Fussballer sollen ihren Pass abgeben? Eine Schnapsidee
Mit seinem Vorstoss befeuert der Schweizer Verband höchstens die Stammtisch-Debatte. Probleme allerdings würde er nicht lösen.
Doppeladler, Hymnenverweigerer, richtige und andere Schweizer. Es sind in den vergangenen Jahren, Monaten und Tagen viele Debatten über die Nationalmannschaft hereingebrochen, im Grunde genommen ist es aber stets um die gleiche Frage gegangen: Ist die Schweizer Nationalmannschaft noch Schweiz genug?
Für die Schweiz spielen zwar auch Rodriguez, Akanji und Drmic, aber im Kern geht es nie um die Spieler mit Eltern oder Elternteilen aus Spanien, Chile, Nigeria oder Kroatien, sondern nur um die albanisch-stämmigen Spieler. Und weil immer wieder neue Debatten aufflammen, sollten die Diskussionen auch nicht (mehr) als von Fremdenfeindlichkeit getragenes Stammtisch-Gerede abgetan werden. Die Fragen werden im ganzen Fussballland verhandelt, quer durch alle Schichten, einzelne Politiker nutzen die Emotionalität dahinter aus.
Doppelbürger müssten verzichten
Offenbar verspürt auch der Schweizerische Fussballverband (SFV) mittlerweile einen grossen Druck und Handlungszwang. Anders ist nicht zu erklären, weshalb SFV-Generalsekretär Alex Miescher einen nächsten Brand gelegt hat. Der frühere Luftwaffen-Pilot Miescher steht nicht im Verdacht, ausländerfeindlich zu sein, aufgefallen ist er als besonnener und kluger Kopf. Doch nun hat der FDP-Politiker öffentlich über seine Idee gesprochen, zukünftig auf Doppelbürger in der Nationalmannschaft zu verzichten. Die Förderprogramme des SFV würden dann nur noch jungen Fussballern offen stehen, die bloss einen Pass besitzen. Doppelbürger müssten auf ihre zweite Staatsbürgerschaft verzichten.
Miescher sagt, der SFV wolle mit diesem Vorstoss die Resonanz prüfen. «Wenn dann alle der Meinung sind, dass es eine Schnapsidee ist, dann ist das für uns auch ok.»
Video: Doppeladler-Jubel
Ja, es ist eine Schnapsidee, weil sie die vielschichtigen Probleme nicht aus der Welt schafft. Und es ist ein Misstrauensvotum gegen alle Spieler mit doppelter Staatsbürgerschaft.
Nur eine Staatsbürgerschaft kann kein Weg sein
«Das ist wie bei einem Scheidungskind, das sich zwischen Mutter und Vater entscheiden muss. Es wäre für viele Spieler befreiend, wenn die Entscheidung früher getroffen würde», behauptet Miescher. Vermutlich wäre es beim Scheidungskind besser, es muss sich nicht für Mutter oder Vater entscheiden, sondern es kann sich für Mutter und Vater entscheiden.
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Zweiten Pass abgeben? Verband mit brisanter Idee

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Spielern nur eine Staatsbürgerschaft zu erlauben, kann kein Weg sein. Bürger eines Landes zu sein, hat sehr stark auch mit der Identität eines Menschen zu tun. 14- oder 15-jährige Buben müssten sich für die Schweiz und gegen ihre zweite Heimat entscheiden nur wegen eines Aufgebots für eine U-Nationalmannschaft? Und dann, wenn sie in zwei-, vier oder sechs Jahren nicht mehr zur fussballerischen Elite gehören, wie es realistisch ist? Von den 21 Schweizer U-17-Weltmeistern haben es nicht einmal fünf dauerhaft in die A-Nationalmannschaft geschafft, viele sind in den Niederungen des Fussballs verschwunden.
Kein Papier entscheidet
Es wird immer Schweizer geben, die Mühe damit haben, wenn in der Nationalmannschaft junge Männer über den Rasen rennen, die beim Rütlischwur noch nicht dabeigewesen sind. Es wird immer Spieler geben, die zwei Ländern emotional stark verbunden sind. Daran ändert die Ein-Pass-Regel nichts. Kein Papier entscheidet, wo sich ein Mensch überall zugehörig fühlt. Und nicht das Wappen auf der Brust entscheidet über die Gefühle der Spieler, sondern das Herz in der Brust.
Nur wenn es Schweizer Fussballfans und Schweizer Nationalspielern gelingt, gegenseitig Verständnis füreinander zu schaffen. Nur wenn es den Schweizer Verbandsfunktionären gelingt, mögliche Konfliktherde vorauszusehen, clever zu moderieren und klare Verhaltensregeln durchzusetzen - also nicht wie beim Serbien-Albanien-Konflikt in Russland -, wird die Schweiz in der Nationalitäten-Debatte Fortschritte erzielen. Und das ist nötig. Doppeladler-Symbole und Stammtisch-Parolen führen auf jeden Fall in die Sackgasse. Und die nächste Herausforderung kommt auch schon auf den Schweizer Fussball zu. Nach den Albanern sind schon die afrikanisch-stämmigen Schweizer auf dem Weg, sich Platz in der Nationalmannschaft zu verschaffen.
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