Nach Sieg in Alta BadiaJetzt gehört auch Zenhäusern zum erlauchten Kreis
Der Walliser wurde einst belächelt, jetzt gewinnt er seinen zweiten Slalom. Das ist noch nicht vielen Schweizern gelungen.

Anfangs war es nur ein Scherz. Daniel Yule und Ramon Zenhäusern machten Witze über diesen zweiten Slalomsieg. Wer ihn wohl zuerst gewinnen würde? Wer Dumeng Giovanoli, Pirmin Zurbriggen und Didier Plaschy zuerst einholen würde? Yule beantwortete die Frage im letzten Winter, er gewann nun schon vier Rennen, ist damit der erfolgreichste Schweizer in dieser Disziplin.
Als aber Alex Vinatzers Vorsprung auf der Piste so langsam schmilzt, entfährt es auch Plaschy: «Jetzt kann er mit mir gleichziehen.» Er meint damit nicht den Italiener Vinatzer, er meint Zenhäusern, der unten im Ziel wartet, bis der Letzte es mit seiner Zeit aufgenommen hat. Plaschy sitzt in den Studios vom Schweizer Fernsehen, dort kommentiert er die Rennen als Experte. Das ist Corona geschuldet, Plaschy wäre viel lieber selbst in Alta Badia – um seinem Schützling zu gratulieren.
Denn Vinatzer scheitert, Zenhäusern gewinnt vor den Österreichern Manuel Feller und Marco Schwarz. Es hat lange nicht danach ausgesehen, er wurde im ersten Lauf lediglich Achter. Doch die Abstände waren eng, selbst der Zehnte verlor noch keine Sekunde auf Vinatzer, den überraschenden Führenden. Keiner vermochte das besser auszunutzen als Zenhäusern, «eine taktische Meisterleistung», fand Plaschy, als Name um Name an der ramponierten Piste scheiterte, unmittelbar vor Vinatzer auch Yule.
«Wenn es einen Arbeiter im Skizirkus gibt, dann ist es Ramon»
Damit ist Zenhäusern auch auf dem Papier bei den besten Schweizer Slalomfahrern angekommen. Er, der Grosse, der lange belächelt wurde, so ungelenk sah er teilweise aus. Er, der nicht in diese Disziplin passen wollte, nicht zu diesen kleinen Athleten, die sich durch die Tore schlängelten. Er, der nur zu Hause trainiert, weil ihm das Fliegen wegen seiner langen Beine Mühe bereitet.
Früher haben nur zwei Leute an Zenhäusern geglaubt: sein Vater Peter und eben Plaschy, der nun einen seiner grössten Momente mitkommentieren darf. Plaschy sah in Zenhäusern das Spezielle, entwickelte unkonventionelle Trainingsmethoden und machte den Walliser besser und besser. Vor einem Jahr sagte er: «Wenn es einen Arbeiter gibt im Skizirkus, dann ist es Ramon.»
Aus der Not wurde eine Tugend, Zenhäusern ist mittlerweile «Weltmeister im Tempomachen», so sagt es Plaschy. Der Schlaks weiss, wie er seine gigantischen, 63 Zentimeter langen Unterschenkel einsetzen kann, wie sie ihm eine Waffe sein können, wenn es darum geht, mit ihrer Hebelwirkung Tempo zu schaffen im flachen Bereich.
Heute ist Zenhäusern Wegbereiter einer neuen Generation, einer gross gewachsenen Generation. Clément Noël, bereits ein Siegfahrer, und Alex Vinatzer, das wohl aufregendste Talent im Slalom, sind zwar mit ihren knapp 1,90 Metern beide nicht ganz so gross wie Zenhäusern, entsprechen aber auch nicht mehr der Norm von früher.
Die Schweizer setzen im ersten Rennen ein Statement
Zenhäusern bleibt nach dem Erfolg ganz Zenhäusern, er bedankt sich beim Staff und den Trainern, die nichts dem Zufall überlassen würden. Er sei froh, dass die Serie von Swiss-Ski fortgesetzt worden sei, sagt er. In bisher jedem Männerrennen des Winters (ausser im Parallelslalom) stand ein Schweizer auf dem Podest. Und es sagt einiges aus, dass, wenn einem Fahrer wie Yule einmal nicht alles gelingen will, ein anderer bereitsteht.
Die Slalomfahrer standen zuletzt im Februar im Einsatz, in Chamonix. Es kamen Monate der Ungewissheit, für alle Athleten. Dass es den Schweizern gleich im ersten Einsatz gelingt, drei Fahrer unter den besten zehn zu haben, ist ein Statement. Es sagt nichts anderes aus als: «Wir sind die beste Slalom-Nation.»

Denn nicht nur Zenhäusern zeigte, dass er in diesem Winter zu Glanzresultaten fähig ist. Loïc Meillard verbesserte sich im zweiten Lauf um acht Plätze, Luca Aerni zieht dank Rang 17 ein positives erstes Fazit mit dem neuen Material von Fischer. Er war mit der Nummer 49 gestartet. Und Tanguy Nef, das nächste gross gewachsene Slalomtalent aus dem Hause Swiss-Ski, wurde Achter.
Unmittelbar vor ihm lag noch Yule, der nach dem ersten Lauf Zweitschnellster war. Alta Badia ist nicht wirklich Seins, er mag es eisig, steil und holprig, auch wenn er zuletzt Fortschritte im flachen Bereich gemacht hat. Anders als Zenhäusern hatte er bereits zwei Rennen in den Beinen, er absolvierte Anfang Dezember seine ersten Riesenslaloms. Der ohne Wettkampfpraxis angereiste Zenhäusern sagt: «Nach elf Monaten weiss man noch nicht, wo man steht.» Er lieferte sich selbst eine eindrückliche Antwort.
Marcel Rohner startete 2017 als Praktikant in der Tamedia Sportredaktion. Seit Sommer 2019 begleitet er den Schweizer und Zürcher Fussball, spezifisch den Grasshopper Club Zürich. Im Winter berichtet er auch über Skirennen.
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