Deutschland verbietet Koran-Verteilaktion «Lies!»
Nach einer Grossrazzia in den frühen Morgenstunden wurde die Gruppierung «Die wahre Religion» verboten. In Winterthur war ein ähnliches Verbot in Vergangenheit wiederholt gescheitert.

Das deutsche Innenministerium hat die grosse salafistische Vereinigung «Die wahre Religion» (DWR) verboten und aufgelöst. In einer über Monate vorbereiteten Aktion in zehn Bundesländern und mehr als 60 Städten ging die Polizei am frühen Dienstagmorgen gegen den Verein vor.
Dieser ist auch bekannt unter dem Namen «LIES! Stiftung» und «Stiftung LIES». Ihre Mitglieder verteilen in Fussgängerzonen und auf Plätzen Ausgaben des Koran. Der Verein ist mit seinen Koran-Verteilaktionen in weiteren Ländern aktiv– auch in der Schweiz. Ein Verbot der Standaktion in Winterthur war in der Vergangenheit wiederholt geprüft worden, konnte aber nie durchgesetzt werden. Allerdings wird auch hierzulande gegen mehrere Personen aus dem Umkreis der Organisation ermittelt. Dies vermeldet der «Tages-Anzeiger» in seiner Online-Ausgabe. Ein Verbot des Trägervereins – wie jetzt in Deutschland geschehen – steht aber nach wie vor nicht zur Diskussion, da dafür in der Schweiz die rechtlichen Grundlagen fehlen.
Verbundenheit mit dem IS
DWR wird vorgeworfen, die Verteilaktionen zur Radikalisierung von Menschen zu nutzen, auch mit der Absicht, diese für den Dschihad - den «Heiligen Krieg» - zu rekrutieren. «Mit der Koranübersetzung in der Hand werden Hassbotschaften und verfassungsfeindliche Ideologien verbreitet und Jugendliche mit Verschwörungstheorien radikalisiert», sagte Innenminister Thomas de Maizière in Berlin.
Unter dem Vorwand der Werbung für den Islam bringe der Verein radikale Islamisten zusammen. «Wir wollen nicht, dass für Terrorismus in Deutschland geworben und radikalisiert wird. Und wir wollen auch nicht, dass Terrorismus aus Deutschland exportiert wird», sagte de Maizière.
Mehr als 140 junge Menschen sind nach Angaben de Maizières nach der Teilnahme an «LIES«-Aktionen nach Syrien oder in den Irak ausgereist, um sich dort dem Kampf extremistischer Gruppierungen wie dem Islamischen Staat (IS) anzuschliessen. «Eine systematische Beeinträchtigung unserer Grundwerte ist mit angeblicher Religionsfreiheit nicht zu vereinbaren.»
Razzien in über 60 Städten
Landesweit wurden 190 Objekte in mehr als 60 Städten durchsucht. Betroffen waren die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein.
In Hessen wurden schwerpunktmässig rund 70 Menschen Verbotsverfügungen ausgehändigt und in mehr als 60 Objekten Durchsuchungen vorgenommen. In Nordrhein-Westfalen wurden 35 Geschäfts- und Wohnhäuser durchsucht.
Das Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt, auch zahlreiche Gegenstände und Unterlagen wurden sichergestellt. Festnahmen gab es keine.
Zweitgrösstes Verbotsverfahren
Laut de Maizière handelt es sich nach dem Verbot des Kalifatstaates 2001 um das zweitgrösste Verbotsverfahren des deutschen Innenministeriums überhaupt. Mit der Verbotsverfügung untersagte der Innenminister jegliche Betätigung für die Vereinigung.
Erfasst werden vom Verbot auch die Teilnahme an Informations- und Verteilaktionen unter dem Logo «DWR/LIES!» sowie die Verwendung von Kennzeichen und die Verbreitung von Videos. Ein Verstoss gegen die Verfügung stellt eine Straftat dar.
Das Verbot selbst sei Teil einer Gesamtstrategie gegen islamistisch-dschihadistische Bestrebungen. Zu zentralen Personen des Netzwerks - wie etwa den Prediger und Vereinsgründer Ibrahim Abou-Nagie - äusserte sich de Maizière nicht.
De Maizière betonte, das Verbot ziele nicht auf die Werbung für den islamischen Glauben oder dessen Verbreitung und auch nicht auf die Verteilung von Koranen insgesamt. Muslimisches Leben selbst habe einen «festen und gesicherten Platz» in Deutschland und der Gesellschaft.
SDA/huy
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