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Verwirrende Tipps des Bundes
Gesund, aber bedroht: Wie viel Fisch soll ich wirklich essen?

Drei Makrelen auf einem runden Tablett auf einem verwitterten Holztisch.
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In Kürze:
  • Die aktuellen Ernährungsempfehlungen berücksichtigen Gesundheit und Umwelt, was beim Fisch widersprüchlich ist.
  • In der Schweiz werden überwiegend Raubfische wie Lachs und Thunfisch konsumiert, die weniger nachhaltig sind.
  • Vor allem fettreiche Fische liefern wertvolle Omega-3-Fettsäuren. Pflanzenöle und Baumnüsse sind Alternativen, haben aber andere Omega-3-Fettsäuren.

Seit wenigen Monaten gelten in der Schweiz neue Ernährungsempfehlungen, die der Bund zusammen mit der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (SGE) ausgearbeitet hat. Sie sollen erstmals Gesundheit und Nachhaltigkeit in Einklang bringen.

Bei einigen Empfehlungen ist das einfach: Weniger Fleisch und Wurstwaren zu essen, als wir es bisher tun, ist gesund und schont zudem die Umwelt. Bei anderen Lebensmittel-Empfehlungen ist es nicht so eindeutig. Einen «Zielkonflikt» habe es etwa bei der Empfehlung für den Fischkonsum gegeben, sagt Urs Stalder, Leiter des Fachbereichs Ernährung beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Der Ernährungsexperte war an der Entwicklung der neuen Ernährungsempfehlungen beteiligt.

Tatsächlich sind die Anforderungen an den Fischkonsum, was Gesundheit und Umweltschutz betrifft, widersprüchlich. Die Umweltschutzorganisation WWF Schweiz war beratend an den Ernährungsempfehlungen beteiligt und hält zunächst einmal fest, dass generell der Fischkonsum zu reduzieren sei: «Geniessen Sie Fisch als nicht alltägliche Delikatesse», heisst es im Fischratgeber des WWF. Urs Stalder sagt: «Wir sind mit der jetzigen Lösung transparent.» Das heisst: «Aus gesundheitlicher Sicht ist nach wie vor ein- bis zweimal pro Woche Fisch empfehlenswert.» Dabei geht es um Wochenportionen von 100 bis 240 Gramm.

Nicht gekennzeichnete Fische vielleicht illegal gefangen

«Aus nachhaltiger Sicht sollten wir hingegen möglichst wenig Fisch essen», sagt Stalder. «Und wenn, dann nur Fisch aus zertifiziertem Fang oder zertifizierter Zucht.» Der WWF empfiehlt, bei Zuchtfischen auf eine Bio- oder ASC-Kennzeichnung (Aquaculture Stewardship Council) zu achten. «Die Bio-Kennzeichnung hat dabei strengere Auflagen für eine naturnahe Fischzucht», sagt Catherine Vogler, Meeresschutzexpertin beim WWF Schweiz. Bei Wildfängen sei die MSC-Kennzeichnung (Marine Stewardship Council) das «strengste Wildfisch-Zertifikat am Markt», sagt Vogler, auch wenn es in manchen Fällen berechtigt in der Kritik stehe. Weltweit seien 38 Prozent der Fischbestände überfischt und gemäss aktuellen Schätzungen werde ein Fünftel des weltweiten Fangs illegal gefischt, so Vogler. Demnach könnten die Fische in unseren Kühlregalen, die keine Kennzeichnung haben, laut WWF «aus legalem und illegalem Raubbau am Meer» stammen.

Ein wichtiges Anliegen des WWF ist, dass die Konsumentinnen und Konsumenten weniger Raubfische essen. «Raubfische stehen an der Spitze der Nahrungskette und ernähren sich von anderen Fischen», sagt Vogler. Dazu gehören so beliebte Arten wie Thunfisch, Lachs, Kabeljau – aber auch Forellen. Von den 33’831 Tonnen Fisch und Meeresfrüchten, die 2023 im Schweizer Detailhandel verkauft wurden, waren 57 Prozent Raubfische, darunter Lachs (22 Prozent) und Thunfisch (21 Prozent), wie der WWF in einem Bericht schreibt.

