Faul ist das neue Clever
Wenig Ballbesitz, wenige Abschlüsse und eine tiefe Laufleistung führten zum Erfolg – das zeigt uns ein Blick in die Leistungsdaten der WM.

«Solange wir den Ball haben, schiesst der Gegner kein Tor.» Die Lehre vieler Fussballtrainer konnte an der WM nicht überzeugen. Sie wurde gar widerlegt. Weltmeister Frankreich hatte in vier der sieben Spiele weniger lang den Ball als der Gegner, ab dem Viertelfinal – also in den entscheidenden Spielen – immer.
Dass Ballbesitz noch kein Spiel entscheidet, ist nicht grundsätzlich neu. Beim denkwürdigen WM-Halbfinal zwischen Brasilien und Deutschland vor vier Jahren hatten die Brasilianer mehr Ballbesitz – und gingen trotzdem 1:7 unter. Der spätere Weltmeister Deutschland aber hatte nur in diesem einen Spiel den Ball weniger lang als der Gegner.
2010 dominierte Weltmeister Spanien ballbesitzmässig seinen Gegner gar in allen sieben Partien. Hat der Ballbesitz also an Wichtigkeit verloren? Zufall kann es nicht sein, dass in Russland in 16 Spielen der K.-o.-Phase neunmal das Team mit weniger Ballbesitz als Sieger vom Platz ging. Woran dies liegen könnte? Mindestens zum Teil an den Standards.
Mit ruhenden Bällen zum Erfolg
Die Twitter-Abteilung des deutschen Fernsehsenders ZDF beobachtete Englands Torerfolge mit einem Wortspiel: «Werden englische Tore nach ruhenden Bällen nun eigentlich zum Standard?» So in die Welt des Internets hinausgezwitschert nach dem Freistosstor von Kieran Trippier im Halbfinal gegen Kroatien. Nun ja, Harry Kane und seine Kollegen waren auffällig oft nach ebendiesen ruhenden Bällen erfolgreich. Neun von zwölf Toren erzielte England nach Standards.
Nach einem Eckball: Harry Maguire köpft England gegen Schweden in Front. (Video: SRF)
Die Three Lions sind demnach das Paradebeispiel für diese WM: 73 von 169 Toren des Turniers fielen direkt nach Freistössen, Eckbällen, Einwürfen – oder Penaltys. Das sind 43 Prozent aller Treffer, was einen Rekord seit der Datenerhebung im Jahr 1966 bedeutet.
Weniger ist mehr
«Wir müssen viel schiessen, dann geht sicher einer rein.» Die in den Kabinenansprachen der unteren Amateurligen gerne gebrauchte Weisheit wurde an der WM in Russland widerlegt. Es kommt nicht auf die Anzahl der Abschlüsse an, sondern auf deren Genauigkeit. Und genau diese Präzision machte Frankreich zum Champion.
Den höchsten Schnitt an Schüssen pro Spiel erreichte Titelverteidiger Deutschland. Sie schossen in ihren drei Vorrundenpartien durchschnittlich rund 23-mal – und fuhren anschliessend mit zwei Niederlagen im Gepäck nach Hause.
Seltenes Glück: Toni Kroos trifft gegen Schweden zum 2:1. In den anderen Partien blieb der Titelverteidiger torlos. (Video: SRF)
Der neue Weltmeister kam auf bescheidene 11,85 Abschlüsse pro Match. Sogar Marokko, Nigeria und Saudiarabien versuchten ihr Glück öfter. Auch die Schweiz schoss mit rund 14 Versuchen pro Spiel häufiger als Les Bleus.
Die Kräfte intelligent einsetzen
Auch das bei Trainern beliebte und bei Spielern gefürchtete Konditionstraining ist nicht mehr der Schlüssel zum Erfolg. Das zeigt ein Blick auf die Laufleistung der WM-Teams. Hier musste das Topteam ebenfalls nach der Vorrunde die Segel streichen. Die Serben liefen in den Partien gegen Costa Rica, die Schweiz und Brasilien rund 113 Kilometer pro 90 Minuten – mehr als jedes andere Team.
Der neue Weltmeister war da um einiges lauffauler. Sie kamen auf rund 12 Kilometer weniger pro Spiel. Mit Panama, Mexiko, Nigeria und Argentinien bewegten sich nur vier Teams weniger. Hier zeigt sich: Wer gut steht und clever verschiebt, muss nicht viele Kilometer abspulen, um erfolgreich zu sein. Die kroatischen Vizeweltmeister mit 107 Kilometern pro 90 Minuten rangieren, wie auch die Schweiz, im obersten Drittel der lauffreudigsten Equipen.
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