FinanzskandalDie Allianz muss wegen Betrugsskandal Milliarden zahlen
Weil die Fonds-Tochter der Allianz Kunden über Verlustrisiken angelogen hat, verdonnern die USA die Muttergesellschaft zu Milliarden-Zahlungen. Und das ist noch nicht alles.

Meist sind es Banken, die in den USA mit Milliarden-Bussen Schlagzeilen machen. Nun kommt Europas grösster Versicherungskonzern an die Kasse: Die Allianz.
Die Konzern-Tochter Allianz Global Investors (AGI) hat jahrelang Investoren belogen und so die hohen Risiken der Fonds namens Structured Alpha verschleiert. Das werfen das US-Justizministerium und die Wertpapieraufsicht SEC dem Münchener Versicherungskonzern vor. Der Konzern muss Milliarden an Geldstrafen zahlen. Und: Die AGI US darf zehn Jahre lang keine Investmentfonds in den USA anbieten.
Verluste schön gerechnet
Zwei besonders dreiste Beispiele für den Betrug: In einem Risikobericht an grosse Anleger berechnete AGI das Verlustpotential bei einem Aktiencrash. Es betrug 42,15 Prozent des angelegten Geldes. Aber dieser Wert erschien den Managern offenbar zu hoch. Sie liessen in der Mitteilung an die Anleger einfach die Ziffer zwei weg, so wurden daraus 4,15 Prozent, ein durchaus verschmerzbarer Wert. An einem Tag Anfang 2020 verlor ein Fonds 18,3 Prozent. Auch das passte nicht ins Bild, sie machten daraus 9,3 Prozent.
Jetzt hat der Skandal weitreichende Konsequenzen. Die AGI hat sich für schuldig erklärt und wurde US-Justizministerium mit einer Geldstrafe von 2,33 Milliarden Dollar belegt. Ausserdem beschlagnahmt die US-Regierung 463 Millionen Dollar.
Als Entschädigung für Anleger hat die Allianz 3,24 Milliarden Dollar zugesagt. Auch die Wertpapieraufsicht SEC hat hohe Geldstrafen verhängt. Damit dürften die 5,6 Milliarden Euro, die der Konzern bislang für die Belastungen zurückgestellt hat, kaum ausreichen. Drei frühere Allianz-Manager müssen sich vor Gericht verantworten.
«Allianz Global Investors hat zugegeben, Anleger über mehrere Jahre hinweg betrogen zu haben.»
Die Structured Alpha-Fonds boten Grosskunden besonders hohe Renditen bei angeblicher Krisensicherheit. In ihren besten Zeiten hatte die Allianz elf Milliarden Dollar an Anlagen in den Structured Alpha-Fonds, der Konzern verdiente 550 Millionen Dollar an Gebühren.
Die Fonds wurden von 2016 bis 2020 an 114 institutionelle Anleger verkauft, darunter Pensionsfonds für Lehrer, Krankenkassenmitarbeiter und U-Bahnfahrer. «Allianz Global Investors hat zugegeben, Anleger über mehrere Jahre hinweg betrogen zu haben, Verluste und Abwärtsrisiken einer komplexen Strategie zu verbergen und es versäumt zu haben, wichtige Risikokontrollen durchzuführen», teilte der SEC-Vorsitzende Gary Gensler mit.
Das System sei von Anfang an hoch riskant gewesen, wirft die SEC der Allianz vor. Das sei im Aktiencrash zu Beginn der Pandemie Anfang 2020 ans Licht gekommen. Die drei verantwortlichen Manager hätten laut SEC systematisch Finanzberichte manipuliert. Nachdem der Crash 2020 das hohe Risiko der Investmentstrukturen offengelegt hatte, versuchten die drei, ihr Verhalten zu verschleiern, so der Vorwurf.
Mehr als 20 Schadenersatzklagen
Schon vor den Betrugsvorwürfen hatten Investoren die Allianz beschuldigt, die eigenen Anlageregeln nicht eingehalten und sie falsch informiert zu haben. In mehr als 20 Verfahren haben sie den Konzern auf Schadenersatz verklagt, mit einer Reihe von ihnen hat er sich geeinigt.
Die Allianz hatte die Vorwürfe zunächst zurückgewiesen. Doch als im vergangenen Jahr das Justizministerium seine Ermittlungen aufnahm, änderte sich die Tonlage. Geschäftsleitungsmitglied Jacqueline Hunt, die für das Asset Management verantwortlich war, verliess das Topmanagement im September 2021 unter der Zusicherung des Aufsichtsrats, sie habe sich nichts vorzuwerfen.
Konzernchef Oliver Bäte hat immer jede direkte Verantwortung bestritten. Allerdings muss er sich den Vorwurf der mangelnden Aufsicht über den Konzern gefallen lassen. 2020, als der Structured Alpha-Skandal kulminierte, musste sich die Allianz mit zwei weiteren, wenngleich kleineren Betrugsvorwürfen auseinandersetzen.
Konzernchef unter Druck
In Australien wurde der Konzern wegen irreführender Werbung zur Zahlung von 0,9 Millionen Euro verurteilt. In Bermuda hatte die Aufsicht eine Geldstrafe von 1,4 Millionen Euro gegen die Allianz Life Bermuda verhängt, weil sie ihr Verstösse gegen Vorschriften zur Geldwäsche und Terrorfinanzierung vorwarf.
Bäte konnte sich bislang der Unterstützung grosser Anleger sicher sein, die er mit garantiert hohen Dividenden und Aktienrückkäufen verwöhnt. Allerdings könnte die Tatsache, dass die AGI über fünf Jahre unentdeckt tricksen konnte, diese Treue ins Wanken bringen.
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