E-TransporterRenault denkt die Letzte Meile neu
Der urbane Lieferverkehr wird in den nächsten Jahren explodieren. Renault-Tochter Flexis stellt jetzt eine elektrische Fahrzeugflotte vor, die dank KI viele Probleme lösen könnte.

Eine Studie des Beratungsunternehmens McKinsey prognostiziert, dass die Nachfrage für Letzte-Meilen-Services bis zum Ende des Jahrzehnts um 78 Prozent steigen wird. Ein Grund ist vor allem die Versorgung im stadtnahen Umfeld mit sogenannten «Fast Moving Consumer Goods», die immer häufiger online gekauft werden. Besonders die Bestellung von Lebensmitteln explodiert. Laut dem Datenspezialisten Statista werden die Umsätze im E-Commerce bis 2030 jährlich um weitere 10 Prozent wachsen. In den weltweit 100 grössten Städten dürfte das zu 36 Prozent mehr Lieferfahrzeugen führen. Also auch zu deutlich mehr Verkehrsbehinderungen, längeren Anfahrtszeiten für Pendler sowie höherer Umweltbelastung.
Die Elektrifizierung und Vernetzung der urbanen Logistik spielen also zukünftig eine zentrale Rolle. Und genau diese Themenfelder hat sich Flexis auf die Visitenkarte geschrieben. Hinter dem französischen Newcomer mit Hauptsitz in Paris, der erst im vergangenen Jahr gegründet wurde, stecken mehrheitlich die Investoren Renault, Volvo Trucks sowie das französische Schifffahrt- und Logistikunternehmen CMA CGM. Flexis will den europäischen Markt für den städtischen Lieferverkehr in ganz neue Bahnen lenken. Den Anfang macht eine modular aufgebaute und voll elektrische Modellreihe, die ab 2026 im Renault-Werk Sandouville in der Nähe von Le Havre gefertigt wird. Grosse Logistikunternehmen wie Colis Privé in Frankreich, Hived in Grossbritannien und DB Schenker in Deutschland sollen bereits Absichtserklärungen unterzeichnet haben und planen bis 2030, rund 15’000 Fahrzeuge abzunehmen.
Variable 800-Volt-Plattform
Basis der Flexis-Flotte ist eine sogenannte Skateboard-Plattform, in der die Batterie, der Antrieb und die Leistungselektronik untergebracht sind. 80 Prozent der Komponenten inklusive der Batterie stammen von europäischen Zulieferern, was die Abhängigkeit vor allem von China deutlich verringert. Der kompakt gebaute E-Motor sitzt stets an der Hinterachse. Die Plattform soll leicht und verwindungssteif sein, verschiedene Aufbauten können so ohne weitere Hilfsrahmen direkt aufgeschraubt werden.
Bis zu einer Tonne Ladung darf damit transportiert werden. Die spezielle Bauart ermöglicht zudem eine vergleichsweise niedrige Bodenhöhe von nur 51 Zentimetern und damit einen flachen Einstieg für den Fahrer. Flexis hat ausgerechnet, dass so für das Personal am Tag rund 250 Stufen weniger anfallen. Ein weiteres Plus der Plattform ist der kleinwagenähnliche Wendekreis von nur 10,3 Metern, was das Rangieren in engen Städten deutlich erleichtert. Flexis wird zwei Akkugrössen mit bis zu 600 Kilometern Reichweite anbieten, immer mit 800 Volt-Technologie, die kurze Ladezeiten ermöglicht. In knapp 20 Minuten sollen sich die Batterien von 10 auf 80 Prozent füllen.
Drei Modelle zum Start
Zum Start sind drei Modelle geplant. Das Flaggschiff wird der Step-in-Van, ein 5,27 Meter langer und 1,90 Meter breiter, modern gezeichneter Lieferwagen mit vollintegriertem Hochdach und kurzen Überhängen. Zwei Schiebetüren an der Seite sowie eine Hecktür mit praktischer Jalousie erleichtern das Beladen. Dank einer Innenhöhe von 1,90 Metern können sich die Fahrer bequem zwischen Cockpit und Laderaum bewegen. Über einen «Delivery Button» öffnen sich die Türen automatisch, der Warnblinker wird gesetzt, Sensoren in den Rückspiegeln warnen vor Fussgängern oder sich nähernden Velofahrern.

Modell Nummer zwei ist der Panel-Van, den es mit zwei Radständen geben wird und der am ehesten für kleinere Handwerkerbetriebe oder Paketzusteller wie Amazon geeignet scheint. Dritter im Flexis-Bunde ist der Cargo-Van. Hinter dem Fahrerhaus lässt sich eine Vielzahl von Aufbauten montieren, von einer simplen Ladefläche bis hin zum komplexen Kühlcontainer. Die Technikdrillinge gehen Mitte nächsten Jahres sowohl mit Renault-Logo als auch mit dem Flexis-Emblem an den Start. Während Renault eher herkömmliche Auf- und Ausbauten anbieten wird, möchte Flexis der Partner für individuelle Lösungen sein.
Deutlich effizienter dank KI
Neben der Hardware spielen Embedded Services eine entscheidende Rolle im Zukunftskonzept der Franzosen. Ziel ist die Optimierung aller Prozesse rund um die Zustellung der Produkte. Flexis strebt eine maximale Konnektivität zwischen den Fahrzeugen und den Auftragnehmern an, eine nahtlose Verknüpfung von allem, was am Lieferprozess beteiligt ist. Dabei hilft eine massgeschneiderte Software, unterstützt von künstlicher Intelligenz (KI) und personalisierten Empfehlungen für den Fahrer bei der Tourenplanung. Ladezyklen werden optimiert, mögliche Pannen durch Algorithmen prognostiziert und auf rechtzeitige Wartung hingewiesen.
Flexis unterstützt zudem bei der intelligenten Gestaltung der Gepäckräume zum schnelleren Be- und Entladen. Die vernetzten Flottenfahrzeuge sollen so bei einem vergleichbaren Preis zu konventionellen Dieselfahrzeugen einen Effizienzvorteil von rund 20 Prozent haben, meint der Hersteller. Der CO2-Fussabdruck über die Lebenslaufzeit soll laut Flexis um 60 Prozent geringer ausfallen, pro Monat könnten pro Lieferwagen 400 Euro an Energiekosten eingespart werden. Da das System offen ist, kann es auch in bereits bestehende Betriebssysteme von Fuhrparks integriert werden.
Genaue Preise oder Mietkosten nennt Flexis derzeit noch nicht, liebäugelt aber mit einem sogenannten Pay-per-use-System – dabei muss der Kunde nur bezahlen, wenn das Auto auch im Einsatz ist.
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