Urteil im Prozess zu «Charlie Hebdo»Die Terrorhelfer sind verurteilt – doch die Wunde bleibt
Das Attentat auf das französische Satiremagazin wirkt nach fünf Jahren noch so monströs, dass niemand mit dem Urteil zufrieden ist. Die Attentäter selbst können nicht mehr bestraft werden.

Die Attentäter handelten nicht allein. Mit diesem klaren Urteil endete am Mittwoch im Pariser Justizpalast der «Charlie-Hebdo»-Prozess. Vier der vierzehn Angeklagten wurden der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung schuldig gesprochen, der Hauptangeklagte Ali Riza P. zudem der Mithilfe zum Mord. Er muss für 30 Jahre in Haft. Für sieben weitere Angeklagte lautete das Urteil: Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Die Länge der einzelnen Haftstrafen sollte später nachgereicht werden.
«Die Ermittlungen haben es erlaubt, festzustellen, dass Amédy C. sich auf einen Kreis von Vertrauten stützen konnte, die ihn mit der nötigen logistischen Hilfe ausstatteten», sagte der Richter Régis de Jorna in seiner Urteilsbegründung. Amédy C. hatte am 9. Januar 2015 einen jüdischen Supermarkt überfallen und vier Geiseln getötet. Er war ein Verbündeter und Freund der Terroristen Chérif und Saïd K., die am 7. Januar die Redaktion des Satiremagazins «Charlie Hebdo» angegriffen hatten und zwölf Menschen ermordeten. Im Fall des Angriffs auf «Charlie Hebdo» lasse sich «nicht nachverfolgen», woher die Brüder K. ihre Waffen bekommen hätten, sagte der Richter.
Eine neue Welle von Attentaten
Es war ein langer und komplizierter Weg bis zu diesem Abschluss. Der gesamte Prozess wurde von einer neuen Serie von Attentaten überschattet. So wurde dem Lehrer Samuel Paty auf offener Strasse von einem 18-jährigen Islamisten der Kopf abgetrennt. Paty hatte im Unterricht Mohammed-Karikaturen aus «Charlie Hebdo» gezeigt, um über Meinungsfreiheit zu diskutieren. Kurz darauf tötete ein Islamist in einer Kirche in Nizza drei Katholiken. Zudem musste der Prozess einen ganzen Monat lang unterbrochen werden, weil der Hauptangeklagte wegen einer schweren Covid-19-Erkrankung nicht mehr vor Gericht erscheinen konnte.
Der «Charlie Hebdo»-Prozess hatte im September mit den Aussagen der Überlebenden und Hinterbliebenen der Attentate begonnen. Insgesamt siebzehn Menschen wurden zwischen dem 7. und dem 9. Januar 2015 in und um Paris von drei islamistischen Attentätern ermordet, in der Redaktion des Satiremagazins, auf offener Strasse und in einem jüdischen Supermarkt. Doch die Zahl der Toten stellt nur einen Bruchteil der Zahl der Opfer dar. Der Hass der Täter raubte Hunderten Zuversicht und Lebensfreude. Dies zeigte sich nicht nur darin, dass der Prozess 200 Nebenkläger umfasste. Sondern vor allen Dingen in den Zeugenaussagen derjenigen, deren Leben seit den Anschlägen in zwei Teile zerfällt: in ein vergleichsweise sorgloses davor und in eines, das kaum zu ertragen ist, danach.

Die Taten wirken auch fünf Jahre später noch so monströs, die Wunden der französischen Gesellschaft so wenig verheilt, dass schon im Vorfeld ein unbefriedigendes Ende des Prozesses vorgezeichnet zu sein schien. Die drei Attentäter selbst können nicht mehr bestraft werden. Sie wurden von der Polizei erschossen. Ein Ende, das sie in ihre Taten einkalkuliert hatten, innerhalb ihres Weltbildes machte sie dieser Tod zu Märtyrern. Auf der Anklagebank sassen nun fünfzig Verhandlungstage lang elf Männer, die an der Beschaffung der Waffen und schusssicheren Westen beteiligt waren.
Alle Angeklagten beharrten vor Gericht darauf, nichts von den Terrorplänen der drei Attentäter gewusst zu haben. Die Angeklagten und ihre Verteidiger zeichneten ein Bild eines Vorstadtmilieus, in dem Drogenhandel und Kleinkriminalität zum Alltag gehören. Islamistische Überzeugungen der Mörder wollen dabei niemandem aufgefallen sein.
Im Urteil heisst es über Ali Riza P., er habe eine «besonders aktive Rolle» gespielt, um Geld, Wohnung und Kontakte zu beschaffen.
Der Hauptangeklagte Ali Riza P., ein 35-jähriger Franzose mit türkischen Wurzeln, verteidigte seine Unschuld. Er wolle einfach nur sehr reich werden, deshalb sei er kriminell. Im Urteil heisst es nun über Ali Riza P., er habe eine «besonders aktive Rolle» gespielt, um Geld, Wohnung und Kontakte zu beschaffen. Er sei dabei zu einem «extremistischen Islam konvertiert».
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