchst umstritten. Seine Nachfolgerin Karin Keller-Sutter unternimmt nun einen Rettungsversuch.

Schon im Bundesrat gab es Widerstand gegen die Revision des Zollgesetzes. Nun ist das Parlament am Zug. Dort droht dem Gesetz Schiffbruch: Die Rechtskommission des Nationalrats ist vor kurzem zum Schluss gekommen, die Vorlage sei «nicht behandlungsreif».
Sie sprach sich in einem Mitbericht zuhanden der Wirtschaftskommission mit deutlicher Mehrheit dafür aus, das Gesetz zur Überarbeitung an den Bundesrat zurückzuweisen. Der Vorwurf: Das Gesetz, das unter der Verantwortung des ehemaligen Finanzministers Ueli Maurer (SVP) entstand, sei nicht verfassungskonform. Der Bund missachte die Polizeihoheit der Kantone und schanze den Zöllnern polizeiliche Kompetenzen zu.
Über eine Rückweisung müssten National- und Ständerat entscheiden. Doch dazu will es die neu zuständige Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP) nicht kommen lassen: Sie setzt – kaum im Amt – eine Arbeitsgruppe ein, damit die strittigen Punkte mit den Kantonen möglichst bereinigt werden können. Das Finanzdepartement kündigte dies am Montag in der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats an.
Die Arbeitsgruppe unter Leitung des ehemaligen Aargauer SP-Regierungsrats Urs Hofmann wird aus Vertretern von Bund und Kantonen bestehen. Sie soll Änderungsvorschläge ausarbeiten, die in die Kommissionsarbeit einfliessen könnten und denen sich auch Keller-Sutter im Namen des Bundesrats anschliessen könnte.
Verfassung missachtet
Kritisiert wird allerdings Grundsätzliches: Mit dem Gesetzesentwurf des Bundesrats würden Zöllner Kompetenzen zur Wahrung der inneren Sicherheit erhalten – polizeiliche Kompetenzen, die gemäss Verfassung den Strafverfolgungsbehörden vorbehalten sind.
Das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) soll zwar nur polizeiliche Aufgaben übernehmen, soweit die Kantone nicht explizit dafür zuständig sind. Aus Sicht der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) geht das Gesetz dennoch zu weit: Die Wahrung der inneren Sicherheit sei Aufgabe der Kantone, hielt die KKJPD Ende letzten Jahres in einem Brief an die zuständigen Parlamentskommissionen fest. Gemäss der Verfassung seien alle nicht explizit dem Bund unterstellten Aufgaben Sache der Kantone.
Übernehme das BAZG Polizeiaufgaben, bedürfe es – wie das heute der Fall sei – einer Vereinbarung mit dem betreffenden Kanton, schreibt die KKJPD. Alles andere wäre eine Ausweitung von Bundeskompetenzen, die nicht «quasi als Nebeneffekt» der Zollgesetzrevision beschlossen werden dürfe.
Neben Grundsätzlichem kritisiert die KKJPD auch einzelne Bestimmungen. Dazu gehört, dass das BAZG die Aufgabe erhalten soll, grenzüberschreitende illegale Handlungen zu erkennen. Manche Kompetenzen gehen laut der KKJPD sogar über jene der kantonalen Polizeibehörden hinaus, namentlich jene zu Risikoanalysen von Personen, dem sogenannten Profiling. Dafür würden die Zöllner eine umfassende Befugnis erhalten.
Reorganisation bereits in Gang
Schon in der Vernehmlassung hatten Kantone und Parteien moniert, die Vorlage höhle die Polizeihoheit der Kantone aus. Das Hauptziel der Reform – die Digitalisierung und Vereinfachung der Zollprozesse – war unbestritten.
Allerdings stösst auf Unmut, dass die Reorganisation bereits in Gang ist. Begonnen hat etwa die neue Ausbildung zum Fachspezialisten Zoll und Grenzsicherheit. Heute kontrolliert der Zöllner die Ware und der Grenzwächter die Personen. Künftig soll eine Person beides kontrollieren. Schon jetzt werden Zollfachleute deshalb an der Waffe ausgebildet. BAZG-Direktor Christian Bock betonte im Herbst in einem Interview mit dieser Zeitung, dies geschehe auf freiwilliger Basis. Niemand werde zur Ausbildung an der Waffe gezwungen.
Aus dem Parlament kommt trotzdem Kritik. Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats bemängelte vor einem Jahr, der Bund habe den Entscheiden des Parlaments vorgegriffen. Es sei «sehr problematisch, dass die Organisation des BAZG so tiefgreifend geändert wurde, noch bevor die parlamentarische Beratung der Revision des Zollgesetzes überhaupt begonnen hat».
Der Bund stellt sich auf den Standpunkt, die bisher eingeleiteten und umgesetzten Massnahmen basierten auf geltendem Recht. Maurer hatte bei der Präsentation des Gesetzesentwurfs gesagt, die heutige Zweiteilung in Zoll und bewaffneten Grenzschutz sei ineffizient.
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