Griezmann oder Hazard? Der Formcheck vor dem Halbfinal
Es wartet das packende Duell zwischen Frankreich und Belgien. Wer im Spiel um den Finaleinzug die besseren Karten hat.

Gewiss: Die WM-Viertelfinals waren nicht schlecht. Aber von einem Halbfinal zwischen Frankreich und Belgien (Dienstag, 20 Uhr) dürfen wir fussballerisch doch etwas mehr erwarten als von einem Duell zwischen Russland und Kroatien. Ja, die Affiche verspricht Spektakel! 90 Minuten lang. Mindestens. Lesen Sie im Formcheck, wo welches Team besser aufgestellt ist.
Der Torhüter
Aufgefallen sind an dieser WM beide Goalies mit hervorragenden Paraden im Viertelfinal. Hugo Lloris zeigte seine Klasse auf der Linie nach einem Kopfball Uruguays und hielt so das 1:0 Frankreichs fest. Thibaut Courtois verhinderte in der Nachspielzeit gegen Brasilien den Ausgleich durch Neymar spektakulär.
Thibaut Courtois verhindert Brasiliens Ausgleich in der Nachspielzeit. (Video: SRF)
Sowieso ist Courtois der Auffälligere der beiden: Er ist zwar fünf Jahre jünger, dafür mit 1,99 Metern elf Zentimeter grösser und hat mit Chelsea und Atletico Madrid doch schon einige Titel geholt. Lloris auf der anderen Seite hat in England mit Tottenham in sechs Saisons noch keinen Titel geholt. In der Nationalmannschaft aber ist seine Rolle umso wichtiger, er führt «Les Bleus» als Captain auf das Feld. In vier Spielen hat er vier Gegentore erhalten, Courtois wurde in fünf Partien fünfmal bezwungen. Schuld daran waren beide nie.
Resultat: Lloris und Courtois begegnen sich auf höchstem Niveau – und auf Augenhöhe. Keine Gegentore, es bleibt beim 0:0.
Die Abwehr
Beide Teams spielten im Achtelfinal mit offenem Visier, es ging gerade noch gut: Frankreich siegte gegen Argentinien (4:3) und Belgien gegen Japan (3:2). Im Viertelfinal waren beide Abwehrreihen stark verbessert, die Franzosen kassierten gegen Uruguay kein Gegentor, Belgien liess sich von Brasilien nur einmal überwinden.
Die Belgier agierten gegen Brasilien mit einer Dreierkette mit Kompany im Zentrum, die in der Rückwärtsbewegung dank Meunier und Chadli zu einer Fünferkette wurde. Sie brachte den Vorsprung auch mit etwas Glück über die Zeit. Dem belgischen Bollwerk steht eine stabile französische Defensive gegenüber, die auch in der Offensive etwas bewirken kann. Lucas Hernandez auf der linken und Benjamin Pavard auf der rechten Seite sorgen mit Vorstössen immer wieder für Gefahr, Pavard gelang gegen Argentinien einer der schönsten Treffer des Turniers. Innenverteidiger Raphael Varane ist in der Luft eine Macht und traf per Kopf gegen Uruguay.
Benjamin Pavard trifft gegen Argentinien mit einem Traumtor. (Video: SRF)
Resultat: Die Franzosen sind in der Abwehr besser besetzt und auch die Verteidiger für Tore gut. Belgien liegt 0:1 im Rückstand.
Das Mittelfeld
Paul Pogba ist in Frankreich einer ähnlichen Erwartungshaltung ausgesetzt, wie sie Granit Xhaka in der Schweiz erfährt. Sein Team steht im Halbfinal, die wirklich guten Leistungen von Pogba werden noch vermisst. Das spricht umso mehr für dieses französische Team. N'Golo Kante spielt neben Pogba den unermüdlichen Scheibenwischer, der Mann «mit den 15 Lungen», so sagte es eben dieser Pogba, ist für die Franzosen nicht zu ersetzen.
