Die mit den blauen Herzen
Es prangte auf Klebern, Plakaten und Inseraten: Das blaue Herz mit dem Slogan «I love Jona» war das Markenzeichen der Fusionsgegner. Ehemalige Kritiker erzählen, warum das Herz einst violett war, wie ein Skiunfall alles ins Rollen brachte und weshalb sie trotz allem Joner geblieben sind.

Ein paar von den Klebern hat jeder von ihnen noch irgendwo – im Keller, im Büro, oder sogar am Auto. Ganz alles habe er nicht fortgeschmissen, sagt Max Schneider, obwohl er damals nach der beschlossenen Fusion zwei dicke Ordner entsorgt hatte. Zum Beweis legt er gleich zwei Erinnerungsstücke auf den Tisch: «I love Jona», der Slogan auf den Klebern zeugt vom emotionalen Abstimmungskampf der Fusionsgegner, der 1999 seinen Anfang genommen hatte. Das blaue Herz war das Kennzeichen der «Aktion Jona», Max Schneider ein Mann der ersten Stunde.
Zehn Jahre sind seit der «Hochzeit» von Rapperswil und Jona ins Land gezogen. Und auch wenn die blauen Herzen der Nein-Kampagne heute noch vielen Einwohnern präsent sind, so weiss nur Max Schneider, wie die Herzen im Slogan zur ihrer blauen Farbe kamen. Ursprünglich hatte der Sticker «I love Jona» gar nichts mit der Fusion zu tun, erklärt der heute 69-Jährige. Dass das Herz blau ist, daran ist der Sportwagen schuld, den er anfangs 90er-Jahre fuhr. Ein schnittiger Mazda war es – ein blauer. Den «I love Jona»-Sticker hatte ursprünglich eine Bekannte von Schneider entworfen. Es war die Zeit, in der die «I love New York»-Slogans aufkamen, die Frau hatte den Kleber für sich kreiert – aus Plausch, wie Schneider sagt. Und mit violettem Herz. Das wiederum passte nicht zu Schneiders Mazda, und so entwarf die Bekannte für den Unternehmer eine Version mit blauem Herz. Später, als sich die Fusionsgegner um Schneider in der Aktion Jona formierten, kam der Sticker wie gerufen. «Wir wollten nicht mit etwas Negativem auftreten», sagt Schneider, «wir waren für Jona und nicht gegen Rapperswil.» Ihre Botschaft war kurz, prägnant, und positiv: «I love Jona».
Anonym «einen Tausender»
Die Aktion Jona, das waren zehn, zwölf Personen, alles eingefleischte Joner, die sich erst 1999 und dann 2003 erneut gegen die Fusion mit der Nachbargemeinde Rapperswil wehrten. Sie befürchteten höhere Steuern, ihre Unabhängigkeit zu verlieren, eine komplizierte Verwaltung und eine ungewisse Zukunft. «Warum etwas aufgeben, das funktioniert?», bringt Peter Bruggmann (66) die Argumente auf den Punkt. Der Marketingfachmann aus Jona koordinierte damals die Nein-Kampagne der Gegner, war für die Slogans und die blauen Herzen auf den Plakaten und Inseraten zuständig: «Joner bleiben Joner», «Grösser und anonymer? Nein zur Fusion», «Jona, die Perle im Kanton St. Gallen».
Mit bescheidenen Mitteln habe man gekämpft, viel Geld war nie vorhanden, sagt Max Schneider. Einige Bürger hätten die Aktion Jona auch anonym unterstützt, wollten sich nicht öffentlich als Fusionsgegner outen. Schneider erinnert sich an zwei Herren, die je «einen Tausender» bar auf den Tisch legten, als Zustupf für die Nein-Kampagne. Die Strategie der Aktion Jona ging auf: Im November 1999 fegten die Joner eine Fusion mit Rapperswil mit 53,4 Prozent Nein-Stimmen vom Tisch. «Da habe ich wieder an die Demokratie geglaubt», sagt Schneider.
