Interview über Corona-Massnahmen«Ein allgemeines Impfobligatorium lässt sich nicht rechtfertigen»
Nur noch mit Corona-Pass auf Reisen? Die Präsidentin der Nationalen Ethikkommission, Andrea Büchler, warnt davor, Ungeimpfte zu stigmatisieren.

Andrea Büchler, angenommen, es wäre keine Pandemie: An welcher Veranstaltung könnte man Sie antreffen?
Man würde mich an kulturellen Veranstaltungen treffen, ich würde Lesungen halten, mit meiner Tochter Schlittschuhlaufen, mich mit Freundinnen in Restaurants treffen und vor allem: reisen.
Gut, gehen wir zuerst von einem staatlichen Betrieb aus.
Der Staat ist Adressat der Grundrechte. Er ist dem Rechtsgleichheitsgebot verpflichtet. Wenn er Folgen an einen Impfnachweis knüpft, braucht es dafür gute Gründe, und die Ungleichbehandlung müsste verhältnismässig sein. Dasselbe gilt auch in einigen Bereichen, wo private Anbieter Dienstleistungen der Grundversorgung anbieten und eine Pflicht zum Vertragsabschluss haben, etwa im öffentlichen Verkehr. Gleichzeitig sind viele Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie, die heute gelten, Eingriffe in unsere persönliche Freiheit. Und diese müssen zurückgenommen werden, sobald sie zum Schutz der öffentlichen Gesundheit nicht mehr nötig sind. Das Wort «Impfprivilegien», das in diesem Zusammenhang oft auftaucht, ist deshalb verfehlt.