
Der Tod ist allgegenwärtig: Keine Zeitung, keine Nachrichtensendung, die nicht von Übersterblichkeit, Corona-Toten und einsamem Sterben auf Intensivstationen berichtet.
Die vielen Todesopfer gehen uns nahe. Einige meinen: zu nahe. Dass wir so gebannt auf die Opferkurven starrten, habe seinen Grund darin, dass wir den Tod verdrängt hätten. Dabei müsse akzeptiert werden, dass er zum Leben gehöre und Corona seine Opfer fordere, so wie im Übrigen jede Grippe und auch das ganz normale Alter.
Die These von der Verdrängung des Todes ist alt. Gern wird sie untermauert mit Geschichten von früher: Im Dorf habe noch das Totenglöcklein geläutet, wenn jemand das Zeitliche gesegnet habe. Im Bauernhaus habe es das Seelenfensterchen gegeben, das geöffnet worden sei, wenn jemand verstorben gewesen sei. Und die Toten habe man in der guten Stube aufgebahrt, statt sie in Windeseile wegzubringen.
Kolumne von Barbara Bleisch – Den Tod verantworten
Dass unsere Gesellschaft das Sterben verdrängt hat, ist ein Mythos. Aber: Weil wir zunehmend eigenmächtig über Leben und Tod entscheiden können, liegt die Verantwortung jetzt direkt bei uns.