Analyse zu SüdostasienDie Generäle zahlen einen hohen Preis für ihre Machtgier
In den Trump-Jahren geriet Südostasien immer weiter in den Sog Chinas. Jetzt aber besteht trotz der dramatischen Entwicklung in Burma Hoffnung auf ein Gleichgewicht der Kräfte.

Ein Jahrzehnt lang hat die Reformerin Aung San Suu Kyi versucht, ihr Land Burma in einen demokratischen Rechtsstaat zu verwandeln und das Militär aus der Politik zu verdrängen. Die Generäle aber spielten nicht mit, fürchteten um ihre Pfründe. So rollen nun Panzer durch die Strassen von Yangon. Die Szenen rufen Erinnerungen wach an ein halbes Jahrhundert finsterer Militärherrschaft, die so viele Menschen in diesem Land gern hinter sich gelassen hätten.
Burma marschiert vorwärts in die Vergangenheit, mühsam erkämpfte Fortschritte werden zerrieben unter den Stiefeln der Soldaten. Der Rückfall ins Autoritäre, ohne Respekt für Freiheits- und Menschenrechte, markiert einen neuen Tiefpunkt in der Geschichte des einstigen britischen Kolonialgebietes. Die Gefahr einer blutigen Eskalation im Vielvölkerstaat ist sechzehn Tage nach dem Putsch nicht gebannt. Wenn die Armee die Demonstranten nicht durch Verhaftungen stoppen kann, wächst das Risiko tödlicher Schüsse. Massaker hat es schon früher gegeben, doch ob die Angst den Willen zum Widerstand brechen kann, wissen nicht einmal die Generäle.

Wie schwer es der demokratische Wandel in Südostasien hat, zeigt allerdings nicht nur der Fall Burma. Der skrupellose Machtanspruch des Militärs passt ins Bild einer Weltregion, die sich in den vergangenen Jahrzehnten, wenn überhaupt, nur äusserst mühsam aus autokratischen Strukturen lösen konnte. Am besten ist dies noch den Philippinen und Indonesien gelungen, aber auch dort gibt es starke Kräfte, die demokratische Regeln untergraben. In Manila ist es Rambo-Präsident Rodrigo Duterte selbst, der Menschenrechte missachtet und Freiheiten begrenzt.
Die stärkste Inspiration für die Generäle Burmas liefert jedoch Thailand: Seit Jahren schon pendelt das Königreich zwischen demokratischen Reformphasen und rigider Militärherrschaft, unter dem neuen König erhöhen die Architekten der thailändischen Fassadendemokratie den Druck auf ihre Kritiker. Noch trostloser sieht es bei einem anderen Nachbarn aus: Kambodschas Alleinherrscher Hun Sen gibt sich zivil, doch verfolgt er Oppositionelle gnadenlos. Und nur der kommunistische Einparteienstaat Laos macht ihm den Rang als engster Verbündeter Pekings noch streitig. Wer nach dem sprichwörtlichen Hinterhof der Grossmacht China sucht, wird in diesen Ländern fündig.
China will seinen Einfluss ausbauen
Vieles spricht dafür, dass die geografische Nähe zu China solche politischen Patenschaften stark begünstigt, vielleicht sogar erzwingt. Doch wie weit strahlt Chinas herrschende Partei als Leuchtturm antidemokratischer Gesinnung? Wie erfolgreich hat Peking das Chaos der Trump-Präsidentschaft genutzt, um für sein Modell in umliegenden Ländern zu werben und Abhängigkeiten zu schaffen? Wird es Peking gelingen, ein Bollwerk aus Vasallenstaaten zu errichten? Im Westen wächst die Angst vor diesem Szenario, auch wenn die Präsidentschaft von Joe Biden Hoffnungen weckt, verlorenen Einfluss wiedergutzumachen.
Auffällig ist dabei, dass systemische Ähnlichkeiten offenbar nicht ausreichen, um ein Land in einen Verbündeten Chinas zu verwandeln. Der Fall Vietnam liefert den Beleg. Zwar zählt Hanoi zu den rigiden kommunistischen Einparteienstaaten. Dennoch tut die Regierung alles, um sich einer zu engen Umklammerung durch Peking zu entziehen. Dafür sucht Hanoi sogar die Nähe des früheren Feindes USA, obgleich westlich geprägte Demokratisierungsideen eine Gefahr für die Zukunft des Regimes darstellen.
Fast allen Ländern ist die Angst gemein, dass mit der Hegemonie Pekings eine ökonomische Dominanz und politische Bevormundung einhergehen wird, die der eigenen Entwicklung und Souveränität mehr schadet als nutzt. Insofern hat Washington Chancen, in Südostasien erneut stärker anzudocken.
In Malaysia, Indonesien und auf den Philippinen herrscht der strategische Gedanke vor, eine tragfähige Balance zwischen den Grossmächten zu erreichen. Es gilt hier als Vorteil, wenn Staaten auf Gegengewichte setzen können, um sich vor einer übermächtigen Umarmung zu schützen. Für das ersehnte Gleichgewicht sind die USA unverzichtbar, zumal eine ganze Reihe von Staaten territoriale Konflikte mit Peking im Südchinesischen Meer austragen.
«Die Generäle wissen, dass das eigene Volk sie nicht als stolze Soldaten respektieren, sondern als Knechte Chinas verachten wird.»
Und die Putschisten in Burma? Sie zahlen einen hohen Preis für ihre Machtgier, denn sie driften nun zurück unter den Schirm Pekings, wie sie es schon während der früheren Diktatur taten, um Sanktionen des Westens zu überleben. Eine reizvolle Aussicht ist das für die Junta nicht. Die Generäle wissen, dass das eigene Volk sie nicht als stolze Soldaten respektieren, sondern als Knechte Chinas verachten wird. Was für ein Hohn, wo das Militär stets darauf pocht, als Hüter der Nation unverzichtbar zu sein.
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