279. Zürcher Derby: GC - FCZEin kleiner Lichtblick – und trotzdem ist der FCZ wieder Letzter
Der Meister verliert nach sechs Niederlagen erstmals nicht mehr, aber ihm fehlt spürbar ein Torjäger – GC ist nach dem 1:1 zufrieden, den Stadtrivalen auf Distanz gehalten zu haben.

Genesio Colatrella – kein Ancelotti, einfach Colatrella
Carlo Ancelotti ist von Genesio Colatrella zu dem Trainer erhoben worden, an dem er speziell Gefallen findet. Weil Ancelotti komplett ist und alles besitzt, um Erfolg zu haben.
Colatrella ist zwar auch schon 50, aber noch ein Neuling, zumindest in der Super League. Das 279. Derby bietet ihm die grosse Bühne zu seinem Debüt in der Super League. Und schnell zeigt sich, dass er kein Stoiker ist wie Ancelotti. Er geht mit dem Spiel mit, er leidet mit, er treibt an, aber immer mit gebührender Kontrolle.
Von der Seite sieht er einen FCZ, der vor der Pause besser ist und höher führen müsste als nur 1:0. Es ist ein FCZ, der zurück zu seinen Wurzeln findet und zumindest im Ansatz an die schönen Zeiten unter André Breitenreiter erinnert. «Es ist einfach wichtig, einen Schritt zurück zu machen, um wieder nach vorne schauen zu können», sagt Colatrella.
Er setzt auf das bewährte Meistersystem mit einer Dreierkette, und die Mannschaft zeigt die Widerstandskraft, die sie unter Franco Foda zuweilen ganz gut versteckte. «Wir wissen, was wir können», sagt Colatrella, «wir wissen, was in uns schlummert», sagt Yanick Brecher, der Goalie und Captain. Beide betonen, wie intakt die Mannschaft sei.
Antonio Marchesano gelingt das 1:0, nach einem Breitenreiter-Konter. Oder Bledian Krasniqi verpasst das 2:0, nach einem Breitenreiter-Konter. Die zweite Halbzeit beginnt mit dem Ausgleich durch Bendeguz Bolla, den die FCZ-Abwehr, allen voran Selnaes, leichtfertig zulässt. Was bis zum Schluss folgt, ist ein zäher Kampf mit technischen Limiten auf beiden Seiten.
«Einen Dreier hätten wir verdient», bilanziert Colatrella, Dreier bedeutet Sieg. Ein 1:1 reicht nur, um eine Serie mit sechs Niederlagen in allen drei Wettbewerben hintereinander zu beenden. Aber es reicht nicht, um erstmals seit dem 7. Mai in der Meisterschaft zu gewinnen. Die Bilanz seither ist entsprechend: 12 Spiele, 4 Unentschieden, 8 Niederlagen und aktuell wieder Tabellenletzter, weil Winterthur bei Sion gleich 3:1 gewinnt. Schlechter ist der FCZ seit der Einführung der Super League nie in eine Saison gestartet.
Blerim Dzemaili – mit dem Gedanken an Ceesay

Gelegentlich ist sogar eine Banalität richtig. Wie im Fall von Blerim Dzemaili, als er sagt: «GC hat eine Chance und macht ein Tor. So ist Fussball.»
So ist es in diesem Derby, das selten fussballerischen Hochgenuss bietet, aber immer viel Einsatz auf beiden Seiten. Die Leistung von Dzemaili, auch schon 36 und weiter unverwüstlich, passt dazu. Er gibt alles, was in seinem Tank steckt, aber ihm fehlt, was der ganzen Mannschaft fehlt: die Effizienz im Abschluss. Er hat zwei Möglichkeiten für ein Tor, vor der Pause und in der Nachspielzeit. Einmal fällt sein Schuss kraftlos aus, dann zu unplatziert.
«Wir müssen nachdenken, wieso wir unsere Chancen nicht nutzen», sagt er. Einen Erklärungsansatz findet er zumindest: «Wir wissen, wir haben einen Stürmer verloren, der uns 20 Tore gemacht hat.» Assan Ceesay ist dieser Stürmer, der nun für Lecce stürmt und so schwer zu ersetzen ist. Vor einem Jahr lag der FCZ nach neun Runden auf dem 3. Platz, mit 17 Punkten und 22 Toren. Ceesay hatte allein bis dahin schon siebenmal getroffen.
Jetzt steht der FCZ bei fünf Toren. Marchesano zum Beispiel hat erst eines erzielt wie Aiyegun Tosin auch. Warum das bei Tosin der Fall ist, zeigt sich gegen GC. Vier-, fünfmal kommt er zum Abschluss, jedes Mal fehlen ihm die Überzeugung und die Klarheit in der Aktion. «Es kommt wieder gut», sagt Dzemaili gleichwohl, weil er denkt, dass sich auf dieser Leistung aufbauen lasse.
Nächsten Sonntag kommt der Aufsteiger aus Winterthur in den Letzigrund. Er hat im Wallis gezeigt, was mit Disziplin und Defensivfussball möglich ist. Das ist Warnung genug für diesen FCZ.
Giorgio Contini – immerhin nicht im Abstiegskampf…

