Xherdan Shaqiri in LuganoFür die WM greift er in die eigene Tasche
Seine Saison mit Chicago ist beendet. Darum trainiert der Nationalspieler bis zur WM in Lugano – und zahlt selber an Versicherung und Unterkunft.

Da kommt er also. Die eindrücklichen Waden. Das schelmische Lächeln, das ihm immer noch etwas Lausbübisches verleiht. Die leichte Aufregung, die jeweils durch den Raum flirrt, wenn er ihn betritt. Xherdan Shaqiri, Hoffnung der Schweizer Nationalmannschaft an der Weltmeisterschaft in Katar, ist in Lugano eingetroffen.
Der 31-Jährige ist nicht im Tessin, um das sonnige Herbstwetter zu geniessen. Wobei, wenn er schon da ist, nimmt er es gerne mit: «Hier ist alles immer etwas wärmer – auch die Menschen.» Zur Hauptsache aber ist Shaqiri in Lugano, um einer merkwürdigen Zwischenwelt zu entkommen.
Seine Chicago Fire haben in der Major League Soccer das Playoff deutlich verpasst. Seit dem 9. Oktober ist die Saison darum für ihn beendet. Das ist nicht ideal, wenn man wie Shaqiri am 14. November möglichst fit in die letzten Vorbereitungstage zur WM steigen will. Darum trainiert er jetzt drei Wochen beim FC Lugano mit.

Wer der zweitbest-bezahlte Fussballer in der Geschichte der MLS ist, kann allerdings nicht einfach so bei irgendeinem anderen Verein ins Training steigen. Da braucht es erst die Zusage des eigenen Arbeitgebers. Es braucht vor allem eine nicht ganz günstige Versicherung. Und irgendwer muss dann auch noch das hübsche Hotel am Luganersee bezahlen, von dessen Ruhe Shaqiri nach den ersten Nächten schwärmt.
Shaqiri haftet in der Öffentlichkeit manchmal der Ruf an, die Dinge nicht immer mit verbissenem Ernst anzugehen. Und möglicherweise ist es ja gerade diese Leichtigkeit, die ihn auf dem Platz Dinge tun lässt, die ihn zum kreativen Zentrum der Schweizer Mannschaft werden lassen.
Mit seiner Ankunft im Tessin aber beweist Shaqiri, wie wichtig ihm diese WM-Endrunde ist. «Er bezahlt den grössten Teil der anfallenden Kosten selber», sagt Pierluigi Tami, der Direktor der Schweizer Nationalmannschaften. «Wir haben gespürt, dass er alles tun will, um möglichst gut vorbereitet nach Katar zu reisen.»
«Ich vergesse nicht, wie man gegen einen Ball tritt»
Dass es Lugano geworden ist und nicht ein Club in der Nähe seiner Familie in der Nordwestschweiz, liegt an Shaqiris Arbeitgeber. Der FC Lugano gehört seit 2021 Joe Mansueto, Besitzer von Chicago Fire. Logisch, dass die US-Amerikaner ihren Star bei ihrem Partnerclub unterbringen wollten.
Hier trainiert Shaqiri ganz normal mit dem Team mit. Dort, wo ihn Trainer Mattia Croci-Torti aufstellt. Am Mittwoch zum Beispiel auf dem linken Flügel. «Da habe ich schon lange nicht mehr gespielt», sagt Shaqiri und grinst, «war gut.» Was natürlich nicht heisst, dass er an der WM unbedingt auf dieser Position auflaufen muss.
Wenn sich Lugano auf Spiele vorbereitet oder sich von ihnen erholt, trainiert Shaqiri gesondert, um die nötige Belastung zu haben. Das Trainerteam des Nationalteams ist deswegen mit jenem der Luganesi im Kontakt. Alles ideal, findet Shaqiri: «Für mich ist wichtig, dass der Motor weiterläuft. Ich habe in diesem Jahr viele Spiele bestritten. Ich werde in den nächsten Wochen nicht vergessen, wie man gegen einen Ball tritt.»
Zwischendurch putzte er in Manchester das Haus
Zwischen dem Saisonende und dem Trainingsstart in Lugano war er kurz in Mexiko. Danach war er in Manchester, konnte aber leider kein Spiel besuchen. «Weil ich mein Haus putzen musste», wie er mit einem Lachen behauptet. Und jetzt versprüht er mit Blick auf die WM einen Optimismus, den das Schweizer Team gut gebrauchen kann: «Ich sorge mich gar nicht, weil ich jetzt keine Ernstkämpfe habe. Ich kann mit Freude arbeiten und werde gut ausgeruht in die WM steigen.»
Mattia Croci-Torti ist nach dem Medientermin schon auf dem Weg nach draussen, da wird er noch einmal angesprochen. Ist er sich bewusst, dass er zu so etwas wie dem Bewahrer eines nationalen Schatzes geworden ist? «Ich spüre keinen Druck, nein, nein!», sagt der Trainer strahlend. Dann dreht er sich noch einmal um und sagt: «Aber stell dir vor, es passiert etwas …» Und seine Hände wedeln eine Mischung zwischen «ui, ui, ui» und «mamma mia» in die Luft.

Eine Verletzung wäre natürlich der schlimmste Ausgang für den speziellen Trainingsbesuch im Tessin. Aber der prominente Gast selber mag sich nicht gross mit dieser Möglichkeit auseinandersetzen. Zumal seine temporären Mitspieler ja wissen, wen sie da vor sich haben.
Nicht dass ihnen Croci-Torti mitgegeben hätte, dass sie Shaqiri besonders schonen sollen. Aber der sagt: «Man merkt schon, dass sie in ein, zwei Situationen etwas zurückhaltender sind, wenn sie gegen mich spielen. Das ist ja normal.»
Lieber redet Xherdan Shaqiri darüber, was die Schweiz an der WM erreichen kann. Über die Gruppe mit Brasilien, Serbien und Kamerun, die er als «schwierig» bezeichnet. Aber dann redet er sich ein wenig in Schwung. Und wo er eben noch das Weiterkommen in die Achtelfinals als «nicht einfach» bezeichnet hat, verkündet er kurz darauf: «Wir können ein Überraschungsteam an dieser WM werden.»
Und den Grundstein dazu will er in Lugano legen.
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