Sweet Home: DesigntrendEs wird poppig
Starke Einzelstücke und Neonfarben: Design flirtet derzeit heftig mit Pop Art.

Während der Pariser Designwoche machte sich ein wichtiger Trend bemerkbar, der in der Stadt, in der Mode und auch im Designbereich dominiert: die Freude am Pop. Da Trends in Zyklen kommen und gehen, wären diese Farben, Formen und die Fröhlichkeit, die sie ausstrahlen, auch ohne die Pandemie gekommen. Und doch versprühen die poppig leuchtenden Dinge nach dieser langen Zeit von Lockdowns und Restriktionen einen besonderen Optimismus.
Gibt es eigentlich die Bazooka-Kaugummis noch? An deren Süsse und an die grossen rosaroten Blasen, die wir als Kinder damit gemacht haben, erinnern mich diese riesengrossen, rosaroten Männchen, die das Kaufhaus Le Bon Marché zurzeit bewohnen. Die Aktion heisst denn auch «Mignonisme», also «Herzigkeit». Kreiert hat sie der französische Künstler Philippe Katrine. Neben dem fliegenden, grossen Mister Pink sitzen auch kleinere, runde, rosa Männchen auf den chicen Balustraden des trendigen Le Bon Marché. Auf der zweiten Etage kann man dann gleich noch eine Ausstellung des Künstlers sehen.

Mich liessen die rosa Bubblegum-Männchen an einen anderen Künstler denken, nämlich Keith Haring. Und siehe da, als ich am anderen Tag an den Galeries Lafayette vorbeispazierte, von der eines der Gebäude zu einem riesengrossen H&M geworden ist, war da tatsächlich Keith Haring im Schaufenster – in einer Kollaboration mit H+M.

Gleich gegenüber locken Smileys ins Kaufhaus Galeries Lafayette – in Neonfarben. Poppig, happy und mit einem Blick zurück in die späten 70er-Jahre, als futuristisch interpretierte Neonfarben von Modeschöpfern wie Thierry Mugler erstmals die Laufstege eroberten. Damals pilgerte man zu Fiorucci wie heute zu Uniqlo und Schwarz war noch nicht die Uniform der Fashioncrowd. Dieses Fashion-Schwarz verschwindet zusehends, denn wer wirklich modisch ist, kleidet sich schon seit einer Weile in grellen Farben und poppigen Mustern.

Pop ist eine Kunstform in der visuellen Kunst und in der Musik, wurde vom Wort «populär» abgeleitet und bedeutet auch Knall. Im Designbereich, der sich analog zur Mode immer stärker an die Kunst annähert, ist Pop sehr wichtig geworden. Ein Schlüsselerlebnis, das mir dies stark verdeutlichte, hatte ich vor drei Jahren an einem Anlass von Vitrat. Nora Felbaum befragte Virgil Abloh in einem Interview zur kleinen Kollektion, die er für Vitra kreierte. Danach wurden wir in den Shop geführt, in dem sich alle auf die orangen Backsteine von Virgil Abloh stürzten, die in linierter und nummerierter Edition für 150 Euro zum Verkauf standen. Ich verstand nicht wirklich, wieso man mit einem Backstein beschwert durch den Abend will und diesen auch noch auf sein Regal stellt. Aber meine Begleiterin lachte mich aus und meinte, dass diese Steine bereits morgen wahrscheinlich doppelt so viel Wert seien. In diesem Sinne werden immer mehr Dekoobjekte und Möbel zu solchen Pop-Art-Sammlerstücken.

Ein Pop-Artist der Designwelt ist der Schwede Gustaf Westman. In seinen Spiegel «Curvy Mirror» haben sich zuerst die Influencer und dann die Designwelt verliebt. Es folgten Tische, Sideboards, Raumteiler und allesamt wurden zu begehrten Stücken für Designbegeisterte. Erhältlich sind diese beim Designer direkt und in chicen Geschäften wie Liberty London oder Corso Como 10 in Milano.

Ausgewählte Möbelstücke vom holländischen Designer Dirk van der Kooij sind in so renommierten Museen ausgestellt wie dem Stedeljik, dem MoMA New York oder dem Design Museum London. Der Designer verliebte sich zum ersten Mal als Student in den 3-D-Druck. Er machte sich auf die Suche nach ehrlichen und funktionalen Materialien und Ornamenten. Ein Resultat dieses Prozesses ist der pummelige Stuhl «Chubby».

Eines der ausserordentlichen Designstücke von Dirk van de Kooij hat das Londoner Interior Design Studio 2LG für eines ihrer spannenden und poppigen Einrichtungsprojekte eingesetzt. 2LG steht für das Kreativduo Jordan Cluroe und Russell Whiteheadt. Sie richten Wohnungen, Häuser und Geschäftsräume ein und machen auch Designberatung und Styling.

Ein anderer junger Designer, der neue Pop Art kreiert, ist Diego Faivre, den ich Ihnen als eines der Highlights aus der Design Miami Basel vorgestellt habe. Er produziert genau solche Sammlerstücke. Die von Diego kreierten Stühle, Tische und anderen Objekte sehen aus, als seien sie einem Cartoon entsprungen. Sie sind poppig, charmant und voller Lebensfreude und Poesie.

Zum neuen Pop Design gehört die Nachhaltigkeit und diese wiederum gehört bei der dänisch-italienischen Designfirma Older neben Innovation und Funktionalität zu den drei wichtigen Pfeilern, auf denen ihre Designphilosophie basiert. Older wurde von Letizia Caramia und Morten Thuesen gegründet. Die beiden lernten sich bei Alexander Queen in London kennen, wo beide arbeiteten. Heute stehen auf Ihrer Kundenliste so renommierte und glamouröse Namen wie das Chateau Marmont, Palais de Tokyo oder Galeries Lafayette. Vertreten werden sie über die Galerie Nilufar in Mailand.
Hier sind der Servierwagen «Carolina» und der Hocker Scarpette in der Nilufar-Galerie abgebildet. Beide Designermöbel haben die beiden während der Weihnachtsferien 2020 entwickelt. Damals war in Italien eine pandemiebedingte Sperrzeit. Da Lockdown-Isolation eine einsame Angelegenheit ist, entstand die Idee, eine kleine Gruppe von Freunden zu gründen, die Gesellschaft und Wärme schaffen würden, ein bisschen wie Geppetto und Pinocchio. Zu den hellen und verspielten Farben inspirierten imaginäre Flaggen, die sich das Duo als Reisemöglichkeit während des Lockdowns vorstellte. Der Servierwagen dient dazu, um das Frühstück, Mittag- oder Abendesse zu Hause zu transportieren. Ist der Wagen nicht in Gebrauch, wird er zum Maskottchen des Hauses – zu einem Freund in der Einsamkeit.

So kann es aussehen, wenn man beim Einrichten auf poppiges Design setzt. Gemischt mit Neutralem wirken auffällige Stücke erstaunlich elegant.

Zum Schluss noch ein ganz besonderes Fundstück. Diese Bettwäsche von der schwedischen Firma Manigberg ist tatsächlich silbern und erst noch aus Jersey. Sie ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass Pop Art und der neue Luxus auch im Bett gekonnt zusammenfinden.
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