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Denkwürdiger Friedensnobelpreis 1905
Die erste Frau, die den Friedensnobelpreis erhielt

Eine Frau, die ihrer Zeit voraus war: Bertha von Suttner (1843–1914) in einer Aufnahme von 1912.
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Die Nachricht, dass sie am 10. Dezember 1905 den Friedensnobelpreis erhalten würde, erreichte Bertha von Suttner in Wiesbaden. Sie war gerade auf einer Vortragsreise durch Deutschland, als das Telegramm aus Schweden eintraf. «Hoch und Hurra auf der Strasse», notierte die 62-Jährige in ihrem Tagebuch über die Reaktionen in Wiesbaden.

Die Autorin und Aktivistin, die als erste Frau den Friedensnobelpreis erhielt, wurde nicht überall so enthusiastisch gefeiert. In der Presse wurde sie geschmäht und in Karikaturen als «Friedensbertha» verunglimpft. Bekannte Schriftsteller wie Rainer Maria Rilke, Stefan Zweig und Karl Kraus mokierten sich über sie. Der populäre Autor und Rechtsgelehrte Felix Dahn schleuderte ihr entgegen: «Wo Männer fechten, hat das Weib zu schweigen!» Aber Bertha von Suttner liess sich nicht zum Schweigen bringen.

Mit ihrem 1889 veröffentlichten Roman «Die Waffen nieder!» hatte sie den Nerv der Zeit getroffen. Aus der Sicht einer Frau schilderte Bertha von Suttner in der Ich-Perspektive, was Kriege anrichten. Sie erzählte über die Grausamkeiten der Schlachtfelder im Detail, das Leiden der Verwundeten, die grausamen Verstümmelungen der Toten und den Schmerz der Angehörigen.

«Die Waffen nieder!» war ein Bestseller

Bertha von Suttners Buch wurde ein Bestseller. Es erschien in 37 Auflagen und wurde in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt. «Die Waffen nieder!» galt als das wichtigste Werk der Antikriegsliteratur, bis 1929 «Im Westen nicht Neues» von Erich Maria Remarque über das Grauen im Ersten Weltkrieg erschien.

Für die damals 46-Jährige war ihr literarischer Erfolg der Auftakt zu rastlosen Aktivitäten, die ihre zweite Lebenshälfte prägten: Bertha von Suttner reiste kreuz und quer durch Europa, um Vorträge zu halten, Friedensgesellschaften zu gründen oder an Abrüstungskonferenzen teilzunehmen.

Sie war aber nicht nur eine überzeugte Pazifistin, sondern propagierte auch Themen, die damals visionär waren: Schon Ende des 19. Jahrhunderts forderte sie eine Vereinigung Europas – etwas, was erst nach dem Zweiten Weltkrieg in der Europäischen Gemeinschaft konkrete Formen annehmen sollte.

Unermüdlich prangerte Bertha von Suttner soziale Missstände an. In jener Zeit, als das Frauenwahlrecht noch nicht erkämpft war, trat sie für eine Welt ein, in der «Mann und Weib nebeneinander, ebenbürtig, gleichberechtigt sind – das Weib gekräftigt, der Mann gemildert, beide zum werdenden Typus der Vollmenschlichkeit veredelt». Zudem engagierte sie sich gegen den grassierenden Antisemitismus.

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Für ihre eigene Anerkennung musste sie auch kämpfen. Denn ihre Mutter war eine Bürgerliche, ihr Vater – ein General – starb kurz vor ihrer Geburt in Prag. So hatte sie zwar einen klingenden Namen: Gräfin Kinsky von Wchinitz und Tettau. Der volle Zugang zum Hochadel blieb ihr jedoch verwehrt.

Das ererbte Vermögen ihres Vaters war rasch aufgebraucht, auch wegen der Spielsucht der Mutter. Ihre Jugend war von existenziellen Nöten geprägt. Nicht zuletzt darum war die junge Bertha lange nur auf eines aus: eine gute Partie zu erwischen – ohne Erfolg.

Im Alter von 30 Jahren musste sie eine Stelle als Gouvernante annehmen. Sie kümmerte sich um die Töchter der Familie von Carl Baron von Suttner in Wien. Aber mehr noch hatte es ihr der Sohn, Arthur Gundaccar von Suttner, angetan. Ein Skandal! Drei Jahre lang hatten Bertha und der sieben Jahre jüngere Adelsspross ein Verhältnis, bis sie aufflogen.

Sekretärin bei Alfred Nobel in Paris

Arthurs Mutter besorgte ihr eine Stelle weit weg von Wien – in Paris, als Sekretärin bei Alfred Nobel. Der Sprengstofffabrikant wurde zu ihrem langjährigen Lebensbegleiter und Gönner. Nach ihm ist auch jener Preis benannt, der 1901 erstmals verliehen wurde. Durch den Austausch mit Bertha angeregt, vermachte Alfred Nobel vor seinem Tod 1896 sein gewaltiges Vermögen einem Preis für den Frieden.

Als Nobel nach Schweden zurückkehrte, zog es Bertha zurück nach Wien zu ihrem Geliebten. Gegen den Willen der Eltern heirateten sie, Arthur von Suttner wurde daraufhin enterbt. Das junge Ehepaar brannte durch – in den Kaukasus.

