Gartenstadt fällt der Verdichtung zum Opfer
Ein bürgerliches Richtergremium gibt eine Pioniersiedlung des genossenschaftlichen Wohnungsbaus zum Abbruch frei. Das Interesse, zu verdichten und günstige Wohnungen zu bauen, überwiege gegenüber dem Schutz der Siedlung.

Geht es nach dem gestern publizierten Entscheid des kantonalen Baurekursgerichts, darf die erste Zürcher Gartenstadt (siehe Kasten) am Friesenberg dem Erdboden gleichgemacht werden. Die Familienheim-Genossenschaft (FGZ) will am Fusse des Uetlibergs stattdessen Neubauten erstellen.Der Zürcher Heimatschutz (ZVH) hat sich vergeblich gegen diese Pläne gewehrt. Er wollte, dass die Siedlung aus den 1920er-Jahren unter Schutz gestellt wird. Das Baurekursgericht folgt in seinem Entscheid nun dem Zürcher Stadtrat.
Die Richter halten fest, es handle sich bei den ersten beiden Bauetappen der Friesenbergsiedlung um «ein einzigartiges und hochrangiges Schutzobjekt». Dies führe allerdings nicht zwingend zur Anordnung von Schutzmassnahmen. Die Gretchenfrage lautet: Überwiegt das öffentliche Interesse an der Erhaltung der Siedlung oder überwiegen die öffentlichen und privaten Interessen, die einem Schutz entgegenstehen?
Die öffentlichen Interessen:
Die Stadt Zürich muss zwingend gegen innen verdichten.
Die Stadt ist verpflichtet, den Anteil preisgünstigen Wohnraums zu erhöhen.
Die privaten Interessen:
Die FGZ ist einem genossenschaftlichen Wohnzweck mit entsprechend tiefen Mietzinsen verpflichtet.
Die FGZ hat ein finanzielles Interesse, das Grundstück völlig neu zu überbauen und aufgrund des Verdichtungspotenzials mehr Wohnraum zu schaffen.
Doch nicht so schützenswert
Je schutzwürdiger eine Baute, desto eher verlieren die anderen Interessen an Bedeutung. Die Gutachter lassen keinen Zweifel daran, dass die Gründersiedlung der FGZ äusserst schützenswert ist. Sie gehöre in die Pionierphase des genossenschaftlichen Wohnungsbaus. Sie gelte nicht nur als Herz und Perle des Friesenbergs, sondern zugleich als exemplarisches Versuchsmodell für die Ausrichtung der sozialdemokratisch geprägten Planungspolitik, steht da zu lesen. Diese Politik verzichtete mit dem Gartenstadtmodell auf den ökonomischen Zwang zur maximalen Parzellenausnutzung.
Das Baurekursgericht, das für diesen Fall mit Walter Linsi und Jürg Trachsel (beide SVP) sowie Claude Reinhardt (FDP) zusammengesetzt ist, hat einen Augenschein vorgenommen. Das Fazit: «Das denkmalpflegerische Interesse an der Erhaltung des Schutzobjektes ist nach Auffassung des Gerichts nicht als derart hochrangig einzustufen, wie dies im Gutachten dargelegt wurde.» Die Richter verweisen unter anderem auf den baulichen Zustand der einzelnen Gebäude, den sie als «sehr schlecht» bezeichnen.
Dieses Fazit lässt Raum für die öffentlichen und privaten Interessen, die gegen eine Unterschutzstellung der Siedlung sprechen. Mit einer Neuüberbauung könnten auf dem Areal rund 94 zusätzliche Wohneinheiten realisiert werden. Es würde damit verdichtet und gleichzeitig preisgünstiger Wohnraum entstehen.
Mieten würden zu hoch
Laut einer Machbarkeitsstudie würde die Sanierung der beiden Etappen 54,4 Millionen Franken kosten. Die Gebäude könnten so für weitere 60 Jahre erhalten werden. Die Mietpreise würden allerdings markant steigen. Die Eigentümer rechnen in der ersten Etappe mit Preisen von mindestens 2585 Franken für ein 5-Zimmer-Haus und 1936 Franken für eine 4-Zimmer-Wohnung. Die zweite Etappe würde nach der Sanierung noch teurer. «Diese Mietpreise sind mit einem genossenschaftlichen Wohnzweck nicht vereinbar», halten die Richter in ihrem Entscheid fest. Das Baurekursgericht stützt damit die Interessenabwägungen der Vorinstanz.
Entscheid nicht einstimmig
Der Entscheid des Dreiergremiums ist allerdings nicht einstimmig gefallen. Einer der Richter wollte den Rekurs gutheissen und die 1. und 2. Bauetappe der FGZ-Siedlung am Friesenberg unter Schutz stellen.
Barbara Truog, die Präsidentin des Stadtzürcher Heimatschutzes, wollte sich auf Anfrage noch nicht zum Entscheid des Gerichts äussern. Sie müsse diesen zuerst studieren. Truog sagte aber: «Der Heimatschutz prozessiert auf dem Platz Zürich nur, wenn es um einen architekturhistorischen Leuchtturm geht.» Ein Objekt also, das nicht nur für Stadt oder Kanton Zürich, sondern für die ganze Schweiz von Bedeutung sei. Und bei der FGZ-Siedlung sei die ganze Fachwelt aufseiten des Heimatschutzes.
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