
10 Jahre Gefängnis für den Friedensnobelpreisträger 2022: Die am Freitag bekannt gewordene Haftstrafe des weissrussischen Regimes für Ales Bjaljazki schockiert – und war doch genauso zu erwarten gewesen. Denn das Regime von Diktator Lukaschenko gibt den Richtern ihre Urteile vor.
Als Menschenrechtsverteidiger stand Ales auf Lukaschenkos Feindesliste weit oben. Bereits im Frühjahr 1996 gründeten Ales und seine Mitstreiter das Menschenrechtszentrum Viasna, was auf Weissrussisch Frühling bedeutet. Schnell wurde Viasna zur grössten Menschenrechtsorganisation des Landes und schon 2003 vom obersten Gericht verboten. Doch Ales und seine Kollegen setzten ihre Arbeit trotz Verlust der staatlichen Registrierung unbeirrt fort.
Allen war stets klar, welches Risiko sie damit in einer Diktatur wie Belarus eingehen. Zu spüren bekam dies vor allem auch Ales selbst. Das Regime inhaftierte ihn im August 2011 im Zuge einer Repressionswelle nach den Präsidentschaftswahlen und schickte ihn ins Straflager. Er kam erst im Juni 2014 nach über 1000 Tagen Haft wieder frei.
Mit Ales sind in Belarus derzeit mehr als 1400 politische Gefangene inhaftiert.
Mehrmals konnte ich Ales nach seiner Freilassung wiedersehen, zuletzt im März 2021 in Genf. Damals waren die Massenproteste gegen die Fälschung der weissrussischen Präsidentschaftswahlen unter massivem Gewalteinsatz des Regimes seit einigen Monaten beendet. Die Gefängnisse waren bereits voller politischer Gefangener. Ales war damals trotz allem zuversichtlich. Nur vier Monate später, im Juli 2021, wurden auch er und einige Viasna-Kollegen verhaftet.
Mit Ales sind in Belarus derzeit mehr als 1400 politische Gefangene inhaftiert, mehr als 1400 Menschen, die aus ihrem Beruf, ihrem Studium, ihren Familien, ihrem Freundeskreis, ihrem Alltag, ihrem normalen Leben gerissen wurden.
Sie alle wachen Tag für Tag im Gefängnis auf und werden dort bar jeder Rechtsstaatlichkeit unter schlechten Haftbedingungen festgehalten. Täglich drohen Ales und allen anderen politischen Gefangenen weitere Schikanen, Misshandlungen, Folter oder Bestrafungen wie wochenlange Isolationshaft. Sie alle sind vollkommen schutzlos und schweben in Lebensgefahr.
Wir alle werden Zeuge dieses Menschheitsverbrechens. Was können wir also gegen die mehr als 1400-fache Geiselnahme unschuldiger Menschen durch das Lukaschenko-Regime tun?

Zuallererst sollten wir unsere Werte von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ernst nehmen und dies auch von Sportverbänden, Politik und Unternehmen einfordern. Konkret sollte die Uefa Belarus umgehend von der Fussball-EM 2024 ausschliessen. Seitens Aussenminister Ignazio Cassis wäre ein konsequentes Eintreten für die politischen Gefangenen in Belarus zu wünschen. Denn hier passiert entschieden zu wenig.
Cassis sollte die Anerkennung von zwei Schweizer Lukaschenko-Dienern als weissrussische Honorarkonsuln in der Schweiz zurücknehmen. Solange das Lukaschenko-Regime mehr als 1400 unschuldige Menschen als Geiseln festhält, sollte ausserdem der weissrussische Botschafter in der Schweiz ausgewiesen werden.
Das Staatssekretariat für Migration sollte auf Ausschaffungen nach Belarus vollständig verzichten. In Belarus produzierende Schweizer Unternehmen wie Stadler Rail sollten sich endlich vollständig aus dem Lande zurückziehen. Wir alle können den politischen Gefangenen in Belarus Briefe ins Gefängnis schreiben und uns gemeinsam für ihre Freilassung engagieren.
Lars Bünger ist Präsident der NGO Libereco – Partnership for Human Rights
Wie man politischen Gefangenen in Belarus Briefe ins Gefängnis schreibt: www.libereco.org
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Gastbeitrag zu Belarus – Friedensnobelpreisträger in Lebensgefahr
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