Fenchel statt Zwiebeln
Viele Ingredienzen, behauptet das Internet, kann man mit anderen ersetzen. Funktioniert es tatsächlich, statt Eiweiss das Einlegwasser von Kichererbsen zu verwenden?
Oops, es fehlen Limetten! Und sowohl der Coop vis-à-vis als auch die nahe Migros sind schon geschlossen … Dabei wäre es eine verlockende Idee gewesen, aus dem übrig gebliebenen Entrecôte einen Rindfleischsalat nach thailändischer Art zuzubereiten.
Die Lösung ist schnell gefunden: Statt Limetten- mische ich einfach Zitronensaft mit Rohrzucker und Fischsauce für das Dressing. Koriander und Schnittlauch als Garnitur habe ich ja glücklicherweise in meinem Garten. Das fertige Gericht, lauwarm mit Reis serviert, wirkt vielleicht eine Spur weniger subtil und exotisch als gewünscht – ein gelungenes Abendessen habe ich am Ende trotzdem vor mir.
Wer nicht von Konservendosen und Fertiggerichten allein lebt, dem passiert es regelmässig: Man möchte Kuchen backen, einen Eintopf zubereiten oder eine Sauce kochen – und dann fehlt da genau eine einzige Zutat, die essenziell scheint. Doch wie bei vielen anderen Bereichen auch (man denke an den Rotweinfleck auf dem Teppich) steht das Internet mit praktischen Ratschlägen zur Seite. Doch was taugen die im Netz empfohlenen Ersatzzutaten?
Ob man mit Apfelwein auch Fondue zubereiten kann? Vielleicht werde ichs nächsten Winter mal probieren.
Was auf jeden Fall funktioniert: Honig statt Zucker zu verwenden. Jeder hat seinen Tee schon mal mit dem Rohstoff aus Bienenfleissarbeit gesüsst oder damit ein Joghurt aufgepeppt. Viele Gourmetköche verwenden Honig gar lieber als Zucker, weil sie vom komplexeren Aroma angetan sind. Wobei die Herdkünstler betonen, dass man die Rezepte anpassen sollte.
Aus einem Kochblog stammt der überraschendere Tipp, für eine fleischlose Bolognese-Sauce das Hackfleisch durch rote Linsen zu ersetzen. Bis aufs Anbraten zu Beginn, so liest man, bleibe sich die Zubereitung in etwa gleich. Also: Schalotten in Olivenöl anschwitzen. Erst Linsen, dann sogleich Rotwein beifügen. Das Ganze reduzieren und zu guter Letzt Tomatensauce und ein, zwei Lorbeerblätter dazugeben. Die Sauce dann so lang wie möglich köcheln lassen.
Bei meinen Kindern fand die vermeintliche Fleischsauce wenig Anklang, auch wenn sie ziemlich echt ausgesehen hat. Die Sache sei zu trocken, sagten sie – und als ehrlicher Vater muss ich ihnen recht geben. Und anfügen, dass auch Herzhaftigkeit und Röstnoten auf der Strecke blieben. Eine solche «Bolognese» hat mit dem Original in etwa so viel zu tun wie ein Spinning-Bike-Training mit einer Velotour.
Bewusster Verzicht
Wohlgemerkt: Nicht immer ersetzt man eine Zutat, weil sie unvorhergesehen in den Vorräten fehlt; oft wird bewusst auf Ersatzprodukte zurückgegriffen. So sind viele Geniesser beispielsweise davon überzeugt, dass Zwiebeln, Knoblauch und Co. Blähungen verursachen. Doch was tun, wenn das Rezept fürs Poulet an Rahmsauce nach angedünsteten Schalotten als Basis verlangt? Man kann zu Fenchel greifen, wird oft behauptet. Und, ja, es funktioniert tatsächlich nicht schlecht – sieht man von einem leichten Anis-Goût im fertigen Gericht mal ab.
Doch Vorsicht, nicht immer ist diese an Lakritz erinnernde Geschmacksnote zu vernachlässigen: Als ich vor kurzem eine frische Sauce béarnaise montierte und dort versuchshalber die Schalotten mit Fenchel ersetzte und sie, wie rezeptiert, mit trockenem Weisswein, Essig und Estragonzweigen köcheln liess, blieb das Fenchelaroma in der Reduktion auch nach dem anschliessenden Einrühren von Eigelb und Butter über dem Wasserbad dermassen präsent, dass die Sauce fast besser zu Fisch gepasst hätte. Auf dem Tisch war allerdings ein Kalbskotelett.
