Chefin des WährungsfondsDie USA wollten sie von ihrem Posten jagen – jetzt darf sie erst mal bleiben
Kristalina Georgieva ist wegen eines gefälschten Berichts angeschlagen. Dank prominenter Fürsprecher kann sie bleiben. Doch gerettet ist sie noch nicht.

Sie hat mächtige Verbündete, aber auch einflussreiche Gegner: Kristalina Georgieva, Chefin des internationalen Währungsfonds (IWF), hat einen der wichtigsten Posten der Weltwirtschaft inne.
Doch ihre Position ist arg geschwächt. Denn die Weltbank, Georgievas früherer Arbeitgeber, hat zugegeben, dass sie ihren «Doing Business»-Bericht auf Druck von China verfälscht hatte. Der Report zeigt auf, wie einfach oder mühsam es ist, in einem Land Geschäfte zu machen.
Ein Bericht der US-Anwaltskanzlei Wilmer Hale legte offen, dass Daten von Weltbank-Mitarbeitenden bewusst manipuliert worden waren. Die Situation in einzelnen Ländern wie China wurde in der Ausgabe von 2018 mit Absicht besser dargestellt. Die heutige Währungsfonds-Chefin Georgieva soll bei den Manipulationen eine entscheidende Rolle gespielt haben. Georgieva selbst hat den Vorwurf stets von sich gewiesen.
In diesen Tagen findet das Jahrestreffen des IWF statt. Hinter den Kulissen wurde dort für ein Ende der Amtszeit von Georgieva lobbyiert. Laut Medienberichten wollen die wichtigen IWF-Mitglieder USA und Japan Georgieva stürzen. Frankreich, Deutschland, Grossbritannien, Russland und China halten dagegen zu ihr. Die Schweiz, die ebenfalls am Jahrestreffen teilnimmt, sagt dazu nichts. «Zu laufenden Untersuchungen gegen Frau Georgieva können wir uns nicht äussern», sagte ein Sprecher des Finanzministeriums.
Steiler Aufstieg in den USA
Am Dienstagmorgen teilte der IWF mit, dass die umstrittene Chefin auf ihrem Posten bleiben dürfe. Denn ihr könne «nicht schlüssig nachgewiesen» werden, dass sie den Weltbank-Bericht zugunsten von China beeinflusst habe.
Doch Georgieva ist damit nicht vom Haken: Laut der «Financial Times» hat US-Finanzministerin Janet Yellen der IWF-Chefin mitgeteilt, dass die USA «alle neuen Fakten oder Erkenntnisse überwachen, genau verfolgen und auswerten» und die Affäre die «Notwendigkeit für die Aktionäre unterstreiche, die Integrität sowohl der Bank als auch des Fonds zu verteidigen». Im Klartext: Die Bulgarin steht von nun an unter scharfer Beobachtung.
Georgieva kann damit erst einmal ihre eindrückliche Karriere fortsetzen. Die in Sofia geborene Tochter eines Bautechnikers und einer Haushaltswarenverkäuferin studierte Wirtschaft. Danach arbeitete sie jahrelang an einer Universität in der bulgarischen Hauptstadt.
Absetzung wäre «Staatsstreich»
Nach der politischen Öffnung in den 90er-Jahren wechselte sie zur Weltbank in die Vereinigten Staaten. Dort stieg die heute 68-Jährige die Karrierestufen hoch, bis sie 2017 die Geschäftsführerin der einflussreichen Institution wurde. 2019 amtete sie zwischenzeitlich drei Monate sogar als Weltbank-Präsidentin. Vor zwei Jahren wechselte sie an die Spitze des internationalen Währungsfonds.
In dem Streit um den manipulierten Weltbank-Bericht erhielt Georgieva besonders viel Zuspruch aus der Wissenschaft. Jeffrey Sachs, Direktor des Zentrums für nachhaltige Entwicklung an der Columbia University, schrieb in der «Financial Times», dass ihre Absetzung «eine gefährliche und kostspielige Kapitulation vor der Anti-Peking-Hysterie» wäre.
Joseph Stiglitz, Nobelpreisträger und ehemaliger Chefvolkswirt der Weltbank, schrieb in einem Artikel, dass die Absetzung Georgievas ein «Staatsstreich» wäre, und den Wilmer-Hale-Bericht bezeichnete er als eine hinterhältige Attacke.
Doch mit den USA hat sie einen fast schon übermächtigen Gegner. Daher bleibt offen, wie lange sich die umstrittene IWF-Chefin am Ende wird halten können.
In einer früheren Fassung des Texts hiess es, die Weltbank habe ihren Sitz in New York, er ist aber in Washington.
Jorgos Brouzos ist seit 2015 Wirtschaftsjournalist bei Tamedia. Er berichtet hauptsächlich über den Schweizer Finanzplatz und den Rohstoffsektor. Er hat an der Universität Zürich Politikwissenschaften studiert.
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