Kampf um Lauber-NachfolgeHat die Schweiz bald eine Bundesanwältin?
Wer beerbt Michael Lauber? Die Gerichtskommission will zwei Frauen und einen Mann in einer zweiten Anhörung weiter unter die Lupe nehmen.

Die Gerichtskommission der Eidgenössischen Räte wird im Wahlverfahren um die Nachfolge von Bundesanwalt Michael Lauber zwei Kandidatinnen und einen Kandidaten in ein externes Evaluationsverfahren schicken. Das hat die Kommission in einer Medienmitteilung am Mittwochnachmittag bekannt gegeben. Bei den Kandidaten handelt es sich um Maria-Antonella Bino, Lucienne Fauquex und Félix Reinmann. Alle drei haben jahrelang bei der Bundesanwaltschaft gearbeitet. Aus dem Rennen ist damit der ehemalige Kommandant der Zürcher Kantonspolizei, Thomas Würgler, der mit 65 Jahren bereits die Alterslimite überschritten hat.
Nach dem Assessment der drei Kandidaten wird die Gerichtskommission voraussichtlich am 24. Februar zu einer weiteren Sitzung zusammenkommen. Geplant ist, dass sich die Kommission dannzumal darauf einigt, wen sie dem Parlament als neue Bundesanwältin oder neuen Bundesanwalt vorschlägt. Im November schickte sie bereits zwei Kandidaten in ein Assessment, verzichtete danach aber auf eine Empfehlung zuhanden des Parlaments. Das soll im zweiten Anlauf besser klappen. Im März dürfte das Parlament somit den neuen Bundesanwalt oder die neue Bundesanwältin bestimmen.
Expertin für Finanzkriminalität
Gute Chancen kann sich in dieser Konstellation Maria-Antonella Bino, Mitglied der FDP, ausrechnen. Die 54-Jährige ist zurzeit nebenamtliche Richterin am Bundesstrafgericht in Bellinzona und seit April 2020 Chefin der Rechts- und Compliance-Abteilung der Cryptobank Sygnum im Kanton Zug.
Sie gilt als sehr gute Juristin mit viel Engagement. Weggefährten beschreiben sie als eine Frau, die in ihrer Arbeit das Recht vorwärtstreiben kann und wenn nötig rund um die Uhr arbeitet.
Bino war am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn Gerichtsschreiberin zuerst in Genf, dann am Bundesgericht in Lausanne. Dort war sie für sämtliche italienischsprachigen Strafrechtsfälle zuständig. Danach arbeitete sie von 2002 bis 2010 als Eidgenössische Untersuchungsrichterin. Ihr wichtigster Fall damals: Sie ermittelte wegen Geldwäscherei im Fall Aeroflot, in den der Oligarch und Putin-Kritiker Boris Beresowski verwickelt war. In der Aeroflot-Affäre wurde schliesslich ein Schweizer Anwalt wegen Beihilfe zu ungetreuer Geschäftsführung verurteilt. Später kam sie zur Bundesanwaltschaft. Und führte beispielsweise das sogenannte Magnitski-Verfahren, indem es um Betrugsvorwürfe gegen russische Steuerbeamte ging. Sie vernahm in der Schweiz einen russischen Kronzeugen, der kurz danach in England unter mysteriösen Umständen ums Leben kam.
Die jetzige Kandidatur ist schon ihre zweite – 2011 trat sie gegen Michael Lauber an und unterlag. Danach war sie noch für eineinhalb Jahre dessen rechte Hand, dann wechselte sie im Sommer 2013 zur Bank BNP Paribas. Dieser Seitenwechsel löste teils Kritik aus. Denn Bino leitete als Staatsanwältin des Bundes unter anderem auch die Ermittlungen gegen die Mubarak-Söhne. Nach dem Arabischen Frühling hatte die Schweiz zeitweilig gegen 700 Millionen Franken gesperrt – zum Teil auch bei der Bank BNP Paribas. Ihre Kenntnisse als Bank-Insiderin könnten aber auch ein Vorteil sein: Sie kennt die Vorgänge in der Finanzwelt gut, das kann in der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität helfen.
Bino spricht perfekt Italienisch und Französisch, und auch anständig Deutsch. Ihr liebstes Hobby: Pferde. Sie lebte lange Zeit im Kanton Freiburg und ist heute im Kanton Zug ansässig.
An internen Querelen gescheitert
Deutlich weniger profiliert ist die zweite Kandidatin, die 61-jährige Lucienne Fauquex; auch sie kennt die Bundesanwaltschaft von innen. Sie leitete vor Jahren die Zürcher Filiale der Bundesanwaltschaft. 2012 vertrat sie am Bundesstrafgericht in Bellinzona beispielsweise die Anklage gegen den Präsidenten des Zürcher Clubs Hells Angels und drei Mitbeschuldigte. Offenbar war Lauber mit ihren Führungsqualitäten aber nicht zufrieden. Es gab in der Filiale Zürich interne Querelen, die unter ihrer Führung nicht gelöst werden konnten. Sie wechselte schliesslich in den Rechtsdienst der Bundesanwaltschaft in Bern. Auch sie wäre eine Übergangs-Bundesanwältin, wählbar nur für eine Amtszeit, denn die Alterslimite liegt bei den Frauen bei 64 Jahren.
Der dritte Kandidat
Überraschend kommt die Nominierung von Félix Reinmann, dem dritten Kandidaten. Er war 20 Jahre bei der Bundesanwaltschaft, bis Michael Lauber 2015 sein Mandat nicht mehr verlängerte. Offenbar gab es intern Kritik an seinen Leistungen, so etwa im Verfahren gegen die georgische Mafia. Reinmann wehrte sich gegen seine Entlassung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Er wies unter anderem darauf hin, dass er bis dahin immer positive Leistungsbeurteilungen bekommen habe. Und erhielt eine finanzielle Entschädigung, weil in seinem Fall die Kündigungsfrist nicht eingehalten wurde. Später rechnete er in der Öffentlichkeit mit Michael Lauber ab; er sagte im Westschweizer Radio, der Bundesanwalt mache seine Arbeit nicht, es sei Zeit, bei der Bundesanwaltschaft «aufzuräumen». Sollte ihn die Bundesversammlung im März zum neuen Bundesanwalt wählen, hätte er dazu Gelegenheit. Reinmann ist heute Generalsekretär beim Departement für Wirtschaftsförderung in Genf.
In einer früheren Version des Artikels stand fälschlicherweise, Staatsanwältin Bino habe den Anwalt Sergei Magnitski befragt, der später in einem Moskauer Gefängnis umkam. Tatsächlich handelte es sich beim in der Schweiz befragten Zeugen um den Geschäftsmann Alexander Perepilichny.
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