Petr Pavel verspricht SicherheitEhemaliger Nato-General wird Präsident in Tschechien
In der Stichwahl setzte sich der pensionierte General Petr Pavel gegen den populistischen Ex-Regierungschef Andrej Babis durch. Die Wahlbeteiligung war aussergewöhnlich hoch.

Petr Pavel wird neuer Präsident Tschechiens. Mit einer Rekordwahlbeteiligung und einem Rekordwahlergebnis hat der 61-jährige General im Ruhestand die zweite Runde der Präsidentschaftswahl gewonnen. Seit 2013 wird der Präsident in Tschechien direkt gewählt, zweimal gewann Miloš Zeman, der nun nicht mehr antreten durfte.
Die Wahl Petr Pavels bedeutet für viele Menschen in Tschechien einen grundlegenden politischen Wandel, für den Hunderttausende schon seit Jahren auf die Strassen gegangen waren. Pavels Gegner im Wahlkampf, der ehemalige Premier Andrej Babiš, und heutige Oppositionsführer griff im Wahlkampf vor allem die Regierung an und verbreitete Angst vor einem Übergreifen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine auf EU-Länder.
Wie bedeutend diese Wahl für viele Tschechen war, zeigt die Wahlbeteiligung von 70,32 Prozent – die mit Abstand höchste der bisherigen Präsidentschaftswahlen. Pavel erhielt 58,28 Prozent aller Stimmen – ebenfalls ein Rekord. Andrej Babiš unterlag deutlich mit 41,72 Prozent.
Wichtige Werte hätten in dieser Wahl gewonnen, sagte Pavel. «Wahrheit, Anstand, Respekt und Demut». Er sei überzeugt, dass die Mehrheit diese Werte teile und dass es sich lohne, sich dafür einzusetzen, dass diese Dinge «Teil unseres Lebens sind und auch auf die Burg und in unsere Politik zurückkehren».
Schmutziger Wahlkampf
Gemeint war mit dieser Kritik sowohl Andrej Babiš, als auch der amtierende Präsident Zeman, der Babiš sowohl im Parlamentswahlkampf 2021 wie auch jetzt unterstützt hatte. Zeman pflegte einen angriffslustigen Stil gegenüber Politikern und Journalisten, vermied wie Babiš Auftritte in öffentlich-rechtlichen Sendern, äusserte sich meist nur in ausgewählten privaten Medien. Sowohl Babiš als auch Zeman gratulierten Pavel bereits zum Wahlsieg. Er habe nicht mit einem so grossen Vorsprung Pavels gerechnet, sagte Zeman. Babiš kündigte an, seine politische Arbeit mit seiner Partei ANO fortzusetzen und beklagte, die Mehrheit der Medien habe Pavel unterstützt. Babiš ist selbst Eigentümer mehrerer Medien, darunter Tageszeitungen und ein Radiosender.
Premier Petr Fiala sprach vom schmutzigsten Wahlkampf der neueren Geschichte des Landes, Babiš habe Populismus mit Extremismus verbunden, das sei «ausserordentlich gefährlich». Die Gesellschaft sei aufgewühlt und es werde noch einige Zeit dauern, um die Schäden auszugleichen. Pavel war als unabhängiger Kandidat angetreten, die Regierung hatte ihn aber unterstützt.
Der noch amtierende Präsident Zeman war seit Jahren wegen enger Beziehungen zu Russland und China kritisiert worden, der Inlandsgeheimdienst stufte diese als gefährlich ein. Babiš' Amtszeit als Premier war vor allem von einem Streit mit der EU-Kommission geprägt, die ihn als Grossunternehmer und Empfänger von EU-Subventionen in einem Interessenkonflikt sahen. Gegen den fünftreichsten Mann Tschechiens wird derzeit in Frankreich wegen Geldwäsche ermittelt. Laut Akten, die in Archiven in der Slowakei aufbewahrt werden, war er in der ČSSR Geheimdienstmitarbeiter. Kritiker von Babiš befürchteten, Tschechien könne den Weg Ungarns einschlagen. Babiš gilt als Vertrauter des immer autokratischer auftretenden Premiers Viktor Orbán.