Also, Giorgio Contini, wie fällt die Bilanz nach dem ersten Saisonviertel aus? «Wir sind nicht im Abstiegskampf», antwortet der Trainer von GC. Er gibt sich Mühe, ernst dreinzuschauen.
Als seine Antwort wirklich ernsthaft ausfällt, sagt er: «Wir wollen besser sein als letzte Saison.» Fünfter waren die Grasshoppers als Aufsteiger vor einem Jahr nach neun Runden und Sechster zur Winterpause, bevor sie in der Rückrunde Stück für Stück abrutschten und nur dank der besseren Tordifferenz gegenüber Luzern die Barrage gerade eben vermeiden konnten.
Fünfter sind sie auch jetzt, «da, wo wir sind, gehören wir hin», sagt Contini, «und wenn wir einen Lauf haben, können wir nach oben schielen». Die ersten vier, fünf Plätze, das ist ihr Ziel. Mit einem «Quäntchen Glück» hält der Trainer das auch für möglich. Viele Mannschaften liegen aus seiner Sicht vom Niveau her eng beisammen. Dass der FCZ deutlich hinter GC liegt, mag Contini nicht irritieren: «Er ist nicht zehn Punkte schlechter als wir.»
Im Derby hat GC keine gute erste Halbzeit und eigentlich keine Torchance. Als Dominik Schmid den Ball einmal doch ins gegnerische Goal drückt, tut er das mit der Hand. Was Contini an diesem Abend an seiner Mannschaft trotzdem gefällt: «Dass sie die Bereitschaft hat zum Kämpfen und nicht aufgibt.»
Mit einer Systemumstellung in der Pause leistet er ihr Hilfestellung. Dafür nimmt er Li Lei aus der Abwehr. Der Chinese ist weiterhin weit vom Super-League-Niveau entfernt und hat Glück, für sein rüdes Foul an Krasniqi nur Gelb zu bekommen. GC gelingt durch Bolla schnell der Ausgleich, Morandi vergibt die Führung, weil ihm die Entschlossenheit fehlt.
Das 1:1 ist schliesslich ein Resultat, mit dem GC besser bedient ist. Seinem Spiel fehlt es an Kreativität. Contini sagt: «Wir haben ganz viel Luft nach oben.»
Justin Hammel – als wäre es ein normaler Abend

Es ist wahrscheinlich das grösste Lob, das Justin Hammel bekommen kann. Eigentlich ist nicht ins Gewicht gefallen, dass André Moreira gefehlt hat, die so zuverlässige Nummer 1 bei GC.
Hammel spielt so auf, wie er nachher auch vor der Fernsehkamera ist: ruhig, abgeklärt, sich seiner Sache sicher, vor allem das. «Ich habe genug Selbstvertrauen, weil ich weiss, was ich kann», ist einer dieser Sätze, die für ihn so typisch sind. Er formuliert sie ungerührt, als wäre ein Derby ein normales Spiel und er ein alter Hase und kein Anfänger von 21 Jahren.
Im Sommer kam er auf Betreiben Jörg Stiels von Stade Lausanne-Ouchy zu GC. Der Goalietrainer Jörg Stiel kennt ihn schon aus den gemeinsamen Jahren beim Nachwuchs des FCB. Und sieht in ihm einen künftigen Stammgoalie. Dass Hammel noch lernen muss, versteht sich von selbst. Aber gegen den FCZ zeigt er, dass er das schnell kann.
Vor drei Wochen, als er für den verletzten Moreira eingewechselt wurde, trug er mit einer Slapstick-Einlage zum 1:5 in Basel bei. Später sagt er: «Wichtig ist, dass ich das Fällen von falschen Entscheidungen auf dem Platz minimieren kann.» Gegen den FCZ liegt die Quote nahe null. Er strahlt Ruhe aus und ist zur Stelle, wenn es ihn braucht. Wie in der 92. Minute bei der Chance von Dzemaili.
Diese Ruhe ist eine seiner Qualitäten: «Es bringt doch nichts, auf dem Platz herumzuhampeln. Ich habe eine entspannte Art und bin trotzdem sehr fokussiert.» Und noch ein typischer Hammel: «Wenn man das abruft, von dem man selbst überzeugt ist, dass man es kann, tut das gut. Und man hofft, mit positiven Gefühlen in die nächsten Spiele zu gehen.»
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