Das Wunder von Liverpool ist perfekt
Nach dem 0:3 im Camp Nou reagiert Liverpool und siegt im Rückspiel gegen Barcelona 4:0 – dank je zwei Toren von Origi und Wijnaldum stehen die Reds im Final der Champions League.
Am Tag vor dem grossen Spiel sagt Liverpools Trainer Jürgen Klopp: «Wir möchten eine Atmosphäre schaffen, wir möchten sie nutzen, und wir möchten feiern.» 52'000 sitzen am Dienstag im Stadion von Anfield, als «You'll never walk alone» ertönt. Diese Hymne, die für Liverpool steht, für den Zusammenhalt eines Vereins und einer Stadt, die beide so viel durchgemacht haben.
Der FC Liverpool trifft auf den FC Barcelona, es ist das Rückspiel im Halbfinal der Champions League. Liverpool muss ein 0:3 aufholen, und das gegen Barcelona und vor allem gegen ihn: Lionel Messi. «Gegen ihn musst du perfekt spielen», weiss Klopp.
Die Emotionen kochen hoch, die Zeilen aus der Hymne treiben alle an: «Geh weiter, geh weiter / Mit Hoffnung in deinem Herzen.» Es ist ein Spiel, das gleich einen ersten Höhepunkt hat und nach der Pause zunehmend nervenaufreibend wird, weil Georginio Wijnaldum innert drei Minuten zweimal trifft und den Rückstand aus dem Hinspiel wettmacht. Es ist ein Spiel, das wundersam endet, weil Divock Origi sein zweites Tor gelingt. 4:0 steht es am Ende für Liverpool. Anfield «rockt», wie sich das Klopp gewünscht hat. Barcelona liegt in Trümmern. Messis leerer Blick spricht Bände.
Der Durst nach einem Titel
Die Liverpooler waren einst der führende Verein Englands und von Europa. Als sie 1990 Meister wurden, zum 18. Mal in ihrer Geschichte, waren sie Rekordhalter, und sie hatten bis dahin auch viermal den Meistercup erobert, den Vorgänger der Champions League. Sie blieben seither nicht ohne neues Silber für den Trophäenschrank, sie gewannen sieben nationale Cups und einmal, 2005 gegen die AC Milan, auf sagenumwobene Art die Champions League.
Aber Jahr für Jahr ist die Sehnsucht gewachsen, endlich wieder einmal diesen einen Titel nach Anfield zu holen: die Meisterschaft. Klopp ist der neunte Trainer seit Kenny Dalglish, der sich daran versucht. Jetzt ist er nahe dran, sehr nahe. Er hat dabei nur ein Problem: Seine Mannschaft liegt vor dem letzten Spiel am Sonntag gegen Wolverhampton einen Punkt hinter Manchester City zurück, das noch in Brighton antreten muss.
Die weisen Investitionen
500 Millionen Franken gab Liverpool für Transfers aus, seit Klopp im Oktober 2015 nach England gewechselt hat. Gut ein Drittel davon entfiel allein auf Alisson Becker und Virgil van Djik. Es waren weise Investitionen. Der Torhüter und der Verteidiger sind die Felsen in dieser Mannschaft, die diese Saison zusammen mit City dominiert.
Klopp passt in den englischen Westen, er bietet den Fans der «Reds» den Fussball, den sie sehen möchten: rau, herzhaft, leidenschaftlich, stürmisch.
So traten sie vor einer Woche im Camp Nou auf, als sie Barcelona in der zweiten Hälfte schwer in Bedrängnis brachten. Sie erzielten nur kein Goal und scheiterten letzten Endes an Messi.
So treten sie auch an diesem Dienstag auf bei ihrem verzweifelten Versuch, das 0:3 wettzumachen. «Wenn wir es schaffen: wunderbar», hat Klopp am Vortag erklärt, «und wenn nicht, dann wollen wir auf die schönste Art scheitern.» Mohamed Salah und Roberto Firmino fehlen dabei, sie sind verletzt. Das ist ein gewaltiges Handicap.
Weiter ein Trainer für Titel
Xherdan Shaqiri darf als Salah-Double von Anfang an spielen, das erste Mal seit Ende Januar. Liverpool legt mit viel Energie los, Henderson, Fabinho und Milner bilden ein Mittelfeld der Haudegen, die keine Freude kennen. Nach sieben Minuten gelingt Origi das 1:0.
Als Klopp in Liverpool antrat, bat er um Zeit. Und versprach sogleich Titel: «Wenn ich in vier Jahren hier sitze, denke ich, dass wir einen Titel gewonnen haben.» Da sei er sich ziemlich sicher. Im ersten Jahr stand er im Final des Ligacups und der Europa League, beide verlor er. Vergangenen Mai setzte es im Final der Champions League ein 1:3 gegen Real Madrid ab.
Sieben Jahre sind inzwischen vergangen, seit Klopp seinen letzten Erfolg feierte, das war gleich das Double 2012 mit Borussia Dortmund. Die Frage begleitet ihn: Ist er weiterhin ein Trainer für Titel?
Die Antwort ist einfach: ja, unter normalen Umständen. Aber diese Saison sind die Umstände zumindest in der Liga nicht normal. Die Liga kann Liverpool mit 97 Punkten beenden, das sind 2,5 pro Spiel. Seit der Einführung der Premier League 1992 hat das nur einmal nicht zum Titel gereicht, vor einem Jahr, als City den Rekord von 100 Punkten aufstellte. Es kann auch diesmal nicht reichen. «Das ist Schicksal», sagt Klopp.
Immerhin ist da noch die Champions League. Barcelona erholt sich in Anfield vom Liverpooler Startfurioso, es macht alles, um den Rhythmus des Gegners zu brechen. Alisson muss gegen Messi klären und kurz vor der Pause gegen Jordi Alba.
Klopp wechselt Wijnaldum ein und mit ihm das Glück. So etwas ist grossen Trainern vorbehalten. Barcelona ist demontiert und zu keiner Reaktion fähig. Am Ende jubelt Klopp mit seinen Spielern. Und er weiss bereits: «Wir haben eine wunderbare Saison gespielt.» In Liverpool ist nicht nur die Sehnsucht gross, sondern auch der Stolz.
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