«Wir wollten nie mit etwas Negativem auftreten. Wir waren für Jona und nicht gegen Rapperswil.»
Begonnen hatte das Ganze mit einem Skiunfall in den Bergen, kurz vor Weihnachten 1998. Max Schneider nutzte die freie Zeit, die ihm der Unfall bescherte, um die Abstimmungsunterlagen der Stadt zu einer möglichen Fusion im Detail durchzulesen. Schnell war ihm klar, dass er einer solchen Vereinigung nicht zustimmen würde. Er trommelte Freunde und Bekannte zusammen. «Wir müssen etwas dagegen unternehmen.» «Kurz und heftig» bezeichnen die Gegner rückblickend ihren Abstimmungskampf, auch wenn sie nicht gern von einem «Kampf» sprechen.
Unterhält man sich heute mit ehemaligen Fusionskritikern, so zeigt sich: Warum den Jonern ihre Eigenständigkeit so am Herzen lag, kann jeder in ein, zwei persönlichen Anekdoten erzählen. Diese zeugen von der einstigen Kluft zwischen den ursprünglich armen Bauern aus Jona und den Rapperswilern an privilegierter Lage. Max Schneider erinnert sich an einen Brand Ende der 1950er-Jahre an der Spinnereistrasse. Die Joner waren, so erzählt man sich, schneller vor Ort, weil ihr Feuerwehrdepot näher liegt. Die angerückten Feuerwehrleute aus Rapperswil hätten jedoch darauf beharrt, dass dies «ihr Brand auf ihrem Boden» sei und hätten die Joner Einsatzkräfte wieder zurückgeschickt.
Jonerin war unerwünscht
An ein denkwürdiges Erlebnis erinnert sich auch Ruedi Wenk, heute 75-jährig, auch er gehörte der Aktion Jona an. An der 750-Jahr-Feier von Rapperswil, so erzählt er, habe man seiner Frau untersagt, eine kleine Ansprache zu halten. «Eine Jonerin am Mikrophon an einem Rapperswiler Fest – das geht nicht, hiess es.» Er zuckt die Schultern. Dass sich die Rapperswiler für «Mehrbessere» hielten, wie es ihnen in früheren Zeiten nachgesagt wurde, haben auch die Fusionsgegner so beobachtet. Und heute? Die ehemaligen Kritiker haben sich mit der Fusion arrangiert, können ihr auch Vorteile abgewinnen. Obwohl es ihnen damals schon ein wenig «den Boden unter den Füssen weggezogen» habe, und auch wenn sie bis heute im Herzen Joner geblieben sind. So seien etwa die ÖV-Verbindungen im Zuge der Fusion besser ausgebaut worden. Die Verwaltung aber sei, wie befürchtet, komplexer. «In Jona hatten wir eine sehr schlanke Verwaltung», erinnert sich Schneider.
Apéro mit den Gegenspielern
Mit ihren einstigen Kontrahenten, den Befürwortern der Vereinigung, haben sich die Mitglieder der Aktion Jona heute ausgesöhnt: Noch bis vor kurzem kam der Kern der Gruppe um Max Schneider jeweils im Mai zusammen, um dem definitiven Fusions-Ja von 2005, quasi dem Tag ihrer Niederlage, zu gedenken. Dabei liessen sie sich jeweils von den damaligen Befürwortern, den «Fusionsturbos», wie die Joner sie scherzhaft nennen, zum Apéro nach Rapperswil einladen. Letztes Jahr habe man allerdings beschlossen, von nun an auf die Treffen zu verzichten. Von der Aktion Jona sind inzwischen schon einige verstorben oder «schlächt zwäg», einer hat sein Glück im Tessin gefunden.
Max Schneider packt seine «I love Jona»-Kleber zusammen. Rund zwanzig Stück davon hat er noch zuhause, fortwerfen will er sie nicht. Lieber klebt er sie auf sein Auto. Er lacht. «Aber zwanzig Autos werde ich wohl kaum mehr haben.»
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