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Abtreibungsrecht in Argentinien
Eine kleine Revolution für Südamerikas Frauen

Grün ist die Farbe der demonstrierenden Frauen: Eine Befürworterin des neuen Abtreibungsrechts demonstriert vor dem Parlament in Buenos Aires, 
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Am Ende war es früher Morgen, als die Entscheidung fiel. Fast 20 Stunden hatten die Abgeordneten im argentinischen Parlament da schon debattiert und gestritten. Es ging um die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, Schreie hatte es gegeben, Anschuldigungen, sogar Drohungen. Kurz vor acht Uhr morgens dann der Durchbruch: 131 Abgeordnete stimmten für den Gesetzesentwurf, 117 dagegen. Draussen vor dem Kongressgebäude brach Jubel aus.

Schon am Vortag hatten sich hier Tausende Befürworter versammelt, meist junge Frauen. Manche hatten sich die Gesichter mit grünem Glitzer geschminkt und um Hals, Arm oder Rucksackträger ein grünes Halstuch gebunden. Längst ist es zu einem Symbol geworden, nicht nur für das Recht auf Abtreibung, sondern auch für den Kampf um Gleichberechtigung und gegen Gewalt gegen Frauen.

Die grüne Welle erfasst die ganze Region

Von einer marea verde ist darum die Rede, einer grünen Welle, die auch andere Länder der Region erfasst hat. Überall in Lateinamerika tragen junge Frauen heute das grüne Halstuch, in Mexiko-Stadt genauso wie in Medellín, in Bogotá ebenso wie natürlich in Buenos Aires. «Que sea ley», stand dort am Donnerstag auf Fahnen und Transparenten: Wir brauchen ein Gesetz.

Schon in der Vergangenheit hatte es in Argentinien immer wieder Versuche gegeben, das bislang strenge Abtreibungsverbot zu reformieren. 2018 scheiterte der letzte Anlauf am damals konservativ dominierten Senat. Nun aber stammt der Vorschlag vom linksperonistischen Präsidenten Alberto Fernández, der damit ein Wahlkampfversprechen einlöst.

Bei Gläubigen stösst das neue Gesetz auf Ablehnung: Eine junge Frau betet in Buenos Aires gegen die Liberalisierung der Abtreibung.

Noch immer ist Lateinamerika in weiten Teilen katholisch geprägt. Von Ausnahmen wie Kuba oder Uruguay abgesehen, gilt in den meisten Ländern ein strenges Abtreibungsrecht. In El Salvador, Honduras und Nicaragua sind Schwangerschaftsabbrüche sogar ausnahmslos verboten.

Auch in Argentinien darf ein Eingriff bislang nur straffrei vorgenommen werden, wenn eine Vergewaltigung vorliegt oder das Leben der Mutter in Gefahr ist. Immer wieder müssen Frauen für Jahre ins Gefängnis, weil Ärzte ihnen nicht glauben, dass ihre Schwangerschaftsabbrüche auf natürliche Ursachen zurückzuführen sind. Nach verpfuschten illegalen Abtreibungen kommen Zehntausende Argentinierinnen jedes Jahr in öffentliche Spitäler, manchmal aber ist jede Hilfe zu spät, 65 Frauen starben allein zwischen 2016 und 2018 bei solchen Eingriffen.

Gläubige beten auf den Knien vor einem grossen Kreuz und einem Karton-Fötus.

Der neue Gesetzesentwurf sieht vor, dass Schwangere in den ersten 14 Wochen legal abtreiben dürfen, sicher und kostenlos in öffentlichen Kliniken. Eine solche Reform, noch dazu in der Heimat des Papstes, könnte ein Signal sein für die ganze Region. Auch in Brasilien, Kolumbien oder Chile gibt es längst starke feministische Bewegungen, die nicht nur gegen Gewalt gegen Frauen auf die Strasse gehen, sondern auch für ein Recht auf Abtreibung.

Zweite Abstimmung noch dieses Jahr

Gleichzeitig weiss aber auch die andere Seite, was auf dem Spiel steht. Und so haben sich am Tag der Abstimmung nicht nur die Befürworter einer Gesetzesreform vor dem argentinischen Kongress versammelt, sondern auch deren Gegner. Statt grüner Halstücher gab es hier hellblaue, dazu noch Rosenkränze und eine Freiluftmesse, bei der Gläubige auf Knien vor einem grossen Kreuz und einem Karton-Fötus beteten.

Der Gesetzesentwurf muss nun im Senat verhandelt werden. Anders als beim letzten Vorstoss vor zwei Jahren hat hier aber nun die linksperonistische Partei die Mehrheit. Ihre Mitglieder sind zumeist für eine Reform des Abtreibungsrechts. Noch vor Jahresende sollen sie über den Gesetzesentwurf entscheiden.