Bei den Belgiern spielten gegen Brasilien die beiden Lockenköpfe Axel Witsel und Marouane Fellaini nebeneinander 90 Minuten durch. Ihre Qualitäten sind im Spielaufbau beschränkter, Witsel spielt in China, Fellaini war bei Manchester United in dieser Saison oft verletzt oder nicht erste Wahl. Trotzdem spielten sie stark auf, Fellaini traf ausserdem mit dem Kopf gegen Japan zum wichtigen Ausgleich. Vor ihm müssen sich die Franzosen in Acht nehmen.
Er bringt viel Wucht mit: Marouane Fellaini gleicht gegen Japan per Kopf aus. (Video: SRF)
Resultat: Die Klasse spricht für die Franzosen, und wenn dann auch noch Pogba aufblüht, hilft den Belgiern auch ein Fellaini nicht. Frankreich erhöht auf 2:0.
Der Sturm
Was darf sich der Fussballfan auf diese genialen Offensivspieler freuen! Die Namen: Griezmann oder Mbappé, De Bruyne oder Hazard. Alle könnten sie die Nachfolger werden von Ronaldo und Messi, was die Wahl zum Weltfussballer des Jahres betrifft. Die Qualität jedes Spielers in eine Frage verpackt beschrieben:
Griezmann: Wer ist eigentlich lockerer – der auf dem Spielfeld oder der Durchschnittsmensch im Whirlpool?
Mbappé: Wie kann ein 19-Jähriger im Offensivspiel Frankreichs eine Lücke füllen, die es eigentlich gar nicht gibt?
Hazard: Wann hat er auf dem Spielfeld das letzte Mal etwas falsch gemacht?
De Bruyne: Was ist er denn nun genau: Passgeber, Balleroberer oder Torjäger?
9 Tore schossen die Franzosen bisher, 14 die Belgier. Den Unterschied macht auch Romelu Lukaku. Der bullige Mittelstürmer ist schnell und kopfballstark. Giroud bei den Franzosen blieb noch ohne Tor und zu wenig einflussreich.
Bullig und trotzdem schnell: Romelu Lukaku trifft im Gruppenspiel gegen Tunesien. (Video: SRF)
Resultat: Beide Offensiven sind unheimlich stark, Lukaku aber gibt gegenüber Giroud den Ausschlag für Belgien. Dieses verkürzt auf 1:2.
Die Trainer
Was wird es denn nun für ein Spiel, dieser Halbfinal? Es ist anzunehmen, dass Belgiens Coach Roberto Martinez ähnlich spielen lässt wie gegen Brasilien. Was heissen würde: Frankreich passt, sucht die Lücke, hat mehr vom Spiel. Und Belgien kontert.
Diese Taktik ging im Viertelfinal gegen Brasilien für Belgien voll auf, das frühe Tor spielte ihnen in die Karten. Wäre der späte Ausgleich nach dem 2:0 doch noch gefallen, Martinez hätte sich aber vorwerfen lassen müssen, nach der Führung zu ängstlich gespielt zu haben. Martinez aber sagt selbstbewusst: «Ich habe noch nie ein Fussballspiel taktisch verloren.» Zur Verdeutlichung: Gegen Tunesien (5:2) hatten die «Roten Teufel» nur 52 Prozent Ballbesitz, konterten aber, wie sie wollten.
Kevin De Bruyne schliesst einen eiskalten Konter mit dem 2:0 gegen Brasilien ab. (Video: SRF)
Didier Deschamps hat sein Frankreich auf der anderen Seite äusserst stabil aufgestellt. Unter ihm tritt das Team seit Jahren gleichzeitig konstant und dazu meistens spektakulär auf. Seine Mannschaft formte er schon an der Heim-EM vor zwei Jahren zu einer Siegertruppe, im verlorenen Final gegen Portugal waren die Franzosen besser, aber nicht zwingend genug.
Was die Coaches verbindet: Beide haben namhafte Spieler zu Hause gelassen, weil sie durch diese die Chemie im Team gefährdet sahen. Die Resultate geben ihnen recht.
Resultat: Deschamps stellt sein Team stabiler auf als Martinez. Frankreich siegt 3:1.
Fazit: Der Weltmeister von 1998 geht als leichter Favorit ins Rennen um den Finaleinzug. Und irgendwie erinnert das die Belgier an die Ausgangslage vor dem Brasilien-Spiel. Und sie, die Belgier, lächeln nur spitzbübisch und denken: Dann kontern wir eben. Wie immer.
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