Freie Fahrt für wütende Gelbwesten
Französische Demonstranten machen Jagd auf Radarfallen, die sie als modernes Raubrittertum betrachten. 60 Prozent der Geräte wurden bereits demoliert.

Tausende waren in Frankreich wieder auf der Strasse am Wochenende. Längst nicht mehr so viele wie vor Weihnachten, schliesslich hat Emmanuel Macron Zugeständnisse gemacht und etwa die Ökosteuer auf Benzin zurückgenommen. Heute hat der Präsident zudem vorgeschlagen, dass die Bürger nun in einer «nationalen Debatte» ihre Kritik äussern und Reformvorschläge machen. Ein Thema wird dabei ohne Zweifel die Senkung der Tempolimiten sein, welche die Gelbwesten von Anfang an scharf kritisiert haben.
Bis zum Sommer galt auf Frankreichs Landstrassen ohne Mittellinie Tempo 90, seit dem 1. Juli ist es Tempo 80. Wer zu schnell fährt, dem droht eine Busse von mindestens 68 Euro. Betroffen von der Temporeduktion sind rund 400'000 Strassenkilometer. Auch gegen das Telefonieren im Auto geht Paris rigoros vor: Wer mit dem Handy am Steuer erwischt wird, muss über 100 Euro bezahlen. In Frankreich darf das Handy am Steuer nicht mal in der Hand gehalten werden, Telefonieren beim Fahren ist auch mit Headsets verboten.
Verbrannt, gesprengt, bemalt, verklebt
Die französische Regierung erklärt, dass mit der Temporeduktion bis zu 400 Menschenleben im Jahr gerettet werden könnten. «Wenn man unpopulär sein muss, um Leben zu retten, dann will ich das gerne sein», verteidigte Premierminister Edouard Philippe die Reform. Frankreich lag 2017 mit 53 Verkehrstoten pro Million Einwohner knapp über dem EU-Durchschnitt.
Video: Die Gelbwesten demonstrieren
Doch die Gründe für die Temporeduktion überzeugen die Franzosen nicht. Rund Dreiviertel sind gegen die Massnahme, die den Zorn der Gelbwesten erst richtig geweckt hat. Die Demonstranten haben deshalb Radarfallen, deren Zahl die Regierung zur Kontrolle der neuen Massnahmen ausbauen will, zu einem vornehmlichen Ziel gemacht. Gemäss offiziellen Angaben sind inzwischen landesweit rund 60 Prozent der Radarfallen unbrauchbar gemacht worden.
Seit Mitte November seien nahezu sechs von zehn Radaranlagen «funktionsunfähig gemacht, attackiert und zerstört» worden, klagt Innenminister Christophe Castaner. Die ungeliebten Kontrollgeräte wurden verbrannt, gesprengt, bemalt, verklebt, in Abfallsäcke gesteckt oder mit gelben Westen umwickelt. Im Département Côtes d'Armorin in der Bretagne wurden so fast 90 Prozent der Radarfallen ausgeschaltet. Wer einen Blitzer zerstört, dem drohen in Frankreich bis zu 75'000 Franken Busse und fünf Jahre Haft.
Viele Franzosen betrachten die Kontrollen der Temporeduktion als modernes Raubrittertum. Es gehe der Regierung nur darum, von den Bürgern noch mehr Geld abzupressen, kritisieren sie. Für Ärger hat auch gesorgt, dass ein Teil der Geschwindigkeitsüberwachung an externe Firmen vergeben werden soll. Die Regierung rechnete dank dem verschärften Tempolimit mit Einnahmen von insgesamt 1,2 Milliarden Euro für 2019. Vor zwei Jahren “verdiente” der Staat an den Bussen noch eine Milliarde Euro.
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