Start-up FeeyEr brachte die Zimmerpflanze in den Onlineverkauf
Zwei Jahre nach der Gründung zieht das Ostschweizer Unternehmen das Interesse diverser Investoren auf sich. Der Onlinedienst erleichtert die Suche nach der passenden Pflanze – und expandiert nun nach Deutschland.

Für viele Unternehmen war Corona ein Schock, manche Firmen haben aber gerade in dieser Zeit Fahrt aufgenommen: Der Onlinezimmerpflanzenshop Feey zum Beispiel blickt auf eine beeindruckende Wachstumsphase zurück.
Vor gut zwei Jahren war das Ganze noch mehr ein Liebhaberprojekt als eine seriöse Firma. Das vierköpfige Gründungsteam hatte zu Testzwecken einen Onlineshop eröffnet. Wenn jemand dort eine Pflanze bestellte, kauften sie morgens um 5 Uhr die Ware ein, dann gingen die vier ihren Angestelltentätigkeiten nach; abends wurden die eingetroffenen Pflanzen in der Küche von Mitgründer Sven Jakelj umgetopft und für den Versand verpackt.
Umsatz in Millionenhöhe erreicht
Inzwischen ist das Geschäft so stark gewachsen, dass es längst nicht mehr aus einer Wohnung heraus betrieben werden kann. Elf Angestellte arbeiten derzeit bei Feey in Flawil, vier weitere werden dazukommen. Der Umsatz bewegt sich im dritten Betriebsjahr schon im mittleren einstelligen Millionenbereich.
Und der Auftritt in der TV-Sendung «Höhle der Löwen» verlief viel besser als in den kühnsten Träumen. «Wir hofften, mit einem Investor in Kontakt zu kommen, der uns bezüglich Logistik und erster Finanzierungsrunde weiterhelfen könnte», sagt Firmenchef Jakelj. Stattdessen reagierten die Juroren der Sendung derart positiv auf das Ostschweizer Start-up, dass das Feey-Team mehr als zehnmal so viel Geld aufnehmen konnte wie erhofft.
Sven Jakelj muss selber schmunzeln, wenn er die Erfolgsgeschichte erzählt. Doch Jakelj, der einen Bachelor in Geografie und einen Master in Wirtschaftswissenschaften erworben hat, hat realisiert, dass die lange Zeit sehr konservative Grüne Branche sich gerade rasant verändert. «In den USA hatten zwei Start-ups, die online Pflanzen verkauften, total fast 10 Millionen Dollar aufgenommen – das hat uns neugierig gemacht», sagt Jakelj.
Auch auf Social Media und bei den Google Trends waren Pflanzen auffallend populär. Eine kleine Umfrage im Bekanntenkreis bestätigte diesen Eindruck. «Pflanzen sind toll, nur sterben sie leider immer viel zu rasch» – diese Antwort bekam Jakelj immer wieder.
Der Pflanzenfinder hilft bei der Auswahl
Ein Glück, dass sein Bruder Janko Jakelj, gelernter Landschaftsgärtner mit Meisterprüfung, mit der Materie vertraut war und wusste: Wenn man die haarsträubendsten Fehler vermeidet, haben auch Zimmerpflanzen eine lange Lebensdauer. «Das Problem ist, dass Pflanzen oft beim Grossverteiler ab Stange verkauft werden, als wären sie tote Materie und kein Lebewesen», sagt Sven Jakelj.
Deshalb ging Feey von Anfang an neue Wege: Jede Pflanze – 80 Prozent davon stammen aus Holland – wird vor dem Verkauf umgetopft, auf Schädlinge überprüft und in einen passenden Aussentopf gesetzt. Die Kundschaft wird auf der Website durch ein spezielles Programm darin unterstützt, die passende Pflanze zu finden: Hat jemand viel Erfahrung, viel Zeit und helle Räume? Oder sprechen die Umstände eher für eine Pflanze, die auch ohne Licht und tägliches Giessen gedeiht?
«Durch die Digitalisierung gibt es so viele neue Möglichkeiten, die in unserer Branche noch kaum ausgeschöpft werden.»
Der Pflanzenfinder registriert die Ausgangslage und erleichtert die Auswahl. Wenn danach trotz sorgfältiger Auswahl und Instruktion Probleme auftreten, hilft der Pflanzendoktor weiter. Wer sein Problem mit einer bestimmten Pflanze online beschreibt, erhält individuelle Hilfe vom Profi, teilweise unterstützt durch Erklärvideos.
Weiter bietet Feey auch Zimmerpflanzenkurse per Mail und eine Tauschbörse als App an und schliesslich auch die Möglichkeit, in einer 3-D-Simulation Pflanzen versuchsweise in den eigenen Räumlichkeiten zu platzieren. «Durch die Digitalisierung gibt es so viele neue Möglichkeiten, die in unserer Branche noch kaum ausgeschöpft werden», sagt Sven Jakelj.
Preise ab 49 Franken
Natürlich hat das Rundumpaket seinen Preis. Die meisten Zimmerpflanzen kosteten zwischen 49 und 99 Franken, sagt der Unternehmer, grössere oder sehr seltene Exemplare bis zu 250 Franken. Das sei deutlich mehr als im Grosshandel, aber gemessen an der persönlichen Beratung auch nach dem Verkauf und am emotionalen Gewinn durch schönere Wohnungen nicht teuer, findet Jakelj.
Die Kundschaft, die durch Lockdown- und Homeoffice-Regeln viel mehr Zeit in den eigenen vier Wänden verbringt, sieht das offenbar ähnlich. Während des ersten Lockdown explodierte das Bestellvolumen, sodass das Gründerteam mittlerweile ganz auf das eigene Start-up setzt.
Jakelj, der in dieser Zeit zweimal Vater geworden ist, arbeitete in der Anfangsphase von früh bis spät, ohne sich einen Lohn auszuzahlen; nun bezieht der 32-Jährige seit Anfang Jahr einen Lohn, der ein Viertel dessen beträgt, was er anderswo verdienen könnte. Er möchte es nicht anders, sagt der Gründer und verweist darauf, dass er sich seit dem Start des unternehmerischen Abenteuers noch an keinem Montagmorgen habe überwinden müssen, zur Arbeit zu gehen.
Expansion nach Deutschland geplant
Nun steht der Eintritt in den deutschen Markt bevor. Die Zeit eilt insofern, als in den letzten zwei Jahren mehrere Mitbewerber ein ähnliches Business im deutschsprachigen Raum lanciert haben. Jakelj und sein Team versuchen, die Kundschaft mit E-Mail-Kursen und Blogbeiträgen abzuholen; seit letztem Jahr beschäftigt das Start-up sogar Vollzeit eine Mitarbeiterin, die Tiktok-Videos produziert.
Und dank dem Support der neuen Investoren aus dem Kreis der «Höhle der Löwen»-Jury sieht Jakelj den kommenden Herausforderungen relativ gelassen entgegen. «Als Start-up-CEO bewegt man sich immer am Rand der Überforderung und muss täglich Dinge entscheiden, von denen man viel zu wenig weiss», sagt der Feey-Chef. Umso wertvoller sei es, erfahrene Persönlichkeiten mit dem Leistungsausweis eines Roland Brack an Bord zu haben.
Mathias Morgenthaler war Wirtschaftsredaktor bei Tamedia und ist heute als Autor, Coach und Referent tätig. Er ist Autor der Bestseller «Aussteigen – Umsteigen» und «Out of the Box» und Betreiber des Portals www.beruf-berufung.ch
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