«Aber selbst Aquakulturen entlasten nicht die Weltmeere – auch nicht, wenn sich die Zucht in der Schweiz befindet», sagt Vogler. «Um ein Kilo Forellen herzustellen, werden Fischmehl und Fischöl aus drei Kilo Wildfischen verfüttert», rechnet sie vor. Und selbst wenn vermehrt pflanzliche Futtermittel eingesetzt werden, braucht es zum Beispiel für die Gewinnung von 100 Gramm Lachs immer noch 175 Gramm Wildfisch (wie Sardinen) und 95 Gramm Soja. «Das verstärkt die Überfischung», sagt die WWF-Expertin. Wer also direkt Sardinen und Soja verzehrt, kann die Umweltbelastung reduzieren.

Solange wir hauptsächlich Raubfische essen, ist ein nachhaltiger Fischkonsum kaum möglich. Dabei ist Fisch als gesundes Lebensmittel empfohlen, weil er «einen hohen Gehalt an Proteinen mit hoher Qualität liefert», hält ein wissenschaftlicher Bericht fest, der die aktuellen Ernährungsempfehlungen erläutert. Zudem haben fetthaltige Fische einen hohen Gehalt an Omega-3-Fettsäuren. Zwar wird auch darauf hingewiesen, dass einige Arten von Salzwasserfischen und Meeresfrüchten zu einer höheren Aufnahme von Quecksilber und anderen Schwermetallen führen können. Generell gilt aber, dass der regelmässige Verzehr von Fisch das Risiko mindert, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben. Angenommen wird, dass die Omega-3-Fettsäuren, wenn sie regelmässig aufgenommen werden, vor Arteriosklerose, Herzinfarkt und Hirnschlag schützen, weil sie Blutfettwerte positiv beeinflussen, und zudem sind sie wichtig für das Nervensystem und das Gehirn.

Mehr Nährstoffe in den Futterfischen

Urs Stalder vom BLV empfiehlt den Konsumentinnen und Konsumenten, zu «variieren und auch mal weniger bekannte Fischarten zu essen». Grosse Mengen an Omega-3-Fettsäuren kommen nämlich nicht nur in Raubfischen vor. Im Gegenteil: So haben britische Forschende letztes Jahr die Nährstoffe, darunter Omega-3-Fettsäuren, von Lachsen aus norwegischen Zuchtfarmen untersucht und mit den Nährstoffen der Futterfische verglichen. Das überraschende Ergebnis: Der Gehalt von sechs der neun untersuchten Nährstoffe war in den Futterfischen höher. Bei den Omega-3-Fettsäuren zeigte sich, dass die bei der Zucht verfütterten Wildfische – unter anderem Sardellen, Makrelen, Heringe – eineinhalbmal so viel Omega-3-Fettsäuren enthielten wie die Zuchtlachse, die sie gefressen hatten.

Statt der Raubfische seien also auch Heringe oder Makrelen gute Quellen für die Omega-3-Fettsäuren EPA (Eicosapentaensäure) und DHA (Docosahexaensäure), sagt Urs Stalder vom BLV. Die Frage ist, ob wir auch aus anderen Quellen zu diesen als besonders gesund geltenden Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA kommen können. «Wer wenig Fisch isst oder essen möchte, sollte vermehrt pflanzliche Quellen mit Omega-3-Fettsäuren zu sich nehmen, zum Beispiel Leinöl, Rapsöl oder Baumnüsse verzehren», sagt der Ernährungsexperte. 

Esther Jost, Leiterin der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (SGE), betont jedoch, dass diese pflanzlichen Quellen nicht die wertvollen Omega-3-Fettsäuren EPA oder DHA enthalten, sondern eine Vorstufe davon, die Alpha-Linolensäure. «Über Öle und Nüsse kann nur ein Teil des Bedarfs gedeckt werden, denn im Körper muss die Alpha-Linolensäure erst in EPA und DHA umgewandelt werden.» Die Umwandlungsrate liege aber bei nur wenigen Prozent.

Und was sollen wir nun essen? Das Fazit von Esther Jost: «Ideal für die eigene Gesundheit und für die Umwelt ist ein massvoller Fischkonsum (möglichst keine Raubfische, möglichst Fische aus nachhaltiger Fischerei), kombiniert mit täglich hochwertigen Pflanzenölen wie Rapsöl und einer Handvoll Nüssen – vor allem Baumnüsse. Sie sind besonders reich an Omega-3-Fettsäuren.»

Live-Event: «Müssen wir nun alle Vegetarier werden?» Am 10. Februar lädt der «Tages-Anzeiger» zu einer Podiumsdiskussion über die neuen Ernährungsempfehlungen ins Kaufleuten in Zürich ein. Moderiert wird der Anlass von Anke Fossgreen, Ressortleiterin Wissen. Eintrittskarten können Sie hier kaufen.