Ein Carunfall als Übungsanlage
Ein Carunfall, zwei Folgeunfälle – und noch ein Chemieereignis: Das ist eine schwierige Ausgangslage. Wie kann sie bewältigt werden? Mehrere Rettungsorganisationen trainierten dies am Wochenende in Herrliberg.
Die Übung, die der Rettungsdienst Männedorf aufwendig geplant hatte, entpuppte sich als anforderungsreich: Auf der Arbachstrasse im beschaulichen Weiler Wetzwil ob Herrliberg war, so die Annahme, am Samstag um 9 Uhr in einem fahrenden Car einer Studentengruppe eine in zwei Gefässen unsachgemäss mitgeführte Substanz explodiert. Eine aggressive flüssige Substanz. Der Chauffeur machte aufgrund des Knalls eine Vollbremsung, mehrere Passagiere verletzten sich. Zwei nachfolgende, voll besetzte Personenwagen prallten ineinander, und auch eine Gruppe Radfahrer wurde in den Unfall verwickelt.
Das Trickreiche dabei: Was zuerst nach einem sehr ungewöhnlichen Verkehrsunfall mit einer Vielzahl von Verletzten aussah, war gleichzeitig ein Chemieereignis. Diesen zentralen Umstand in der Hektik auf der Unfallstelle zu erkennen, war der grosse Knackpunkt. Und wie von der Übungsleitung prognostiziert, dauerte es dann gut eine halbe Stunde, bis es den ersten Einsatzkräften klar war, dass hier nicht wie bei einem «normalen» Verkehrsunfall gearbeitet werden darf.
Simulation von Ereignissen
Das hiess auch, dass jene der insgesamt gegen 30 «Verletzten», die von der aggressiven Chemikalie betroffen waren, nicht ohne Schutzmassnahmen wie Atemschutzmasken behandelt werden durften. Und vor allem: dass zuerst eine Dekontaminationsstelle zur Reinigung der Patienten eingerichtet werden musste. Letztere mussten dort zuerst behandelt werden, um dann eine weitergehende medizinische Versorgung zu erhalten und ins Spital gebracht zu werden.
Zur Bewältigung des simulierten Grossereignisses war ein sogenannter Manv-Alarm ausgelöst worden. Manv steht für einen «Massenanfall von Verletzten oder Erkrankten». So erhielt der Rettungsdienst Männedorf Unterstützung vom Rettungsdienst Regio 144 aus dem Zürcher Oberland und dem Linthgebiet, von einem Heli-Team der Rega, der Stützpunktfeuerwehr Meilen und – wie üblich in solchen Fällen – von Schutz & Rettung Zürich und der Kantonspolizei Zürich. Schutz & Rettung Zürich bringt einerseits spezielle Einrichtungen für derartige Fälle, etwa eine mobile Sanitätshilfsstelle, stellt aber auch Führungspersonal, das für diverse Chargen benötigt wird.
Insgesamt waren laut den Organisatoren etwa 140 Helfer aufgeboten worden, die in gegen 20 Fahrzeugen anrückten. Zudem standen 70 Figuranten im Einsatz. Total also mehr als 200 Personen. Mit Eins-zu-eins-Simulationen wie derjenigen am Samstag macht jeder Rettungsdienst im Kanton Zürich alle paar Jahre Übungen. Mit einem ersten Fazit nach dem dreistündigen Einsatz lobte Igor Gazzani, Leiter des Rettungsdienstes Männedorf, «die wirklich gute Zeit» von nur 30 Minuten, bis im üblichen Anfangschaos bei solchen Fällen erkannt wurde, dass man es auch mit einem Chemieunfall zu tun hat.
Sobald Chemie im Spiel sei, gehe eben alles viel länger als sonst. Zudem, und das trat als Problem mit dem immer wieder aus allen Ecken des Schadenplatzes zu hörenden Spruch «Händ ihr no Manpower zum öis hälfe?» deutlich hervor: Man benötigt ausserordentlich viele Helfer. Dies unter anderem deshalb, weil auch Rettungssanitäter und Polizisten durch eine einzige unbedachte Bewegung kontaminiert werden können und dann für eine gewisse Zeit nicht mehr einsetzbar sind. In der Übung passierte das mit drei Personen und – besonders fatal – zwei Rettungswagen.
Alles in allem wurde die Simulation von Experten als gelungen taxiert, auch wenn es – wie üblich bei einem Manv – mit der Kommunikation nicht ganz rundlief. So wurde wohl überall sehr ruhig gearbeitet, aber beim Informationsfluss und bei den unverzichtbaren Absprachen unter den beteiligten Organisationen haperte es.
«Wertvolle Erkenntnisse»
Dass sich bei Grossereignisübungen Schwierigkeiten zeigen, ist normal – und vor allem wichtig. Denn mit Trainings dieser Art liessen sich «wertvolle Erkenntnisse gewinnen, die im Ernstfall Leben retten können», wie die Organisatoren der beteiligten Rettungsdienste betonen. Deshalb war die ganze Übung auch von einer Reihe von Fachleuten verfolgt worden, deren Beobachtungen alle beteiligten Blaulichtorganisationen in den nächsten Wochen analysieren werden.
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