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Griechische Regierung vermutet Kriminelle hinter Waldbränden

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Bei den verheerenden Bränden in Griechenland sind mindestens 87 Menschen ums Leben gekommen. Dies teilten am Freitag die Behörden mit.

Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras zeigte sich tief betroffen über die vielen Opfer der Brände. «Ich übernehme die politische Verantwortung für diese Tragödie», sagte er bei einer Rede vor seinem Ministerrat, die vom Fernsehen übertragen wurde.

Die Ursache für die Brände sei unter anderem auf den illegalen Bau von Häusern zurückzuführen, die die vorigen Regierungen über Jahrzehnte hinweg erlaubt hatten, erklärte der Regierungschef. Er versprach alle nötigen Massnahmen zu treffen, um diesen Zustand zu beheben und parallel den Menschen zu helfen.

Hinweise auf «kriminelle Handlungen»

Tsipras erklärte zudem, es gebe Anzeichen dafür, dass Brandstifter am Werk waren. «Wir müssen den ganzen Sommer hinweg auf der Hut sein.» Die Brandstifter könnten erneut zuschlagen.

Es gebe «ernsthafte Hinweise» darauf, dass das besonders zerstörerische Feuer am Küstenort Mati auf «kriminelle Handlungen» zurückgehe, sagte der stellvertretende Minister für Katastrophenschutz, Nikos Toskas, am Donnerstagabend vor Journalisten. Der Minister verwies auf Zeugenaussagen, auf die er aber nicht näher eingehen könne. Die Beweismaterialien seien der Justiz übergeben worden, die in der Sache ermittelt.

Fotos: Waldbrände in Griechenland

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Ein Feuerwehrmann versucht einen Brandherd zu löschen. (23. Juli 2018)
Eine Frau betrachtet zerstörte Autos, während sie in der Ortschaft Mati nach ihrem Hund sucht. (24. Juli 2018)
In ganzen Strassenzügen verbrannten Autos.

Toskas sagte weiter, dass die Ausbreitung des Feuers in Mati durch «extreme Wetterbedingungen» begünstigt worden sei, die auf den Klimawandel zurückzuführen seien. In diesem Feuer waren die meisten der mindestens 87 Opfer der Waldbrände in Griechenland gestorben.

«Die Stunde des Kampfs»

Der Minister räumte ein, dass es «erhebliche Verluste» gegeben habe. Er habe Ministerpräsident Alexis Tsipras seinen Rücktritt angeboten – «aus Gewissensgründen, nicht wegen Fehlern», sagte Toskas. Der Ministerpräsident habe den Rücktritt aber nicht angenommen und entgegnet, dass «nun die Stunde des Kampfs» sei.

Die Brände waren am Montag vor allem in bei Touristen beliebten Küstenorten rund um Athen ausgebrochen. Bei der Katastrophe wurden so viele Menschen getötet wie bei keinem anderen Feuer in Europa im 21. Jahrhundert.

Unklar war weiterhin, wie die Waldbrände dermassen viel Schaden anrichten konnten. Die Zeitung «Kathimerini» berichtete von einem offenbar chaotischen Treffen von Behörden und Feuerwehr zur Vorbeugung derartiger Brände.

Von Tür zu Tür auf der Suche nach Opfern

Und der Horror will kein Ende nehmen. Immer wieder werden neue Leichen im Osten Athens entdeckt. Die Flammen haben dort alles zerstört. Die Rettungsmannschaften erleben täglich Schlimmes. Feuerwehrleute und freiwillige Helfer gehen von Tür zu Tür und suchen in den zerstörten Häusern in der Ferienregion von Rafina, Mati und Neos Voutzas im Osten Athens nach Opfern.

«Hallo! Hallo! Ist jemand da», heisst es immer wieder. Es folgt Totenstille. Langsam gehen die Feuerwehrleute in die Häuser hinein. Sie haben Schlimmes gesehen und sind auf Schreckliches vorbereitet. Fernsehbilder zeigen diese schlimmen Szenen immer wieder.

Unter den Toten sind auch mehrere Touristen. Nach Behördenangaben kam ein junger Ire in den Flammen ums Leben, der sich in den Flitterwochen befand. Britischen Medienberichten zufolge starb er in seinem Auto im Ferienort Mati in der Nähe von Athen. Seine Frau entkam demnach zwar den Flammen, wurde aber mit Verbrennungen in ein Spital eingeliefert. Unter den Toten sind zudem drei weitere Touristen: Eine Mutter und ihr Sohn aus Polen sowie ein Belgier.

Zudem sind 164 Erwachsene und 23 Kinder verletzt worden. Alle Kinder seien ausser Lebensgefahr. Allerdings werden noch dutzende Menschen vermisst. Die Identifizierung der Opfer ist schwierig und könnte Wochen dauern.

