«Es kann jederzeit zu einem terroristischen Ereignis kommen»
Der deutsche Verfassungsschutz hat 2017 weiteren Zulauf zu Salafisten und Reichsbürgern registriert. Die Zahl der Gefährder ist mit 774 so hoch wie noch nie.
Die Sicherheit in Deutschland ist nach Einschätzung des Verfassungsschutzes nach wie vor von den verschiedensten Extremistengruppen bedroht: Der am Dienstag vorgestellte Jahresbericht für 2017 weist ein Plus bei den Salafisten ebenso aus wie bei den Reichsbürgern und linken Gewalttaten. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte, die Zahl der islamistischen Gefährder sei mit 774 so hoch wie nie. Ihnen würden schwere Straftaten zugetraut.
Die Gefährder würden «sobald möglich» strafrechtlich verfolgt, sagte Seehofer. Ausserdem sei die konsequente Abschiebung von Gefährdern ein «elementarer Baustein für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit in Deutschland». Es bestehe weiterhin eine hohe Anschlagsgefahr, heisst es im Verfassungsschutzbericht. Deutschland stehe im Fokus des islamistischen Terrorismus. «Auch zukünftig kann es in Deutschland jederzeit zu einem terroristischen Ereignis kommen.»
«Symboldebatten»
Die Salafistenszene wuchs dem Bericht zufolge zwischen 2016 und 2017 von 9700 auf 10'800 Angehörige. 2012 waren es noch 4500 gewesen. Im vergangenen Jahr gab es mit der Messerattacke in einem Hamburger Supermarkt in Deutschland einen islamistischen Anschlag. 2016 hatte es noch sechs Anschläge gegeben.
Die Grünen warfen der Bundesregierung vor, keine langfristigen Strategien zur Prävention von islamistischen Anschlägen zu entwickeln. «Stattdessen hat sie sich in Symboldebatten um Fussfesseln und Burka-Verboten verloren und unsere Bürgerrechte weiter geschliffen», erklärten Fraktionsvize Konstantin von Notz und Innenexpertin Irene Mihalic.
Hohe Bereitschaft zu Waffengebrauch
Die in Kleingruppen zersplitterte Reichsbürgerszene, die die Bundesrepublik und ihre Institutionen nicht anerkennt, ist stark angewachsen. Waren es 2016 noch 10'000 Anhänger, sind es derzeit bereits 18'000, wie Seehofer mitteilte. Im Verfassungsschutzbericht wird für 2017 die Zahl der sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter noch mit 16'500 angegeben.
Die Steigerung ist nach Angaben von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maassen aber auch auf das höhere Informationsaufkommen über die Szene zurückzuführen, der er eine hohe Affinität zu Waffen bescheinigte. Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) verwies darauf, dass bei den Reichsbürgern mit einer hohen Bereitschaft zu rechnen sei, von ihren Waffen «im Konfliktfall auch Gebrauch zu machen».
Phänomen soll wissenschaftlich untersucht werden
Beim Rechtsextremismus weist der Jahresbericht des Kölner Bundesamtes einen leichten Anstieg der Anhängerzahl auf 24'000 aus. Deutlich verstärkt hat sich nach den Erkenntnissen der Verfassungsschützer der Zulauf zu rechten Musikveranstaltungen: Hier wurden 2017 vierstellige Besucherzahlen registriert.
Kopfzerbrechen bereitet den Behörden die wachsende Zahl von Rechtsextremisten, die sich ungewöhnlich schnell radikalisieren. Dieses Phänomen will das Bundesinnenministerium jetzt wissenschaftlich untersuchen lassen, wie Seehofer ankündigte.
37 Prozent mehr linke Gewalttaten
Die linksextremistische Szene wächst zwar ebenfalls nur langsam: Registrierten die Behörden 2016 noch 28'500 Anhänger, waren es im vergangenen Jahr 29'500. 2017 wurden aber mit insgesamt 1648 Gewalttaten rund 37 Prozent mehr als im Vorjahr registriert.
Das Plus lässt sich massgeblich auf den G-20-Gipfel in Hamburg zurückführen, bei dem es zu schweren Ausschreitungen gekommen war: 1023 der insgesamt 1648 Gewalttaten weisen einen G20-Bezug auf.
Weitere Herausforderung für die Verfassungsschützer sind Cyberattacken: Allein auf das Regierungsnetzwerk seien 2017 monatlich 52'000 Angriffsmails registriert worden, berichtete Maassen. Von besonderem Interesse seien die Attacken ausländischer Geheimdienste.
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