Gratis-Abos für Politiker in Arosa«Im Dorf brennts»
In Arosa sollen Lokalpolitiker Gratis-Abos von Bergbahnen erhalten haben. Beide Seiten halten sich bedeckt, in der Bevölkerung macht sich Unmut breit. Jetzt schaltet sich die Bündner Staatsanwaltschaft ein.

«Arosa ist wegen Skiabos in Aufruhr» titelte die «Südostschweiz» letzten Samstag. Bergbahnen sollen Lokalpolitikern und Mitgliedern des Gemeinderats Gratis-Abos und Vergünstigungen angeboten haben. Mittlerweile hat sich die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.
Bereits Ende April berichtete die Zeitung, dass Parlamentarier und Gemeindevorstandsmitglieder eine Gratis-Wintersaisonkarte oder eine stark vergünstigte Jahreskarte bei den Bergbahnen beziehen können. Die Angebote der Bergbahnen sollen sie per Brief erhalten haben.
Einer der Adressaten war laut eigenen Angaben der Aroser Parlamentarier und Rechtsanwalt Reto Ruoss. In Arosa seien Gemeinde, Bergbahnen und Tourismus eng miteinander verflochten, sagte Ruoss und sprach sogar von «Vetternwirtschaft».
Ein «offenes Geheimnis» im Dorf
Ruoss hatte die ganze Geschichte ins Rollen gebracht. Nun vermutet er, dass neben Politikern und Vorstandsmitgliedern auch «Chefbeamte» der Gemeinde Arosa kostenlos auf den Skipisten fahren. Es sei «ein offenes Geheimnis im Dorf», dass auch Gemeindeangestellte Gratis-Skiabos erhalten hätten.
Einer dieser «Chefbeamten» ist der Leiter des Tiefbauamts, Roger Friess. Dieser bestreitet gegenüber der «Südostschweiz», von den Bergbahnen einen Brief bezüglich vergünstigter Skiabos erhalten zu haben. Ob er aber dennoch ein Gratis-Abo beziehe, will er nicht sagen – mit Verweis auf die Reaktionen in der Bevölkerung: «Im Dorf brennts», sagt er.
Auch Gemeindepräsidentin Yvonne Altmann weiss nicht mehr. Sie versuche nun, herauszufinden, ob höhere Angestellte der Gemeinde Gratis-Abos erhalten hätten. Und auch die Bergbahnen hüllen sich in Schweigen. «Wir müssen mit der Einleitung eines Verfahrens rechnen und werden wegen dieses zu erwartenden Verfahrens nicht mehr Stellung nehmen», sagte ihr Präsident, Lorenzo Schmid, der «Aroser Zeitung».
«Arosa ist ein Unternehmen»
Ruoss hat auf das Gratis-Abo verzichtet. Er sieht in den Vergünstigungen im Umfang von 350 bis 550 Franken eine «nicht gebührende Vorteilsgewährung» laut Artikel 322 im Strafgesetzbuch. Zu Ruoss’ Vorwürfen äussert sich der Verwaltungsrat der Bergbahnen und ehemalige Gemeindepräsident Lorenzo Schmid. Ihm zufolge hat sich der Verwaltungsrat bereits entschieden, die Praxis auch im nächsten Jahr fortzusetzen.
Über die angeblichen Verflechtungen zwischen den Behörden, den Bergbahnen und Arosa Tourismus sagt Schmid: «Es hat nur Vorteile. Arosa ist ein Unternehmen – hier ziehen alle am gleichen Strang.»
Eine Erklärung für die vergünstigten Skiabos für Behördenmitglieder sieht Ludwig Waidacher in der Tradition. «Diese Praxis gibt es sicher schon seit über 50 Jahren», sagt der Aroser Parlamentarier, der auch Mitglied im Vorstand der Arosa Bergbahnen ist. So habe man mit den Abos Personen entschädigen wollen, die sich unentgeltlich für das Dorf engagiert hätten. Heute, da der Gemeindevorstand entlöhnt werde, sei die Frage schon berechtigt, ob Gratis-Skiabos noch zeitgemäss seien.
Mittlerweile hat die Bündner Staatsanwaltschaft Vorabklärungen eingeleitet. Sie will herausfinden, ob die Bergbahnen Politikern und Gemeinderatsmitgliedern Gratis-Abos und Vergünstigungen angeboten haben, wie die Nachrichtenagentur SDA berichtet.
Es werde zurzeit geprüft, ob eine Vorteilsgewährung und eine Vorteilsannahme stattgefunden hätten, sagt Staatsanwalt Maurus Eckert. Zur Frage, ob es Strafverfahren geben könnte, wollte sich die Staatsanwaltschaft angesichts der laufenden Vorabklärung nicht äussern. Sollte es zu einem Verfahren kommen, drohen sowohl den Empfängern als auch den Absendern rechtliche Konsequenzen.
oli
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