Die Rückkehr des Waldes
Im Rüeschliker Kopfholz hat der Sturm Burglind vor genau einem Jahr heftig gewütet. Noch heute sieht man die Spuren. Doch für den Wald selbst war der Sturm keine Katastrophe, erklärt Förster Damian Wyrsch auf einem Rundgang.

Riesige Wurzelteller ragen aus der Erde. Zersplitterte Stämme liegen auf dem Boden, morsche Bäume stehen schief in der Gegend. Der Sturm Burglind hat vor einem Jahr im Rüeschliker Waldgebiet Kopfholz, das sich teilweise auch auf Adliswiler Boden befindet, Spuren der Verwüstung hinterlassen.
Eigentlich haben Förster Damian Wyrsch und sein Team im vergangenen Jahr diese Spuren weggeräumt. Doch auf einer Hektare des Kopfholzs haben sie nur abtransportiert, was den Waldbesuchern auf dem Weg weiter unten gefährlich werden könnte. Auf dieser Fläche werde der Wald so natürlich wie möglich belassen erklärt Wyrsch. «Oftmals sind Waldnutzer von unserer Arbeit genervt. Hier wollen wir ihnen zeigen, was passieren würde, wenn wir nicht eingreifen würden.» Das Durchkommen ist schwierig, man muss schon mal über die grossen Baumstämme klettern.
Wo genau das Gebiet liegt, möchte Wyrsch in der Zeitung nicht sagen. Zu gross ist das Risiko, dass Neugierige sich verletzen. Er zeigt mit seiner Pfeife auf einen krummen, morschen Baum, den er etwa auf zwei Tonnen schätzt. «Stellen Sie sich vor, irgendwo würde ein Metallgerüst mit diesen Ausmassen ungesichert herumstehen.» Doch wenn dieser Baum umfällt, wird er niemanden gefährden. Daher darf er bis zu seinem natürlichen Ende stehen bleiben. Bei den Aufräumarbeiten macht sich Wyrsch aber immer Sorgen um seine Mitarbeiter. «Wir sind dieses Mal zum Glück glimpflich davon gekommen.» Bei den Aufräumarbeiten nach dem Sturm Lothar kamen in der Schweiz hingegen mehrere Menschen ums Leben.
Sprösslinge auf der Lichtung
In diesem Stückchen Wald sieht man gemäss Wyrsch auch, dass der Natur Stürme wie Burglind eigentlich egal sind. Unter der Wurzelplatte eines umgestürzten Baumes hat sich bereits ein Tier eine Höhle gegraben. Der Sturz des Baumes ist für dieses eine Chance, keine Katastrophe. Die Natur profitiere sogar vom Sturm. Überall wachsen bereits wieder Sprösslinge in die Höhe. Doch sie sind nicht gleichmässig verteilt. Dort, wo der Sturm die älteren Bäume gefällt hat, wachsen die Nachkömmlinge in den Lichtungen. Wo die älteren Bäume noch stehen, dringt kein Licht auf den Boden, was es den Sprösslingen schwer macht.
«Vor Burglind hatten wir kein Problem mit dem Käfer.»Damian Wyrsch
In seiner Arbeit auf 300 Hektaren im Forstrevier Adliswil, Kilchberg, Rüschlikon versucht Wyrsch, die Natur zu imitieren, indem er den Wald lichtet und ihm so die Möglichkeit zur Verjüngung gibt. «Ich arbeite mit dem Licht», meint er.
Infolge des Sturms fand der Borkenkäfer ausgezeichnete Bedingungen vor. «Vor Burglind hatten wir kein Problem mit dem Käfer», erklärt Wyrsch. Nun breite sich die Plage rasant aus. «Es ist, wie wenn nach heftigem Schneefall noch eine Lawine hinzukommt.» Es sind vor allem die Waldbesitzer, die darunter leiden. Für den Wald ist dies ein Vorgang unter vielen.
Der Käfer bestimmt den Takt
In der Nähe der Autobahn zeigt Wyrsch auf Fichten, deren Kronen sich braun verfärbt haben. Gesunde Bäume stehen neben befallenen. Einige Hundert Meter weiter sieht es noch schlimmer aus. «Im September war ein Baum befallen, nun hat es bereits alle erwischt.»
Die Verfärbungen sind das Resultat des Borkenkäferbefalls.
Der Borkenkäfer gibt den Förstern den Takt vor. Die befallenen Bäume müssen im Wettlauf gegen die Zeit aus dem Wald geholt werden, bevor der Käfer sich weiter ausbreiten kann. Das gesamte Arbeitsprogramm für 2018 ist hinfällig geworden. Die Pflege musste zurückgestellt oder an Unternehmen ausgelagert werden. Die Förster konnten auch nicht wie geplant in landwirtschaftlichen Projekten mitarbeiten.
Im neuen Jahr geht es in der gleichen Art weiter. 100 Kubikmeter Holz werden sie ab Januar an der Stelle bei der Autobahn fällen, schätzt Wyrsch. «Das sind ungefähr fünf Lastwagen mit Anhänger.» Das meiste davon wird wohl zu Energieholz verarbeitet. «Wir werden die Hiebsätze in nächster Zeit tief halten», sagt Wyrsch. Es wird nur gefällt, wofür es einen Markt gibt oder was unbedingt rausmuss. Die Preise auf dem gesättigten Holzmarkt sind zu tief.
Ästhetischer Schaden
Teile des Käferholzes sind noch im Kopfholz gestapelt. Bei einigen sind Verfärbungen zu sehen oder Pilze, welche die Käfer mitgeschleppt haben. Nebst den verfärbten Stämmen hat es auch einige in guter Qualität. Sogar als Laie erkennt man den Unterschied. Doch auch diese werden voraussichtlich zu Tiefstpreisen verkauft werden.
Wyrsch ist der Meinung, der Schaden, den der Sturm angerichtet hat, sei vor allem monetärer und ästhetischer Art. Tatsächlich, wenn man als Spaziergänger aufmerksam unterwegs ist, sieht man vereinzelt Baumstümpfe oder vielleicht sogar noch einen abgerissenen Baum. Aber wie Damian Wyrsch sagt: «Der Wald ist wieder zurück.»
Erstellt: 31.12.2018, 14:41 Uhr
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