Ein Mord, der ganz Polen erschüttert
Politiker aller Lager sind entsetzt über das Messerattentat auf den Danziger Bürgermeister. Die Tat erinnert an dunkle Zeiten der polnischen Geschichte.

Die Ermordung des Danziger Oberbürgermeister Pawel Adamowicz hat Polen erschüttert und eine Debatte über zunehmende Aggression in der Politik ausgelöst. Adamowicz, der Danzig seit 1998 als Oberbürgermeister führte, wurde am Sonntagabend bei einer Benefizveranstaltung von einem möglicherweise psychisch gestörten Mann mit einem Militärmesser niedergestochen und schwer an Herz, Leber, Milz und Nieren verletzt. Nach einer fünfstündigen Operation rang ein Ärzteteam im Danziger Universitätskrankenhaus vergeblich um sein Leben. Adamowicz starb am Montag mit 53 Jahren.
Der mutmassliche Mörder ist der 27 Jahre alte Danziger Stefan W. Polens Justizminister Zbigniew Ziobro bestätigte, dass W. in Danzig wegen vierfachen Bankraubes zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt und erst kürzlich freigelassen wurde. Der Zeitung Gazeta Wyborcza zufolge soll W. bereits als Vierzehnjähriger in einer psychiatrischen Klinik gewesen und während seiner Haft wegen psychischer Probleme zeitweise von anderen Häftlingen isoliert worden sein. W. wird von Psychologen auf seine Zurechnungsfähigkeit untersucht.
Nach den Messerstichen auf Adamowicz rief W. schockierten Zusehern zu, er habe sich dafür gerächt, dass er unschuldig im Gefängnis gesessen habe und von der Bürgerplattform – Polens führender Oppositionspartei und lange politische Heimat Adamowiczs – gefoltert worden sei.
Ton hat sich verschärft
Polen steht nach dem Mord unter Schock. Alle führenden Politiker verurteilten den Mord und sprachen Adamowiczs Frau und seinen beiden Töchtern ihr Mitgefühl aus. Präsident Andrzej Duda rief Politiker aller Lager zu einem Marsch gegen Gewalt und Hass auf. Schon am Montag gingen Menschen in etlichen Städten Polens auf die Strassen.
Das Attentat löste auch deshalb Entsetzen aus, weil sich der Ton in der ohnehin polarisierten polnischen Politik vor allem durch rechte Gruppen und Medien bis hin zum Staatsfernsehen stark verschärft hat und mit Adamowicz eine Symbolfigur des demokratischen, liberalen Polen ermordet wurde.
Gegner der Rechtspopulisten
Danzigs Oberbürgermeister war seit Antritt der von der rechtspopulistischen Partei «Recht und Gerechtigkeit» (PiS) geführten Regierung deren erbitterter Gegner, mit nicht nur lokaler Bedeutung. Adamowicz unterstützte das heute faktisch der Regierung unterstehende polnische Verfassungsgericht in seinem Bemühen um Unabhängigkeit, er stützte das von der Regierung attackierte Danziger Museum des 2. Weltkriegs. Der Oberbürgermeister trat für erlaubte Einwanderung nach Polen ebenso ein wie für die Rechte von Schwulen und Lesben, er kritisierte die PiS-Regierung scharf.
Polnische Staatsanwälte und Ermittler des oft gegen politische Gegner eingesetzten Anti-Korruptions-Büros CBA eröffneten mehrmals Ermittlungen gegen Adamowicz. Dagegen stellte die Staatsanwaltschaft erst Anfang Januar eine Ermittlung gegen Angehörige der rechtsradikalen Allpolnischen Jugend ein: Diese hatte Adamowicz und zehn weiteren Bürgermeister polnischer Grossstädte im Sommer 2017 «politische Totenscheine» wegen «Liberalismus, Multikulturalismus und Dummheit» ausgestellt.
An dunkle Zeiten erinnert
Nur Stunden nach dem Attentat auf Adamowicz nahm die Polizei in Posen den 41 Jahre alten Cezary O. fest. Er hatte auf Facebook geschrieben, auch die Oberbürgermeister von Posen und Breslau, Jacek Jaskowiak und Jacek Sutryk, würden noch «Opfer ihres linksradikalen und gottlosen Herangehens an ihre Ämter.»
Der Chefredakteur der sonst regierungsnahen Tageszeitung Rzeczpospolita fühlte sich trotz der möglichen Erkrankung des mutmasslichen Adamowicz-Mörders Stefan W. an dunkle Zeiten der polnischen Geschichte erinnert. Auch die Tat von Eligiusz Niewiadomski, der 1922 nach einer Hetzkampagne durch die Rechte den liberal-gemässigten Präsidenten Gabriel Narutowicz ermordete und zum Helden rechter Nationalisten wurde, habe einen psychopathischen Hintergrund gehabt, doch sei dies gleichwohl Teil der damaligen polnischen Politik gewesen. Der Messerstecher von Danzig sei dessen «albtraumhafter Erbe».
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