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DFB-Arzt hatte Angst vor untergeschobenem Doping an WM

DFB-Mediziner Meyer im Jahr 2014. Bild: Getty Images
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Tim Meyer hat sich zu Wort gemeldet. Was der Teamarzt des deutschen Nationalteams darlegt, klingt spektakulär: Er habe vor der WM in Russland befürchtet, den DFB-Kickern könnte dort eine positive Dopingprobe untergeschoben werden.

Meyer sagte am Sonntag im Deutschlandfunk: «Wir hatten ja gehört, dass das Doping oder die Manipulationen in Russland offenbar geheimdienstlich gemacht wurden. Und viele der Anklagen des russischen Dopingsystems kamen aus Deutschland, so dass ich, (...) wenn ich ganz ehrlich bin, ein bisschen die Sorge hatte: Könnten wir da nicht eine Zielscheibe sein?»

Die Besorgnis beruht auf Fakten. Tatsächlich wurde das umfassende, staatlich orchestrierte Doping im russischen Sport mit geheimdienstlicher Akribie ausgeführt, detaillierte Untersuchungsberichte lesen sich stellenweise wie das Drehbuch eines Spionage-Thrillers.

Zudem hatte sich Russlands Fussballauswahl, die in Ermittlungsakten und Kronzeugen-Aussagen eine prominente Rolle spielt, gegen eine enorme Verdachtslage zu verteidigen; was indes kein echtes Problem ist, wenn der affärenumwitterte Weltverband Fifa die Sache handhabt.

DFB in der Selbstfindungsphase

Und schliesslich waren es in der Tat Enthüllungen im deutschen Fernsehen, die die Staatsaffäre auslösten – weshalb die Russen kurz vor der WM sogar einen Eklat provozierten, indem sie dem ARD-Journalisten Hajo Seppelt erst das Visum verweigerten und ihm dann eine Einvernahme durch staatliche Stellen androhten, falls er das WM-Land besuche. Seppelt verzichtete darauf. Insofern erscheinen Tim Meyers Ängste gut begründet. Trotzdem dürften sie beim krisengeschüttelten DFB wenig Anklang finden.

Der Deutsche Fussball-Bund steckt in einer Selbstfindungsphase, allein die Leistungsreform von Bundestrainer Joachim Löw braucht eine achtwöchige Planungsklausur; derweil bügelt die politische Führung die Krisenthemen ab: Kürzlich erteilte sie sogar den Landesfürsten einen Maulkorb («Wir bitten Sie, auf die aktuell bei Ihnen eingehenden Medienanfragen nicht zu reagieren»), nachdem sich die Verbandschefs Sachsens und Brandenburgs über die vor der WM erfolgte Vertragsverlängerung mit Löw irritiert gezeigt hatten. Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge rügt die Verbandspolitik als amateurhaft.

Die Umstände sind nicht normal

Nun dürfte Meyers Vorstoss für Ärger an einer besonders heiklen Front sorgen. Das Bekenntnis, in Russland einen Dopinganschlag befürchtet zu haben, konterkariert das Bild, das Moskaus Sportpolitiker von sich zu zeichnen versuchen. Die Angst vor Anschlägen zeigt, womit im Profibusiness zu rechnen ist – und dass jeder Branchenkenner die russischen Betrugsszenarien äusserst ernst nimmt, die von einem internationalen Expertenstab unter dem Kanadier Richard McLaren enthüllt wurden.

Das müsste die DFB-Funktionäre unter normalen Umständen nicht kümmern. Die Umstände sind aber nicht normal, zumal im sportpolitischen Bereich, wo der DFB derzeit um jede einzelne Verbandsstimme ringt: Am 24. September vergibt die europäische Fussballunion ihr EM-Turnier 2024, im Ring stehen Deutschland und die Türkei. Deren oberster Fussballpolitiker heisst Recep Tayyip Erdo?an, ist auch Staatschef und pflegt beste Drähte zu einem anderen Autokraten in Osteuropa: Wladimir Putin.

Meyer relativiert Vorwürfe gegen die russische Mannschaft

Wichtige Wahlen im europäischen wie im Weltsport werden seit Dekaden massiv von russischen Sportfunktionären und ihrem regionalen Gefolge beeinflusst, Stimmpakete quer durch die Verbände stammen teils noch aus Sowjetzeiten. Dass die Deutschen, Mitauslöser der Staatsaffäre, nicht als gute Freunde gelten, ist stark anzunehmen.

Die jüngste Äusserung dürften diese Ressentiments noch verstärken. Dabei hat Meyer in seinen Darlegungen, die offenbar den Nebel lichten sollten, der ja das Thema Doping im Fussball seit langem einhüllt, auch eine Verdachtslage bei der WM relativiert: jene zu Russlands Dauerläufern, die trotz karger Ballkunst bis ins Elfmeterschiessen im Viertelfinale gerannt waren.

Man könne durchaus, so Meyer, ein limitiertes Team «sehr fit machen, das ist normal (...), von da würde ich nichts ableiten, und nur weil ein Spieler im Arm einen Stich hatte, würde ich auch nicht sagen, dass da gedopt wurde». Letztere Debatte hatte sich jedoch nicht an Einstichen entzündet, sondern an der russischen Erklärung dafür: dass sie von Blutabnahmen zur Leistungsdiagnostik stammten. Also für Tests, für die Experten (auch des DFB) zufolge die Abnahme einiger Blutstropfen genügen würden. Einen Grundsatz fand Meyer immerhin doch: «Doping würde auch im Fussball was bringen!»