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Brexit-Verhandlungen
Im Brexit-Streit steht eine Lösung unmittelbar bevor

Einigung in letzter Sekunde: Der britische Premier Boris Johnson und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. 
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Nach zehn Monaten scheint ein Durchbruch in den Verhandlungen der EU mit Grossbritannien über ein Handelsabkommen nach dem Brexit in Reichweite. «Wir sind in der finalen Phase», hiess es am Mittwoch aus EU-Kreisen. Es gebe «gute Chancen», dass die Verhandlungen noch am Abend zu Ende gebracht würden, hiess es aus anderer Quelle. Ein Kompromisstext müsste laut Diplomaten dann aber noch von den EU-Mitgliedsstaaten geprüft werden.

«Einiges zu überprüfen»

In den vergangenen Tagen hatten sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Grossbritanniens Premierminister Boris Johnson direkt in die Verhandlungen eingeschaltet. Seit Montagabend fanden nach Informationen der Agentur AFP regelmässige Spitzengespräche der beiden statt. Letzter Streitpunkt war demnach die Frage des Zugangs für EU-Fischer zu britischen Gewässern. Der Kompromisstext, der nun geprüft wird, ist nach Informationen aus EU-Kreisen rund 2000 Seiten lang. Und der Teufel liege im Detail, sagte ein EU-Diplomat gegenüber AFP. «Es gibt einiges zu überprüfen.»

Falls die Verhandlungsführer einen Durchbruch vermelden, müssten auch die Regierungen der 27 EU-Mitgliedsstaaten zustimmen. Hierzu könnte es zunächst ein Treffen der EU-Botschafter in Brüssel geben. Danach würde der Text in den Hauptstädten geprüft.

Wieder mal ein «letzter Anlauf»

Bereits am Dienstag hatte EU-Chefunterhändler Michel Barnier angekündigt, die Europäische Union unternehme einen «letzten Anlauf» für einen Vertrag mit Grossbritannien, obwohl es immer noch tiefe Meinungsverschiedenheiten über die Fischereirechte gebe. In Brüssel unterrichtete er die Vertreter der EU-Staaten über den Verhandlungsstand. Demnach seien die Briten nun bereit, die Fangrechte der EU-Fischkutter über fünf Jahre hinweg nach und nach nur um 35 Prozent zu reduzieren, hiess es. Am Wochenende hatte London noch 60 Prozent gefordert.

Allerdings sagte Barnier bei Briefings von EU-Botschaftern und Europaabgeordneten, dass sich die 35 Prozent bloss auf bestimmte Arten bezögen und die Forderungen der Briten insgesamt weiterhin deutlich höher seien. Ohnehin ist die EU bislang nur zu Kürzungen um 25 Prozent bereit. Und die EU-Botschafter gaben Barnier offenbar mit auf den Weg, dass dies das allerletzte Angebot sei. Vor allem Frankreich zeige sich hart, sagte ein Teilnehmer eines Briefings. Der französische Europaminister Clément Beaune sagte dem Fernsehsender BFM Business, dass er nicht über das Jahresende hinaus verhandeln wolle: «Wir müssen in der Lage sein, in den kommenden Tagen zu einem Abschluss zu kommen.»

Chaos am Ärmelkanal: Britische Lastwagenfahrer diskutieren in Dover mit der Polizei. 

Am Ärmelkanal war schon zuvor die Erleichterung gross. Als die französische Regierung nach 48 Stunden wieder die Grenze zu Grossbritannien öffnete, konnten heute Mittwoch die ersten Züge, Lastwagen und Fähren den Ärmelkanal passieren. Doch so schnell werden sich die LKW-Schlangen in England nicht auflösen. Die gut 4000 Lastwagen dürfen erst nach Frankreich, wenn ihre Fahrer einen negativen Corona-Test vorweisen können, mit dem die in Grossbritannien aufgetauchte neue Virus-Variante ermittelt werden kann. Wegen dieser hatte die Regierung in Paris von Sonntagnacht an den Verkehr auf die Insel gestoppt. Downing Street war von der abrupten Blockade überrascht worden. Das Unverständnis in London war gross.

«Truck Off, Macron»

Die britischen Boulevardzeitungen machten am Mittwoch sogleich einen Schuldigen aus: Emmanuel Macron. Die «Daily Mail» schrieb von «Monsieur Roadblock», die «Sun» nannte ihn «Covidiot» und hatte sogleich eine nicht ganz so nette Botschaft für den französischen Präsidenten parat: «Truck Off, Macron». Der Furor der Boulevardpresse wurde dem Vernehmen nach auch von der Regierungszentrale in London befeuert, die, wenn auch unter vorgehaltener Hand, offenbar ihrer Wut auf Paris freien Lauf liess.

Ohne Abkommen würden im beiderseitigen Handel zum Jahreswechsel Zölle erhoben – mit gravierenden Folgen für die Wirtschaft. Die Blockade am Ärmelkanal war ein Vorgeschmack darauf. Auch deshalb stieg der Druck auf Boris Johnson zuletzt. Jetzt scheint ihm ein Befreiungsschlag gelungen zu sein.