Reform von SchengenFür einmal beste Freunde
Frankreich will die Koordination im Schengen-Raum stärken und sieht dabei auch für die Schweiz einen Platz am Tisch. Bundesrätin Keller-Sutter lobt nach einem Treffen am Donnerstag die gute Stimmung.

Angesichts der gespannten bilateralen Beziehung mit der EU könnte der Kontrast nicht grösser sein: Bundesrätin Karin Keller-Sutter war nach dem informellen Treffen mit den EU-Innenministern am Donnerstag in Lille voll des Lobes über die gute Stimmung. Zum Hoch beigetragen hat auch ein kurzer Austausch mit Emmanuel Macron am Rande des Treffens.
Der französische Präsident hatte zuvor seine Pläne skizziert, wie er den Schengen-Raum stärken will. Dazu gehört auch ein neuer Schengen-Rat, in dem sich die Innenminister künftig stärker koordinieren sollen. Was genau der Mehrwert des neuen Gremiums sein soll, ist zwar noch nicht ganz klar. Macron versicherte Karin Keller-Sutter allerdings persönlich, dass die Schweiz als assoziiertes Mitglied bei dem Schengen-Rat willkommen sei.
«Ich habe ihn angesprochen und gesagt, wir wären gerne bei diesem Schengen-Rat dabei», sagte Karin Keller-Sutter nach dem Treffen gegenüber Journalisten. Macron habe das «absolut befürwortet». Der Präsident will die französische EU-Rats-Präsidentschaft, während der er auch um seine Wiederwahl kämpfen muss, dazu nutzen, Schengen zu reformieren. Im Fokus steht ein stärkerer Schutz der Aussengrenze, wobei auch verschiedene Polizeidatenbanken besser genutzt werden sollen.
Ohne Frontex kein Schengen
Für Macron ist das die Voraussetzung dafür, dass die Bewegungsfreiheit im Inneren des Schengen-Raums gesichert werden kann. Das sieht auch Karin Keller-Sutter so. Der Präsident habe Aufbruchstimmung verbreitet. Bei Ministertreffen verliere man sich oft in technischen Fragen. Der neue Schengen-Rat soll als Plattform dienen, um sich über akute politische Fragen wie die Krise an der Grenze zu Belarus austauschen zu können.
In der Schweiz sei viel von der gespannten Beziehung mit der EU die Rede und dabei werde übersehen, wie gut die Zusammenarbeit im Rahmen von Schengen funktionieren, sagte Keller-Sutter. Man könne «für oder gegen die EU sein», doch die Sicherheit der Schweiz hänge auch von der Sicherheit in der EU ab. Die Zusammenarbeit bei Sicherheit und Migration sei für die Schweiz zentral.
Es sei auch im Interesse der Schweiz, wenn an der Aussengrenze illegale Migration verhindert werden könne. Die europäische Grenzbehörde Frontex sei dabei ein zentraler Pfeiler von Schengen, den man als assoziierter Staat nicht infrage stellen könne, betonte die Bundesrätin mit Blick auf die Frontex-Abstimmung am 15. Mai.
Streit um Rafale vergessen
Voll des Lobes war Keller-Sutter auch über den Austausch mit dem französischen Innenminister Gérald Darmanin, der einen Besuch in der Schweiz versprochen habe. Fast scheint es, als wäre die Missstimmung nach dem Entscheid gegen den Rafale und für das US-Kampfflugzeug F-35 vergessen.
Für die Innenminister sei klar, dass die Schweiz ein wichtiger Partnerstaat sei, betonte die Bundesrätin: «Sie sehen, dass wir uns engagieren.» Sie versuche, bei den Treffen immer dabei zu sein, und lege auch dazwischen Wert auf Beziehungspflege. Wenn man sich kenne, sei es auch einfacher, gemeinsame Lösungen zu finden. Die Justizministerin hat dank der Schweizer Schengen-Mitgliedschaft als Einzige im Bundesrat diesen privilegierten Platz am Tisch.

Stephan Israel ist in Zürich aufgewachsen, hat in Genf Science Politique studiert und ist in Bern in den Journalismus eingestiegen. Er war während der Jugoslawienkriege Korrespondent in Südosteuropa. Seit 2002 schreibt er aus Brüssel über die schwierige bilaterale Beziehung und die Krisen der EU.
Mehr Infos@StephanIsraelFehler gefunden?Jetzt melden.