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Meinung

Analyse zu Grossbritannien
Für Boris Johnson naht die Stunde der Wahrheit

Befindet sich in einer schlechten Verhandlungsposition: Der britische Premier Boris Johnson. 
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Boris Johnson ist einfach unverbesserlich. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie macht der Premierminister Versprechen, die er nicht halten kann. Im Sommer behauptete er, das Weihnachtsfest könne wie gewohnt stattfinden. Nun, nachdem er Familien im Südosten Englands verboten hat, sich an Heiligabend zu treffen, tut er so, als ob schon zu Ostern wieder alles gut sein werde. Man kann Johnson einen uneinsichtigen Optimisten nennen; man kann aber auch sagen, dass er mit seinem Drang, die Lage immer schöner darzustellen, als sie ist, seine Landsleute in einem Ausmass verunsichert, dass der Vertrauensverlust gegenüber der Regierung gewaltig ist.

Nein, Johnson kann nichts dafür, dass eine neue Corona-Mutation in Grossbritannien aufgetaucht ist. Aber er kann etwas dagegen tun, dass sich das Virus im ganzen Land ausbreitet. Neben den Impfungen wäre es das Gebot der Stunde, Treffen an Weihnachten nicht nur in London und weiten Teilen im Südosten zu untersagen, sondern im gesamten Land. Davor scheut sich Johnson aber, müsste er doch eine weitere Kehrtwende vollziehen, die einmal mehr sein Unvermögen offenbarte, besonnen und ernsthaft zu agieren.

Die Leute scheren sich nicht um die Vorschriften – wie auch die Regierung

Stattdessen lässt er zu, dass Menschen die Hauptstadt fluchtartig verlassen, um in überfüllten Zügen dorthin zu fahren, wo sie sich noch mit Verwandten an Heiligabend treffen dürfen. An Johnsons Aufforderung, zu Hause zu bleiben, halten sich viele schlichtweg nicht – auch deshalb nicht, weil die Regierung bewiesen hat, dass sie sich selbst nicht an die Vorschriften hält. Man erinnere sich nur an Johnsons ehemaligen Chefberater Dominic Cummings, der mitten im ersten Lockdown zu seiner Familie in Nordengland fuhr.

Bereits zu Beginn der Pandemie im Frühjahr hat der österreichische Skiort Ischgl gelehrt: Das Virus kennt keine Grenzen. Dass Grenzen aber helfen können, die Seuche in Schach zu halten, muss Johnson jetzt auf besonders schmerzhafte Art und Weise erfahren. Die Entscheidung von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, den Verkehr über den Ärmelkanal wegen der neuen Virusmutation weitgehend zu stoppen, hat den Premier kalt erwischt. Doch der Gütertransport auf der Strasse ist nicht das einzige Problem: Weltweit haben gut 40 Staaten Flugzeugen aus Grossbritannien das Landerecht versagt.

Premier Boris Johnson ist so erpressbar wie nie zuvor. Emmanuel Macron weiss das.

Über dem Vereinigten Königreich zieht ein perfekter Sturm auf – und mittendrin ist ein Premier, dessen Schwäche sich immer stärker zeigt. Besonders deutlich wird das jetzt, wenige Tage vor dem Brexit. In den Verhandlungen mit Brüssel befindet sich Johnson in einer äusserst schlechten Position. Seit Beginn der Gespräche war die EU dank ihrer Wirtschaftskraft am längeren Hebel. Doch jetzt, im Licht der Blockade am Ärmelkanal, ist der Premier so erpressbar wie nie zuvor. Macron weiss das. Es kommt jetzt darauf an, dass der französische Präsident die Krise am Kanal nicht eskalieren lässt. Immerhin: Zuletzt hat sich die Lage leicht entspannt. Autos und LKW aus Grossbritannien sind wieder nach Frankreich eingefahren.

Gelingt es nicht, in den Tagen bis zum 31. Dezember einen Vertrag über die künftigen Beziehungen mit der EU zu schliessen, kommt es zu Zöllen und Zollkontrollen. Wo sich jetzt 1000 LKW auf der Autobahn nach Dover stauen, dürften dann recht schnell bis zu 7000 Schlange stehen. So steht es zumindest in einem Worst-Case-Szenario der britischen Regierung. Johnson sollte jetzt endlich damit aufhören, wie noch am vergangenen Montag davon zu schwafeln, dass Grossbritannien auch im Fall eines No-Deal-Brexit «prächtig florieren» werde.