Vergütung von PsychotherapieFlucht zu einer anderen Krankenkasse ist mitten im Jahr möglich
Viele Patientinnen und Patienten haben seit Anfang Jahr ihren Psychotherapieplatz verloren, da ihre Versicherung nicht mehr bezahlt. Ein Ausweg bietet sich auf den 1. Juli an – allerdings nicht für alle.

Was die meisten nicht wissen: Wer mit seiner Krankenkasse unzufrieden ist, muss nicht bis Ende Jahr warten. Unter bestimmten Bedingungen ist auf Mitte Jahr ein Versicherungswechsel möglich. Dies könnte insbesondere für jene attraktiv sein, denen seit Anfang Jahr die Psychotherapie von ihrer Kasse nicht mehr bezahlt wird.
Für sie wäre ein Wechsel zu Helsana, Sanitas oder KPT die Rettung. Denn diese Kassen gehören dem Verband Curafutura an, der im Gegensatz zum Konkurrenzverband Santésuisse einen Tarifvertrag mit den Psychologinnen und Psychologen abgeschlossen hat. Gemäss diesem Vertrag werden auch die Therapien von Fachkräften in Weiterbildung vergütet. Die CSS, das vierte Curafutura-Mitglied, hat den Tarifvertrag nicht unterschrieben. Sie zahlt diese Therapien aber unter Vorbehalt.
«Wir empfehlen allen Betroffenen, zu überprüfen, ob für sie ein Kassenwechsel auf 1. Juli möglich ist.»
«Wir empfehlen allen Betroffenen, zu überprüfen, ob für sie ein Kassenwechsel auf 1. Juli möglich ist», sagt Cathy Maret, Sprecherin der Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP). Denn nur ein Teil der Versicherten kann unter dem Jahr wechseln. Es sind jene, die im Standardmodell mit ordentlicher Franchise versichert sind: Erwachsene mit Franchise 300 Franken/Kinder 0 Franken. Ansonsten gibt es aber keine Einschränkungen. Der Wechsel auf Mitte Jahr ist wie jener auf Anfang Jahr ohne Begründung möglich.
Mittlerweile sind drei Viertel der Erwachsenen im Hausarzt- oder einem anderen alternativen Versicherungsmodell angeschlossen, ein Viertel hat das Standardmodell. Wer auf Mitte Jahr wechseln darf, der kann auf Wunsch auch gleich in ein alternatives Versicherungsmodell wechseln.
Kassen werben nur für Wechsel auf Ende Jahr
Interessierte müssen ihre aktuelle Versicherung bis Ende März kündigen, damit der Wechsel auf 1. Juli klappt. Zuvor empfiehlt es sich, bei der neuen Kasse abzuklären, ob die Therapie bei Psychologen in Weiterbildung wirklich übernommen wird. Diese Abklärung drängt sich vor allem bei jenen Santésuisse-Kassen auf, die entgegen der Empfehlung ihres Verbandes die Therapie trotzdem bezahlen wollen. Der FSP hat eine Umfrage bei den Santésuisse-Kassen gemacht und deren Zahlungsbereitschaft auf seiner Website auflistet. Allerdings übernimmt der FSP dafür keine Gewähr, da die Situation jederzeit ändern kann.
Der Kassenwechsel mitten im Jahr wird kaum propagiert, die Krankenversicherer machen dafür keine Werbung. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass die Versicherten mit Standardmodell und Mindestfranchise nicht gross auf die Prämienhöhe schauten und die Kasse kaum je wechselten, sagt Felix Schneuwly, Krankenkassenexperte des Vergleichsdienstes Comparis.
Gutachten widerspricht Santésuisse
Der Streit um die Vergütung der Therapien von Psychologinnen und Psychologen, die sich in der klinischen Weiterbildung befinden, gärt seit Anfang Jahr. Bis Ende letzten Jahres wurden die Leistungen von Personen mit abgeschlossener Therapieausbildung und jenen in Weiterbildung immer von einem Arzt abgerechnet und von allen Kassen bezahlt. Santésuisse begründet die Zahlungsweigerung damit, dass es seit Anfang Jahr keine gesetzliche Grundlage mehr gebe, um die Therapieleistungen von Personen in Weiterbildung zu vergüten.
Psychologen und Psychologinnen mit anerkannter Therapieausbildung können seit Anfang 2023 hingegen selbstständig mit den Kassen abrechnen, sofern die Therapie ärztlich angeordnet wurde (Anordnungsmodell). Santésuisse stellt sich auf den Standpunkt, dass die Personen in Weiterbildung nicht unter diese gesetzliche Regelung fallen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) geht hingegen davon aus, dass die rechtliche Grundlage ausreichend ist, um Therapien bei Personen in Weiterbildung weiterhin zu vergüten.
Diese Haltung stützt auch ein neues Rechtsgutachten von Anwalt Gregori Werder und Professor Thomas Gächter. Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts seien ärztliche Leistungen schon immer an nicht ärztliche Hilfspersonen delegiert und den Krankenkassen in Rechnung gestellt worden. Andernfalls wäre gemäss Bundesgericht die ärztliche Praxistätigkeit kaum mehr möglich.
Bis Ende 2022 seien Leistungen von Personen in Weiterbildung immer von den Krankenversicherern vergütet worden. Es gebe keine Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber oder der Bundesrat davon abweichen wollte, so die Juristen. Ganz im Gegenteil hätten der Bundesrat und das BAG in letzter Zeit sogar explizit bestätigt, dass Leistungen von Personen in Weiterbildung Pflichtleistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung seien.
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