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Grenzenlose Enttäuschung in Rot-Weiss

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Kurz vor 16 Uhr erfolgte gestern Nachmittag auf SRF 1 die Liveschaltung ins Krestwoski-Stadion in Sankt Petersburg zu Sascha Ruefer. Entweder gebe es überschwängliche Ekstase oder abgrundtiefe Enttäuschung, sagt der Kommentator zur Ausgangslage beim Knüller Schweden gegen die Schweiz. Die Geschichte des Schweizer Fussballs könnte jedenfalls mit der Qualifikation für die WM-Viertelfinals neu geschrieben werden.

Zu diesem Zeitpunkt ist das Zelt mit der Festwirtschaft beim Public Viewing in der Alten Schule in Horgen zum Bersten voll. Rund 800 Schweizer Fans stehen wie ein Mann hinter der Nati, die Mehrzahl in rot-weissen Trikots gekleidet. Alle Augen sind auf den LED-Big-Screen gerichtet. Bis auf die älteren Semester und die vielen Kinder sind eigentlich alle in erwerbstätigem Alter. Aber viele haben ­eigens für das Spiel freigenommen, so wie eine selbstständig arbeitende Frau. Der Wädens­wiler Lars Hug hat von seinem Arbeitgeber bei der kantonalen Verwaltung sogar ausdrücklich freibekommen.

Und wieder kein Tor: Den zahlreichen Schweizer Fans bleibt nur die Enttäuschung. Bilder: Sabine Rock.

Fanartikel inklusive

In der Aula der Alten Schule finden weitere Hunderte von Fans Platz. Bruno Decurtins, zusammen mit Geschäftspartner Patric Weingarten Pächter des Gastrobetriebes, sagt nach knapp drei Wochen WM in Russland: «Auch die Spiele mit Kroatien sind gut besucht. Wenn aber die Schweiz spielt, ist es hier ein Tollhaus.» Die Helfer des lokalen Handball-, Schwimm- und Dartklubs haben jedenfalls im Ausschank alle Hände voll zu tun. Der Hit ist ein Plastikbehälter, der 1,5 Liter Bier fasst.

Abgefüllt wird der Gerstensaft in mehrere Becher. Die Veranstalter scheuen allgemein keine Mühe: Auf den Festtischen liegen kostenlose Fanartikel zum Abholen bereit. WM-Gastgeber Russland ist durch eine Art ­Kosakenmütze vertreten, die Kappen aus Kunststoff sind ebenso in Rot-Weiss gehalten. Auch Schweizer Fähnchen finden zahlreiche Abnehmer.

Umgeben von Rot-Weiss: Einer der wenigen schwedischen Fans.

Inbrünstiges Singen

Die Spieler stehen nun in den Katakomben des Stadions bereit. «Olé, olé, olé, Schwiizer Nati», ertönen lautstark die Fangesänge durch das Festzelt. Schwedische Anhänger sind fast keine auszumachen. Einzig die in Horgen lebende Susanne Ask trägt zusammen mit ihrem Söhnchen Axel ein blau-gelbes Trikot. «Wir gewinnen», sagt der achtjährige Filius siegessicher. Beim Abspielen der Nationalhymnen werden die Schweizer Fans zu wahren Pa­trioten. Fast alle singen die Schweizer Hymne inbrünstig mit, kennen den Text – ein wenig überraschend – in und auswendig.

Kleiner Fan, grosse Anspannung – doch alles Zittern hilft am Ende nichts.

Je nach Spielverlauf auf der Grossleinwand wechseln sich in der Folge Aufschreie über ver­gebene Torchancen, Empörung über harte Fouls und Anfeuerungsrufe ab. Vereinzelte Buhrufe, wenn der Schiedsrichter den Eidgenossen nicht wohl­gesinnt ist, verstummen rasch. Szenenapplaus folgt auf gelungene Aktionen der Schweizer. «Wie viele Chancen brauchen wir eigentlich noch!», sagt ein Schweizer Fan mitten in einer Gruppe Jugendlicher, als ein Tor für Rot-Weiss immer noch nicht fällt. Auch das grosse Zittern ist angesagt, und das Durchatmen ist riesig, wenn Schweden seinerseits eine Torchance vermasselt.

Alle Dämme brechen jedoch nicht. Die Schweiz schiesst kein Tor. Stattdessen erzielen die Schweden eines. Als der Schlusspfiff ertönt, wiegt die Enttäuschung schwer. Rot-Weiss hat ausgeträumt. Einige wahrlich echte Fans rufen wenig später trotzdem wieder «Hopp Schwiiz».