Bundesgericht erlaubt mehr MietzinserhöhungenHöhere Hürden für Mieter
Das Bundesgericht erlaubt Hausbesitzern eine deutlich höhere Rendite. Trotzdem haben Mieter weiterhin gute Chancen, wenn sie sich gegen missbräuchlich hohe Mietzinsen wehren.

Ein aktuelles Bundesgerichtsurteil verheisst für Mieterinnen und Mieter nichts Gutes. In einem Mehrfamilienhaus, in dem die Höchstmiete bisher bei monatlich 1345 Franken lag, könnte der Eigentümer nach der neuen Rechtsprechung zusätzliche 635 Franken verlangen, wie der Schweizerische Mieterverband vorrechnet. Die Monatsmiete würde demnach auf 1979 Franken ansteigen.
Ein Mietzins kann als missbräuchlich angefochten werden, wenn er eine bestimmte Grenze überschreitet. Bisher lag die Grenze bei einer Nettorendite von 1,75 Prozent. Der Nettoertrag sind die Mieteinnahmen minus Ausgaben des Hausbesitzers für Hypothekarzinsen und anderes mehr. Dieser Nettoertrag durfte also bisher nicht mehr als 1,75 Prozent des Liegenschaftswerts betragen. Das Bundesgericht hat die Nettorendite gemessen am aktuellen Referenzzinssatz nun auf 3,25 Prozent erhöht.
Die Nettorendite ist entscheidend
Die Nettorendite ist eine wichtige Grösse für Mieter, wenn sie feststellen wollen, ob ein Mietzins missbräuchlich hoch ist. «Doch Mieterinnen und Mietern kennen diese Grösse nicht», sagt Natalie Imboden, Generalsekretärin des Schweizerischen Mieterverbands. In manchen Kantonen wie zum Beispiel Zürich, Basel-Stadt oder Luzern erfährt man beim Bezug einer neuen Wohnung, wie viel der Vormieter bezahlt hat. Ein starker Anstieg der Miete kann ein Indiz für eine missbräuchlich hohe Miete sein – insbesondere, wenn eine Wohnung kaum renoviert worden ist. Erst mit dem Gang vor ein Gericht erfährt der Mieter, ob sich der Verdacht durch eine hohe Nettorendite bestätigt.
Mit dem aktuellen Bundesgerichtsentscheid ist die Hürde für Mieter gestiegen. Dennoch hält Imboden eine Überprüfung durch ein Mietgericht weiterhin in vielen Fällen für aussichtsreich. Vor allem in Städten seien die Mieten in den vergangenen Jahren sehr stark gestiegen. «Untersuchungen haben bestätigt, dass sich nur wenige Leute dagegen wehren.» Deshalb seien die Preise heute vielerorts stark überhöht. Obwohl das Bundesgericht die Messlatte höher angesetzt habe, ist Imboden überzeugt, dass sich für viele Mieter der Gang vors Gericht lohnen würde.
Bei Zinsanstieg ändert Praxis
Das Bundesgericht begründet seinen Entscheid mit dem aktuell tiefen Zinsniveau. Der Referenzzinssatz für Hypotheken liegt derzeit bei 1,25 Prozent. Falls er wieder über 2 Prozent steigt, sieht das Bundesgerichtsurteil eine Rückkehr zur alten Regelung vor. Mit anderen Worten: Bei einem Referenzzins von 2 Prozent liegt die Grenze zur missbräuchlichen Miete noch bei einer Nettorendite von 4 Prozent. Steigt der Referenzzins auf 2,25 Prozent, sinkt die Grenze zur missbräuchlichen Miete auf 2,75 Prozent. Das könnte in der Praxis zu Umsetzungsproblemen führen. Dies ist ein Grund dafür, weshalb der Mieterverband den Bundesgerichtsentscheid kritisiert.
Natalie Imboden vom Mieterverband spricht zudem von einem «politischen Urteil». Schon in der kommenden Wintersession berate der Ständerat Mitte Dezember eine parlamentarische Initiative von FDP-Nationalrat Olivier Feller (VD). Die Initiative sieht die gleiche Erhöhung der Nettorendite vor – anders als das Bundesgericht aber ohne Beschränkung auf einen tiefen Referenzzins. Der Nationalrat hat bereits zugestimmt.
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