«Keiner darf sich ausruhen»
Dortmund ist dank Lucien Favre Titelkandidat. Vor dem Rückrundenstart gibt sich der Romand vorsichtig und lobt Manuel Akanji.

Das neue Dortmund steht für erstklassige Unterhaltung. Was hat Ihnen am meisten Spass gemacht?
Dass die Mannschaft angreifen will und vorwärts orientiert ist. Wir wollen das Spiel prägen, wir wollen es dominieren, auch wenn es nicht immer möglich ist. Manchmal steht die Sicherung der Defensive im Vordergrund.
Selbst Gegner wie Atléticos Diego Simeone schwärmen von den Dortmunder Auftritten.
Das ist schön und gut. Vergessen Sie bitte trotzdem nicht, dass wir gegen Atlético lange nur 1:0 führten. Der Gegner hatte Pfosten- und Lattenschüsse. Als Trainer schaue ich nicht nur auf das Ergebnis, das grosse Bild zählt ebenfalls. Aber natürlich, wir besiegten eine grosse Mannschaft, die im Europacup seit Jahren oben mitspielt.
In der Bundesliga rüttelt Dortmund an der Vorherrschaft von Bayern München.
Es ist sehr gut für die Bundesliga, dass mehrere Teams oben mitspielen. Es gibt keine einfachen Partien, mit Ausnahme des Spiels gegen Nürnberg (7:0). Diese Ausgeglichenheit empfinde ich als wichtig.
«Schon als Coach von Echallens liess ich taktisch variabel spielen.»
Wie interpretieren Sie die Ausgangslage?
Die Bayern werden sich verstärken, ich rechne mit ihnen. Es gibt allerdings nicht nur München. Gladbach ist gefährlich, Leipzig ebenfalls, auch Hoffenheim kann wieder eingreifen. Es gibt viele ambitionierte Teams. Es kann in beide Richtungen schnell gehen.
Ihnen genügten im Sommer wenige Wochen, um das Team markant umzubauen. Wie funktionierte diese Neuausrichtung?
Wir mussten am Anfang am System arbeiten. Heutzutage sollte man mehrere Varianten beherrschen, um keine spielerische Blockade zu riskieren. Ich arbeite seit langer Zeit so – schon als Coach von Echallens liess ich taktisch variabel spielen.
In Dortmund ging der Plan ohne Verzögerung auf.
Zu Beginn war es schwierig, bis wir die richtige Lösung gefunden haben. In solchen Fällen sind dann oft Details ausschlaggebend, das Selbstvertrauen schwillt an. Manchmal verändert eine Nuance alles. Genau deshalb sollten wir vernünftig bleiben.
Aber nochmals: Der Umbau lief im Eiltempo ab.
Normalerweise braucht man mindestens zwei, drei Transferperioden, um eine Mannschaft aufzubauen. Der Verein sieht das ähnlich wie ich. Und natürlich hofft man als Trainer, keine Schlüsselspieler zu verlieren. Das Gerüst steht, das Kollektiv harmoniert.
Müssen Sie in den kommenden Wochen primär auf die Euphoriebremse treten?
Wir sollten einfach nicht vergessen, wie oft die Spiele eng verlaufen sind. Immer wieder lagen wir zurück. In Leverkusen beispielsweise 0:2, zu Hause gegen Augsburg gelang uns spät die Wende zum 4:3. Dass wir noch viel zu tun haben, ist keine Erfindung von mir – es ist die Wahrheit.
Und trotzdem: Die Fans fühlen sich an die besten Meistertage erinnert. Wie nehmen Sie die Ambiance wahr?
Jeder Coach ist daran interessiert, dass die Spieler zufrieden sind, dass sie hart und vor allem richtig trainieren, bereit sind für ein paar Extraschichten. Sie sollen Spass haben, auch nach einer unbequemen Einheit. Ehrliche Arbeit, Intensität, alles andere ist dann Zugabe.
In München diskutieren sie immer wieder, beim BVB gab es keinerlei Nebenschauplätze.
Wir haben Erfolg, dann ist meistens alles gut. Eine ruhige Fortsetzung beginnt mit einer konzentrierten Vorbereitung; keiner darf sich ausruhen. Alle meine Spieler besitzen das Potenzial, weitere Fortschritte zu machen – technisch, taktisch, physisch, mental.
«Mit seiner ruhigen Art bewegte Manuel Akanji extrem viel Positives. Manuel spielte eine Chefrolle.»
Wo orten Sie Luft gegen oben?
Defensiv können wir ein paar Dinge besser lösen. Aber das ist normal, zwei von vier Verteidigern sind sehr jung. Zagadou ist 19, Hakimi 20. Unser Team wird generell von Talenten geprägt – auch Sancho ist erst 18-jährig, das darf man nie vergessen. Die Jungen können nicht 10 bis 15 Spiele hintereinander auf immer gleichem Level spielen.
Wie sehr schmerzt Sie der verletzungsbedingte Ausfall von Manuel Akanji?
Es ist ein grosser Verlust. Mit seiner ruhigen Art bewegte er extrem viel Positives. Manuel Akanji hat bei uns eine Chefrolle.
Einer überragte in seinem ersten Bundesliga-Halbjahr: Axel Witsel.
Er spielt richtig, und er vermittelt uns Ruhe. Seine Erfahrung tut uns gut. Auch die Routine von Reus, Götze oder Piszczek ist wichtig für die Balance im Team.
Mit Reus und Piszczek arbeiteten Sie früher bereits erfolgreich zusammen.
Ja, ich kenne sie im Detail. Reus kann in jeder Situation für den Unterschied sorgen. Piszczek kam während meiner Zeit in Berlin (2007 bis 2009) zu Beginn am Flügel zum Einsatz, bis ich in einem Test einen Verteidiger benötigte. Wir funktionierten ihn um – es hat geklappt. (lacht)
Ihr Keeper Roman Bürki reduziert das Pensum und zieht sich vorübergehend aus dem Nationalteam zurück. Ist sein Entscheid für Sie nachvollziehbar? Das ist sein gutes Recht, ich kann ihn verstehen. Roman muss auch auf seinen Körper achten. Für den BVB ist seine Fokussierung auf den Club gut.
Die Machtfülle bei Borussia Dortmund ist enorm. Wie muss man sich den Austausch mit Persönlichkeiten wie Hans-Joachim Watzke, Sebastian Kehl, Matthias Sammer oder Sportchef Michael Zorc vorstellen?
In grossen Clubs ist eine solche personelle Aufstellung normal. Ich bin nicht mit jedem dieser Ansprechpartner gleich häufig in Kontakt, mit Michael Zorc unterhalte ich mich am meisten. Für mich ist es gut und wichtig, den Austausch zu pflegen. Man sollte als Coach nie das Gefühl haben, alles zu wissen.
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