Acht Jahre lang lebten sie in Georgien mehr schlecht als recht von der Unterstützung einer Fürstin und von ihren Schreibtätigkeiten: Bertha von Suttner verfasste für österreichische Zeitungen Kurzgeschichten und Essays, ihr Mann Kriegsberichte und Reiseliteratur. Es war eine Zeit der Entbehrungen, die das Paar aber zur Kreativität anspornte und Bertha von Suttner überhaupt erst zum Schreiben brachte. In ihren Memoiren erinnerte sie sich an eine «glückliche Zeit».

Hier lebte Bertha von Suttner siebzehn Jahre lang: Schloss Harmannsdorf bei Wien.

1885, als ein Krieg zwischen Österreich-Ungarn und Russland auszubrechen drohte, kehrten die Suttners nach Österreich zurück. Bertha war damals 42 Jahre alt. Ihre Arbeit als Schriftstellerin setzte sie fort, und sie wurde politischer. Sie kritisierte die Aufrüstungsprogramme, das Bildungswesen und die Diskriminierung der Frau.

Nach der Aussöhnung mit den Suttners bezog das Paar das Familienschloss in Harmannsdorf, rund eine Autostunde von Wien entfernt. Bis zum Tod Arthurs war Schloss Harmannsdorf siebzehn Jahre lang der Lebensmittelpunkt des Ehepaars. Das Schloss inklusive Ländereien musste wegen der hohen Verschuldung nach Arthurs Tod versteigert werden.

Die verwitwete Bertha zog zurück nach Wien und begann, für den Frieden zu kämpfen. 1891 forderte sie in einem Zeitungsartikel die Gründung einer «Österreichischen Gesellschaft der Friedensfreunde». Sie wurde deren erste Präsidentin und blieb dies bis zu ihrem Tod 1914. 1892 war sie Mitbegründerin der «Deutschen Friedensgesellschaft». Europaweit trat sie als respektierte Pazifistin bei Friedenskongressen auf.

Noch vor einigen Jahrzehnten war Bertha von Suttner ein Superstar des Feminismus und der Friedensbewegung.»

Monika Sommer, Historikerin

Heute erinnert nur noch eine Gedenktafel an der Mauer des Schlosses in Harmannsdorf an Bertha von Suttner, die «grosse österreichische Vorkämpferin für den Frieden». Das Schloss befindet sich in Besitz der Familie Glawischnig, die 2005 ein Symposium mit der iranischen Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi organisierte – zum Jubiläum der Verleihung der Nobel-Auszeichnung an Bertha von Suttner hundert Jahre zuvor. Damals wurde auch eine Ausstellung über die Arbeit und das Werk der Friedensaktivistin eröffnet.

Die heutige Schlossherrin Renate Glawischnig ermöglicht den Zugang zu den Räumlichkeiten, wenn sich Gruppen ab zehn Personen vorab anmelden. Seit sechs Jahren hängt im ehemaligen Arbeitszimmer, wo das Werk «Die Waffen nieder!» entstand, ein Porträt von Bertha von Suttner aus dem Jahr 1894. Besucheranstürme gibt es nicht, was der Schlossherrin, die mit ihrer Familie in Harmannsdorf lebt, ganz recht ist. «Aber es gibt immer wieder Anfragen zum Leben von Bertha von Suttner, für Buchprojekte oder Filme.»

Sehr präsent vor der Einführung des Euro in Österreich: Bertha von Suttner auf der 1000-Schilling-Banknote.

Ein Museum, das sich Bertha von Suttner widmet, sucht man in Österreich vergebens. Es gibt zwar zahlreiche Schulen, die ihren Namen tragen. In Wien kann man ausserdem ein ihr gewidmetes Denkmal des Bildhauers Siegfried Charoux besichtigen, das allerdings nur Insider kennen. Bis 1983 war die grosse Pazifistin noch sehr präsent in Österreich – ihr gestrenges Porträt zierte die 1000-Schilling-Banknoten. Ihr Bild ist auch auf den in Österreich geprägten 2-Euro-Münzen zu finden, was aber weit weniger bekannt ist.

Woran liegt es, dass die Erinnerung an Bertha von Suttner zu verblassen scheint? Monika Sommer, Direktorin des Hauses der Geschichte in Wien, zählt die Friedensnobelpreisträgerin zu der eher kleinen Gruppe von politisch aktiven Frauen, die zu ihrer Zeit in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurden. Aber die Historikerin teilt «die Einschätzung, dass die Begeisterung für sie erkaltet ist». Das sei vor einigen Jahrzehnten noch anders gewesen. «Sie war der Superstar des Feminismus und der Friedensbewegung.»

Bis zuletzt in ihrem Leben predigte Bertha von Suttner ihre Friedenspostulate. Am 21. Juni 1914 – nur sieben Tage vor den Schüssen in Sarajevo auf den Thronfolger von Österreich-Ungarn, Franz Ferdinand, und seine Frau – starb die berühmte «Friedensbertha» wahrscheinlich an den Folgen eines Krebsleidens in Wien. Damit erlebte sie jenen Weltkrieg nicht mehr, vor dem sie zeit ihres Lebens gewarnt hatte.

Warum Bertha von Suttner und ihr Vermächtnis nicht mehr so präsent sind, darauf hat die Historikerin Monika Sommer «keine umfassende Antwort». Sie sagt aber, dass «der Feminismus einen Backlash erfahren hat». Heutzutage spielten andere Themen wie die Erderwärmung oder die «Black Lives Matter»-Bewegung eine Rolle: «Vielleicht ist es so, dass jede Generation neue historische Vorbilder braucht.»