Wie sieht es mit Wein aus? Kann man den ersetzen? Auch wenn der Alkohol zu grossen Teilen beim Kochen verdampft, wollen ja viele Abstinente – oder die Eltern kleiner Kinder – auf Nummer sicher gehen und anstelle von Wein lieber alkoholfreien Apfelwein verwenden. Das funktioniert überraschend gut: So habe ich vor kurzem eine Art Coq au vin zubereitet, wofür ich Apfelwein, Wasser, Lorbeer, Pfefferkörner, Salz und Pfeffer aufkochte. Diese Saucenbasis vermischte ich mit Vollrahm und gab ausgelöste Pouletschenkel hinein. Ich liess die Hühnchenteile bei offenem Deckel während einer Stunde im 140 Grad heissen Ofen schmoren – das Resultat war köstlich. Wein vermisste bei dieser Zubereitung niemand am Tisch, weil ja genügend Säure im alkoholfreien Most drin war. Ob man mit Apfelwein auch Fondue zubereiten kann? Vielleicht werde ichs nächsten Winter mal probieren. Vielleicht auch nicht.
Was auf jeden Fall funktioniert: Honig statt Zucker zu verwenden.
Das Internet quillt fast über von Tipps, wie man auf tierische Produkte verzichten kann. Offenbar wollen durchschnittliche Veganer zwar plus minus dasselbe essen wie unsereins, aber um Eier, Butter, tierische Fette und Fleisch machen sie einen grossen Bogen. Dass Agar-Agar (statt Gelatine aus Rindsknochen) als Geliermittel gute Dienste leistet, wenn man etwa einen Blumenkohl-Flan zubereiten will, das wissen versierte Köche seit der BSE-Krise alle. Dass man Eiweiss angeblich mit Kichererbsen-Wasser ersetzen kann, dies dürfte vielen jedoch neu sein. Es funktioniert, so zeigt der Selbstversuch, sogar bei Meringue-Schalen: Die Flüssigkeit in einer Dose Kichererbsen riecht zwar vor dem Kochen ein wenig streng, aber man kann sie problemlos steif schlagen. Und auch im Ofen verhält sie sich, gemischt mit Puderzucker, gleich wie das übliche Eiweiss. Noch ein «Abfallprodukt», das man künftig nicht wegzuwerfen braucht.
In keinem anderen Bereich findet der Hobbykoch mehr Tipps bezüglich Ersatzzutaten, als wenns ums Backen geht: Statt Backpulver könne man Mineralwasser verwenden. Oder Schnaps, weil der Alkohol sich in der Hitze des Ofens teilweise in Kohlensäure umwandelt. Statt Eier kann man Apfelmus, einen Spritzer Essig oder reife Bananen zugeben, so heisst es auf manchen Kochsites. Und statt Butter Margarine, was ja unsere Betty Bossi schon lange wusste – weil ihre Erfinderin Unilever ja die hauseigene Margarine promoten wollte. In praktisch allen BB-Rezepten werden beide Zutaten als ebenbürtig behandelt. (Bloss, so weiss man inzwischen, ist Butter meist gesünder.)
Der Betty-Bossi-Cake
Wenn wir grad beim Thema sind, zu guter Letzt die Feuertaufe: Was passiert, wenn man den berühmten Zitronencake von Betty Bossi, erfunden 1973, mit 200 Gramm Pflanzenöl (statt 250 Gramm Butter), mit 200 Gramm Honig (statt 250 Gramm Zucker) zubereitet? Und zusätzlich statt vier Eier 200 Gramm Apfelmus darunterrührt? Hinein kommen zudem die abgeriebene Schale von zwei Zitronen und 250 Gramm Mehl, wie gehabt. Das Backpulver wird mit Schnaps ersetzt. Ob der Kuchen gelingt?
Leider nicht. Zwar taugt der Cake so fast für Veganer (vom Honig mal abgesehen), aber statt luftig-leicht ist er kompakt wie Marzipan. Und geschmacklich hinterlässt das Apfelmus unangenehme Noten im Mund.
Was lernen wir daraus? Man kann durchaus mal eine Zutat ersetzen, wenn etwas zu Hause im Vorratsschrank fehlt. Aber grundsätzlich ist Ersatz – das Wort sagt es ja schon – Ersatz.