Der logische grüne Kandidat heisst Girod
Mit wem die Grünen in die Regierungsratswahlen vom 24. März 2019 steigen, ist offen. Die Auswahl an zugkräftigen Kandidaturen ist klein.

Bei den Wahlen 2015 erlitten die Grünen im Kanton Zürich ein Trauma: Im Kantonsrat büssten sie einen Drittel ihrer Sitze ein. Und im Regierungsrat erlebten sie die Schmach einer Abwahl. Dort verdrängte die CVP mit Silvia Steiner den grünen Regierungsrat Martin Graf, der 2011 wohl auch dank dem Fukushima-Effekt die Wahl geschafft hatte.Am 24. März 2019 bietet sich den Grünen die Chance, die Scharte auszuwetzen. Im Regierungsrat werden zwei Sitze frei, je einer von SVP und FDP, da Baudirektor Markus Kägi (SVP) und Gesundheitsdirektor Thomas Heiniger (FDP) nicht mehr antreten.
Die Aktien der Grünen sind in der Zwischenzeit wieder gestiegen, wie die Gemeindewahlen vom Frühling zeigten. In Zürich holten die Grünen mit Karin Rykart ihren zweiten Stadtratssitz zurück. In Uster zog mit Karin Fehr die erste Grüne in den Stadtrat ein. Kommt dazu, dass grüne Themen wieder stärker ziehen als auch schon. Extreme Wetterphänomene wie die derzeit weltweite Hitzewelle und Trockenheit spielen den Grünen in die Hände.
Die Voraussetzungen für einen grünen Wahlerfolg scheinen also günstig. Dass die Grünen bei den Regierungsratswahlen mit jemandem antreten werden, war nie eine Frage. Unterdessen steht offenbar bereits fest, mit wem. Doch die Grünen machen ein grosses Geheimnis daraus: Mitte August wollen sie ihre Kandidatur präsentieren, wie Parteipräsidentin Marionna Schlatter auf Anfrage sagt. Die vierköpfige Findungskommission, die sie leitete, habe ihre Arbeit abgeschlossen. Ihr gehörten auch der Zürcher Gemeinderat Markus Kunz, Kantonsrätin Esther Guyer und Nationalrat Balthasar Glättli an.
Alle vier kommen als Kandidaten nicht in Betracht, wie die meisten von ihnen explizit klar gemacht haben. Schlatter und Glättli nennen auf Anfrage unter anderem familiäre Gründe, weshalb sie derzeit kein zeitintensives Regierungsamt anstreben. Fraktionschefin Guyer verweist auf ihren Jahrgang (1951). Wen auch immer die Findungsgskommission vorschlägt – das letzte Wort hat am 23. August die Mitgliederversammlung.
Beim Blick auf das mögliche Kandidatenfeld der kantonalen Grünen drängen sich zwei Feststellungen auf: Erstens bleibt nach dem Rückzug von Glättli nur noch ein amtierender grüner Nationalrat übrig: Bastien Girod. Man darf ihn als Kandidat aus der ersten Reihe bezeichnen, da er einen hohen Bekanntheitsgrad aufweist, Wahlkampferfahrung und Ambitionen auf ein Exekutivamt hat. Die zweite Feststellung: Es fehlt – auch in der zweiten Reihe – an zugkräftigen Kandidatinnen.
Das akute Kandidatinnenproblem ist bei den Grünen nicht strukturell bedingt. Die Partei betreibt seit langem aktiv Frauenförderung und hat in ihren Reihen zahlreiche Frauen. Der derzeitige Mangel scheint also eher zufällig zu sein. So sind zwei aufstrebende grüne Frauen im Frühling in die Stadtregierungen von Zürich und Uster abdelegiert worden. Bemerkenswert ist dennoch, dass unter den diversen Kantonsrätinnen fast alle kein Interesse an einer Kandidatur bekunden. Zu ihnen gehört Regula Kaeser-Stöckli, Stadträtin in Kloten, die sich auch aus dem Kantonsrat zurückziehen will. Sie habe andere Pläne, wolle mehr Zeit für sich, sagt sie auf Anfrage. Auch die Kantonsrätinnen Kathy Steiner und Edith Häusler-Michel bekunden kein Interesse. Silvia Rigoni, ebenfalls Kantonsrätin, verweigert mit dem Verweis auf die Ferienzeit jegliche Auskunft.
Nicht uninteressiert gibt sich hingegen die Zürcher Gemeinderätin Katharina Prelicz-Huber, als Präsidentin der VPOD Schweiz ein bekannter Kopf. Ob man sie angefragt hat, ist von ihr nicht zu erfahren. Prelicz-Huber hat den Makel, dass sie 2011 im Nationalrat abgewählt worden ist. 2015 schaffte sie es bei den Nationalratswahlen wieder auf den dritten Platz und überholte damit immerhin Jungstar Elena Marti, die auf Platz eins startete, aber auf Platz vier landete.
Verglichen mit Girod scheinen die wenigen möglichen Frauenkandidaturen weniger aussichtsreich zu sein. Dennoch stellt sich die Frage, ob Girod die Geschlechterfrage im Wege stehen könnte? Das scheint nicht der Fall zu sein. Jedenfalls sagt selbst Parteipräsidentin Schlatter: «Es geht diesmal nicht in erster Linie um das Geschlecht der Kandidatur, sondern um ihre Qualität.» Dass in der Zürcher Regierung mit Jacqueline Fehr (SP), Silvia Steiner (CVP) und Carmen Walker Späh (FDP) momentan bereits drei Frauen sitzen, entschärft die Frauenfrage zusätzlich.
Bei den Zürcher Stadtratswahlen im Frühling war es anders: Das Ausschlag gebende Argument bei der internen Ausmarchung der Grünen war die Geschlechterfrage. Sie führte dazu, dass Girod trotz seiner guten Bewerbung der damals noch ziemlich unbekannten Karin Rykart unterlag.
Dass er an einem Exekutivamt interessiert ist, bewies Girod schon in der jüngsten Stadtzürcher Ausmarchung. Er sei es noch immer, sagt er auf Anfrage. Allerdings hält auch er sich noch sehr bedeckt, ob er nun tatsächlich kandidieren will oder doch nicht. Berufliche Hinderungsgründe sehe er keine, sagt Girod. Einwände dieser Art waren aufgekommen, weil er seit kurzem als Business-Developper bei einem ETH-Start-up tätig ist, das sich mit Klimaschutz beschäftigt. Ausserdem hat er sich ebenfalls kürzlich zum Präsidenten des Wirtschaftsverbandes für Abfallverwerter wählen lassen. Solche Verpflichtungen beziehe er zwar in sein Kalkül ein, sagt Girod. Ein Killerargument gegen eine Kandidatur seien sie aber nicht.
Sollte Girod also antreten wollen, müssten ihn die Grünen eigentlich mit Handkuss nehmen. Er ist wie erwähnt der einzige Kandidat aus der ersten Reihe. Und er bringt alles mit, was ein Kandidat haben muss, dem die schwierige Rolle zukommt, einen Sitz im Regierungsrat zurückzuerobern. Girod ist jung, national bekannt, dossierfest, geniesst parteiübergreifend Sympathien, kennt sich in Wahlkämpfen aus und machte bei den letzten Nationalratswahlen das beste Ergebnis. Kurz: Er ist der logische Kandidat. Die Kehrseite davon: Seiner Nomination ginge der Überraschungseffekt wohl ein wenig ab.
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