Porträt der «Un monde»-DarstellerinDie Neunjährige, die gegen Bullys kämpft
Maya Vanderbeque aus Belgien spielt die Hauptrolle in einem Film über Mobbing auf dem Pausenplatz. Der Dreh habe ihr keine Probleme bereitet.

Viele Kindergeschichten zeigen die Welt der Kleinen, indem sie die Erwachsenen aus dem Bild verbannen. Mal kommen sie gar nicht vor, mal sehen wir nur ihre Unterkörper. Im Mobbing-Drama «Un monde» der Belgierin Laura Wandel, das zurzeit in den Kinos läuft, tauchen die Erwachsenen dann auf, wenn sie sich zu den Kindern hinunterbeugen. Und Sachen fragen wie «Was ist denn passiert?».
Die Welt von «Un monde» ist der Pausenplatz, und passieren tut einiges. Die siebenjährige Nora und ihr älterer Bruder Abel kommen nach den Ferien in die Schule zurück. Nora wird Zeugin, wie Abel von den Grösseren gehänselt und geschlagen wird; einmal werfen sie ihn in einen Abfallcontainer, aus dem er nicht mehr allein heraussteigen kann. Zuerst erzählt sie ihrem arbeitslosen Vater davon – die Mutter ist nie zu sehen –, aber Abel schämt sich und zwingt Nora dazu, fortan nichts mehr zu sagen.
Die Regisseurin Laura Wandel hat ihr Drama während der Schulferien gedreht. Für die Hauptrolle der Nora hat sie mehr als hundert Kinder vorsprechen lassen. Unter ihnen war die damals neunjährige Maya Vanderbeque aus dem wallonischen Anderlues. Sie beeindruckte die Regisseurin mit der Aussage, sie werde all ihre Kraft in den Film stecken. Maya sei so engagiert gewesen, erzählt Wandel in einem Interview, dass sie sich für die Rolle gleich die Haare geschnitten habe.
Zur Vorbereitung arbeitete Maya während dreier Monate mit zwei Coaches, übers Wochenende vertiefte sich die heute Elfjährige zusammen mit den anderen Kinderdarstellern in die Geschichte. Sie teilten sich in Arbeitsgruppen auf, da ging es zum Beispiel um die Dynamik von Nora und Abel. Sie lernten auf spielerische Art, ihre Gefühle auszudrücken, ohne überwältigt zu werden; sie begannen, Situationen zu improvisieren. Die Szenen zeichneten sie auf Karton. Auf diese Skizzen stützten sie sich während des Drehs.
Wer nicht aufpasst, wird verschluckt
Im Film ist Maya immer im Bild und sagt alles mit ihrem Gesicht, aber stets mit einer erstaunlichen Zurückhaltung. Man sieht ihr an, wie sehr es sie schmerzt, wenn sie Abel helfen will, aber weiss, dass er ihre Unterstützung nicht möchte.
Als Drama des Aufwachsens ist «Un monde» ungeschönt, die territoriale Gewalt und die Loyalitätskonflikte auf dem Schulhof sind nur eine Vorstufe des Erwachsenenlebens, wo dieselbe Gleichgültigkeit und Überforderung herrscht, einfach in einem viel grösseren Massstab. Der Pausenplatz ist brutal und laut, die Geräusche kommen wie Schrapnell. Wer nicht aufpasst, wird von dieser Welt verschluckt.
Inzwischen hat sie 237 Follower.
Als Nora ist Maya Vanderbeque das Herz von «Un monde». Aber auch die Augen, Ohren, alles. Die junge Belgierin hatte trotz des Themas keine Mühe auf dem Filmset. Eine Hitzewelle habe es gegeben, das sei etwas schwierig gewesen. Aber sonst habe es keine grösseren Probleme gegeben, sagte sie den Medien in Cannes. Wenn sie vor der Kamera traurig sein sollte, dachte sie an ein Erlebnis in ihrer Familie zurück. Oder an ihre Zeit in der dritten Klasse, als sie selber etwas Ähnliches erlebt hatte wie Abel im Film.
In ihrer Freizeit tanzt Maya Vanderbeque Ragga, Ende letztes Jahr drehte sie ein paar Szenen in Ostende für die Fernsehserie «Was zählt». Auf Instagram hat Maya ein paar Bilder von Filmfestivals hochgeladen, inzwischen hat sie 237 Follower. Wahrscheinlich werden es künftig etwas mehr sein.
Pascal Blum hat Soziologie und Geschichte studiert und ist seit 2014 Kulturredaktor. Er hat ein Buchkapitel über Heidi im Film geschrieben.
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