Pavel: «Erster Schritt zu einem Wandel»
Petr Pavel sagte nun, die Gesellschaft habe Schrammen davongetragen, auch aus den letzten zwei Wochen des Wahlkampfes und von vielen Jahren populistischer, irreführender Kommunikation und «politischer Konfrontation». Das müsse heilen. «Wir brauchen wieder eine normale, sinnvolle Kommunikation». Seine Wahl sei «der erste Schritt zu einem Wandel».
Ganz Militär, stellte Pavel im Wahlkampf den 10,5 Millionen Tschechen in Aussicht, als Staatschef für Sicherheit zu sorgen. «Ich kann die Tatsache nicht ignorieren, dass die Menschen hier zunehmend Chaos, Unordnung und Unsicherheit empfinden. Dass der Staat irgendwie aufgehört hat zu funktionieren», schrieb Pavel auf seiner Wahlkampf-Website. «Wir müssen das ändern. Wir müssen uns an die Regeln halten, die für alle gleichermassen gelten werden.»
Karriere beim Geheimdienst
Der 61-Jährige wuchs in der kommunistischen Tschechoslowakei auf und begann schon als Jugendlicher mit der militärischen Ausbildung. Er besuchte ein Militärgymnasium, studierte an einer Militäruniversität und stieg schnell in der Armee auf. Pavel trat der Kommunistischen Partei bei und liess sich zum militärischen Geheimdienstagenten ausbilden – beides werfen ihm seine Gegner bis heute vor.
«Ich wurde in eine Familie hineingeboren, in der eine Parteimitgliedschaft als normal galt», erklärte Pavel auf seiner Website. «Ich hatte nicht genügend Information und Erfahrung, um den kriminellen Charakter des Regimes zu beurteilen. Jetzt weiss ich, dass es ein Fehler war.»
Nach der politischen Wende 1989 gab Pavel zwar sein Parteibuch ab, die Geheimdienstausbildung setzte er jedoch fort. Auch seine militärische Karriere ging weiter. Als Elite-Fallschirmjäger half er 1993, französische Truppen aus serbisch-kroatischem Kriegsgebiet zu befreien.
Er half Menschen in der Corona-Pandemie
Nachdem die Tschechische Republik 1999 der Nato beigetreten war, arbeitete Pavel drei Jahre beim Regionalkommando der Allianz in den Niederlanden. Später studierte er Internationale Beziehungen und schloss mit einem Master am King’s College in London ab, bevor er zum Generalstabschef der tschechischen Armee aufstieg.
2015 ernannte die Nato Pavel zum Leiter des Militärausschusses, der höchsten militärischen Instanz des Bündnisses. 2018 schied Pavel aus der Armee aus – hochdekoriert mit einer Reihe von Auszeichnungen wie der Legion of Merit der US-Streitkräfte und dem französischen Croix de Guerre für Tapferkeit.
Als die Corona-Pandemie ausbrach, gründete der pensionierte General die Initiative «Gemeinsam stärker», um Menschen in Not zu helfen.
Nun Oberbefehlshaber der Streitkräfte
Pavel hat zwei Söhne aus erster Ehe, seine zweite Frau Eva ist ebenfalls Soldatin. Eine grosse Leidenschaft des Ex-Generals ist das Motorradfahren.
«33 Jahre lang habe ich dem demokratischen und pro-westlichen Streben unseres Landes gedient», empfahl sich Pavel als Präsident. «Ich glaube, dass meine Taten deutlich zeigen, für welche Werte ich stehe, und dass ich bereit bin, hart für deren Erhalt zu kämpfen.» Er steht auch klar für eine Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland.
«Staatsoberhaupt, das europäische Werte schätzt»
Unter den ersten Gratulanten war die slowakische Präsidentin Zuzana Čaputová, die eigens aus Bratislava angereist war, um ihrem zukünftigen Amtskollegen auf dessen Wahlparty zu gratulieren. Sie betonte, die besonders enge Bindung von Slowaken und Tschechen. Die ehemalige Bürgerrechtlerin und Rechtsanwältin war im März 2019 ins Amt gewählt worden – unterstützt auch von einer zivilgesellschaftlichen Organisation, die sich als Reaktion auf die Ermordung des Journalisten Ján Kuciak gegründet hatte.
«Ich bin über die Massen froh, dass es in unserer Region ein Staatsoberhaupt geben wird, dass die europäischen Werte schätzt», sagte sie. «Ihr Sieg ist ein Sieg der Hoffnung.»
Mit Material der Nachrichtenagentur AFP.
Fehler gefunden?Jetzt melden.