Indigene in BrasilienLula-Regierung ermittelt wegen «Genozid» nach Tod von hundert Kindern
Klimawandel, Zerstörung und mordgierige Goldsucher: Das Volk der Yanomamis kämpft schon so ums Überleben. Nun soll dem Indianerstamm auch Nahrungs- und Sanitärhilfe verweigert worden sein.

Nach dem Tod von etwa hundert Kindern im Indigenen-Schutzgebiet der Yanomami sind in Brasilien Ermittlungen wegen «Genozid»-Verdachts eingeleitet worden. Dies gab Justizminister Flávio Dino am Dienstag bekannt. «Wir denken, dass es sehr klare Hinweise darauf gibt, dass dieser indigenen Bevölkerung Nahrungs- und Sanitärhilfe verweigert wurde.» Die Ermittlungen richteten sich unter anderem gegen für das Gebiet zuständige Beamte.
Zuvor hatte eine offizielle Untersuchung ergeben, dass in dem Indigenen-Schutzgebiet der Yanomami im vergangenen Jahr etwa hundert Kinder unter fünf Jahren an Unterernährung, Lungenentzündung, Malaria oder anderen Infektionskrankheiten gestorben sind. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums waren darunter 67 Kinder unter einem Jahr.
Immer wieder sind die Yanomamis Gefahren ausgesetzt: So macht ihnen der Klimawandel und die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes – etwa durch das Strassenbauprojekt Transamazônica – schwer zu schaffen.
Greenpeace klagte nach einem Flug über das Gebiet der Yanomami im Dezember über eine 120 Kilometer lange Strasse, die Goldgräber in den Regenwald geschlagen haben. Das Quecksilber nutzen die so genannten «garimpeiros», um Gold auszulösen. Sie verschmutzen dabei das Wasser, und Fische sterben.
Die Indigenen berichteten auch über tödliche Angriffe illegaler Goldgräber. Die Yanomamis bezichtigen sie zudem der sexuellen Übergriffe auf Frauen und Mädchen.
Mehr als 50 Beamte entlassen
Angesichts von Not und Elend hat Brasiliens Regierung 54 Beamte der zuständigen Behörde (Funai) und des Gesundheitsministeriums entlassen. Viele der Entlassenen waren Militärs, die in der Regierungszeit des abgewählten rechtsgerichteten Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro ernannt worden waren. Dies ging am Dienstag aus einer Mitteilung des neu geschaffenen Ministeriums für indigene Angelegenheiten hervor, wie die Nachrichtenagentur Keystone-SDA schreibt.
Unter Bolsonaro hatten Brände und Abholzungen im brasilianischen Regenwald stark zugenommen. Der neue Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva versprach bei seinem Amtsantritt zu Beginn dieses Jahres, die Abholzung zu stoppen und Schutzprogramme zu reaktivieren.

Nach seinem Besuch bei den Yanomamis sagte Lula: «Was ich gesehen habe, ist unmenschlich. Es hat mich erschüttert.» Er kündigte weitere Massnahmen gegen Unterernährung bei den Kindern der Ureinwohner an. Er werde Transportmöglichkeiten schaffen, Gesundheitsversorgung bringen und den illegalen Bergbau bekämpfen, sagte Lula in der Stadt Boa Vista, wie das brasilianische Nachrichtenportal «G1» am Samstag berichtete. Mittlerweile sind Teams des Gesundheitsministeriums in die Region gereist, um kranken Ureinwohnern zu helfen. Mehr als 1’000 Yanomamis seien in den letzten Tagen gerettet worden, sagte ein Regierungsmitarbeiter gegenüber «G1».
AFP
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