DNA-Tests werden in vielen Fällen notwendig sein, sagen Gerichtsmediziner immer wieder im Fernsehen. Die Bürgermeister der Region befürchten, dass die Zahl der Opfer am Ende dieses Dramas dreistellig sein könnte. Verwandte haben eine inoffizielle Seite eingerichtet und Fotos von Vermissten veröffentlicht. Ein etwa 13 Jahre altes Mädchen habe sich in einen Steilhang gestürzt – als es keinen Ausweg mehr gab. «Ihre Kleider brannten. Das Flammeninferno hinter ihr. Sie stürzte in die Tiefe und war auf der Stelle tot», sagte eine Augenzeugin mit Tränen in den Augen im TV.

Video – Die Waldbrände aus der Luft

Für die Überlebenden muss es nun weitergehen. Es wird aber wohl sehr lange dauern, bis die Menschen sich von dem Erlebten erholt haben. Die Strom-und Wasserversorgung, das Telefon und Internet sind weitgehend unterbrochen. Es könnte Wochen dauern, bis die Infrastruktur einigermassen wieder intakt ist, schätzen Bürgermeister der Region. Tausende Häuser sind unbewohnbar und müssen abgerissen werden.

Unterdessen hat die Staatsanwaltschaft von Athen eine Untersuchung eingeleitet. Die Ursachen der Katastrophe sollen ermittelt werden. Experten sind sich jedoch weitgehend einig. Egal aus welchem Grund der Brand ausbrach – die freiwilligen Helfer, die Feuerwehr und allen voran die Einwohner von Mati, Neos Voutzas und Rafina hatten keine Chance, die Katastrophe zu stoppen.

Winde der Stärke 9 erzeugten binnen Minuten ein Flammenmeer. Wer Glück hatte, konnte sich zum nahegelegenen Meer flüchten und wurde von Fischern gerettet.

Tsipras ruft Staatstrauer aus

Ministerpräsident Alexis Tsipras rief am Dienstagmittag eine dreitägige Staatstrauer aus und versprach, das «Was» und «Warum» der Katastrophe aufzuklären. Viele ausländische Staaten boten Hilfe an. Tsipras wandte sich am Dienstagmittag über das Fernsehen an die Bevölkerung. Es gehe jetzt darum, noch zu retten, was zu retten sei, und zusammenzustehen, sagte er und kündigte eine dreitägige Staatstrauer an.

Aus dem Ausland gab es zahlreiche Solidaritätsbekunden und Hilfsangebote. Hilfe sei unterwegs von vielen EU-Ländern, twitterte EU-Ratspräsident Donald Tusk, Europa werde in diesen schwierigen Zeiten an der Seite seiner griechischen Freunde stehen. Auch Papst Franziskus sprach den Betroffenen seine Anteilnahme aus: Er sei «zutiefst betrübt» angesichts der Brände in Griechenland, teilte der Vatikan mit. Das katholische Kirchenoberhaupt ermutigte die Helfer, ihre Rettungsbemühungen fortzusetzen.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und der russische Präsident Wladimir Putin sollen ebenfalls Unterstützung angeboten haben, wie die halbstaatliche griechische Nachrichtenagentur ANA-MPA berichtete.

Von Flammen ins Meer getrieben

In der Region der Hafenstadt Rafina waren die Menschen in der Nacht zum Dienstag von den Flammen ins Meer getrieben worden – gut 700 Menschen wurden dort von Fischern, privaten Booten und der Küstenwache aus dem Wasser gerettet und in den Hafen von Rafina gebracht, wie der Bürgermeister der Stadt berichtete.

Etliche Menschen harrten noch am Dienstagmorgen auf steilen Küstenabschnitten aus. Luftaufnahmen zeigen, dass ganze Stadtviertel der Ferienorte Rafina, Mati und Nea Makri in Schutt und Asche liegen.

Die Region um die Stadt ist dicht bewaldet, zwischen den Pinien verstreut stehen Tausende Ferienhäuser und Wohnungen. Die Athener verbringen hier ihre Sommerferien. Als die Flammen kamen, brach Panik aus. Die Strassen seien von flüchtenden Menschen in Autos verstopft worden, es habe keinen Ausweg gegeben und keine Luft zum Atmen, berichteten Augenzeugen.

15 Brände an drei Fronten

Die gewaltigen Rauchwolken, die bis ins rund 30 Kilometer entfernte Athen zogen und dort am Dienstag den Himmel verdunkelten, erschwerten zusätzlich zum starken Wind die Arbeit der Helikopter und Löschflugzeuge. Im Laufe des Tages konnten die Feuer jedoch weitgehend unter Kontrolle gebracht werden. Am Dienstagabend dann sollte es in der Region regnen.

Der Brand in Mati war am Dienstag eingedämmt, allerdings wütete 50 Kilometer westlich von Athen im Küstenort Kineta ein Feuer, das zahlreiche Häuser und Autos zerstörte. In der Nähe der Stadt Marathon wurden rund 600 Kinder aus einem Feriencamp in Sicherheit gebracht.

Mehr als 3000 Feuerwehrleute, fünf Flugzeuge und zwei Hubschrauber waren im Einsatz gegen die Flammen. Regierungssprecher Dimitris Tzanakopoulos erklärte, in der Region Attika seien gleichzeitig 15 Brände an drei verschiedenen Fronten ausgebrochen.

sda/afp/NN