Neues Album von Lana Del ReyJugend, Rausch, Liebe, Freiheit
Die Sängerin hat schon wieder neue Songs veröffentlicht. Ist das Konzept mit dem ganzen Hollywood-Hills- und Melancholie-Gedöns nicht langsam ausgereizt? Nein.
Wäre man selbst Lana Del Rey, müsste man sich ständig diese elenden Fragen stellen, bei jedem neuen Song, jedem Album oder Video. Diese Grundsatzdinge: Was kann eigentlich als Nächstes noch kommen? Ist das Konzept mit dem ganzen Hollywood-Hills- und Melancholie-Gedöns nicht langsam ausgereizt? Vielleicht auch: Ist wieder irgendein Detail dabei, für das die Instagram-Leute sie als Rassistin oder Sexismus-Apologetin beschimpfen werden? Ach, es muss unerträglich sein.
Im zweiten Moment bemerkt man, dass Lana Del Rey, die oft Geschmähte und Unterschätzte, mit ihrem neuen, seit 2010 insgesamt achten Album «Blue Banisters» in der Tat wieder ein paar bestechend interessante Antworten auf die Fragen gefunden hat. Und so sehr einem die Vernunft auch sagt, dass es jetzt doch mal reicht mit dem Schwarzweissfilm-Divahaften, dem schwer-süssen Gehauche und den bedeutungshubernden Amerika-Analogien – am Ende muss man auch diese Platte wieder empfehlen.
«I get wild and fucking crazy like the colour blue», singt Lana Del Rey etwa in «Nectar of the Gods», und obwohl das Stück nur gut vier Minuten lang ist, kommt hier alles zur Sprache, Jugend, Rausch, Liebe, Freiheit, motorisierte Fortbewegung und natürlich auch irgendwie: Kalifornien. Nur um den Tod scheint es nicht zu gehen, doch da kann man sich auch täuschen.
Tagelang zischende Ohren
Vor rund zehn Jahren wurde Del Rey bekannt, als leicht nachtschattiges, schwermütiges Update einer Beverly-Hills-Lady, mit allen eingebauten Uneigentlichkeiten. Sie sang von Blue Jeans und Videospielen, klang für die einen nostalgisch, für die anderen clever ironisch, für die Dritten wie ein Cartoon, wie die Zeichentrickfrau aus «Roger Rabbit». Sie fing sich Kritik dafür ein, ein devotes, rückständiges Püppchenbild zu verkörpern. Antwortete darauf unter anderem mit den fantastischen Alben «Norman Fucking Rockwell!» und «Chemtrails over the Country Club», auf denen sie ihr Rollenspiel um Gesten einer Selbstermächtigung ergänzte, die weit weg war von der Sprache der feministischen Akademie.
Auf «Blue Banisters» beginnen sich die Strukturen auch musikalisch aufzulösen. Ab und zu verliert sich der Rhythmus zwischen Klavier und Hintergrundrauschen, fallen die Backgroundsängerinnen im grossartigen «Black Bathing Suit» herrlich aus ihrer Rolle. In «Dealer», einem Duett mit Miles Kane, rastet Lana Del Rey dann auf eine Art und Weise aus, wie man es noch nicht gehört hat. Und brüllt die Blue-Velvet-Cocktailplüschbar derart zusammen, dass den Gästen wohl noch tagelang die Ohren zischen werden.
Das Album wird in der zweiten Hälfte etwas gleichförmig, einige Überbleibsel aus alten Sessions wurden angehängt, es zieht sich etwas. Vermutlich wird es irgendwann im Rückblick als hybrides Übergangswerk gelten, aber um das zu sagen, müsste man wissen, was Lana Del Rey hier noch draufsetzen will. Und die Frage mag man heute wirklich nicht beantworten müssen.
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