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«Das Recht hat der Politik zu folgen und nicht die Politik dem Recht»

FPÖ-Mann fürs Grobe: Herbert Kickl, Innenminister Österreichs.
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«Selbstverständlich stehen wir alle auf dem Boden der Rechtsstaatlichkeit», sagte Österreichs Innenminister Herbert Kickl in einem ORF-Interview. Es gebe allerdings «irgendwelche seltsamen rechtlichen Konstruktionen, teilweise viele, viele Jahre alt, die uns daran hindern, das zu tun, was notwendig ist». Mit diesem eigenartigen Satz stellte der FPÖ-Minister nichts Geringeres als die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) infrage. Die EMRK sieht Kickl als Hindernis für eine Verschärfung der Asylpolitik. So will er straffällig gewordene Flüchtlinge rascher abschieben können.

In der ORF-Sendung «Report» gab der österreichische Innenminister klar zu verstehen, dass ihm das Rechtsstaatlichkeitsprinzip im Wege steht. Dabei sprach sich Kickl dafür aus, «dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht». Mit seinen Äusserungen löste der FPÖ-Mann landesweit eine Welle der Empörung aus. Oppositionspolitiker forderten den Rücktritt des Innenministers. Verfassungsrechtler äusserten sich irritiert über das Politik- und Rechtsverständnis von Kickl.

Grundkonsens der Zweiten Republik Österreich

«Was der Innenminister sagt, ist mit einem Rechtsstaat völlig unvereinbar», erklärte etwa der Verfassungsjurist Karl Weber (Universität Innsbruck) der Zeitung «Standard». «Würde ein Student in einer Prüfung schreiben, dass das Recht der Politik zu folgen hat, fiele er durch.» Weber erinnerte auch an Artikel 18 der Verfassung: Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden.

Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen meldete sich zu Wort. Die EMRK stehe in Österreich seit 59 Jahren im Verfassungsrang, schrieb er auf Twitter. «An ihr zu rütteln, wäre eine Aufkündigung des Grundkonsenses der Zweiten Republik.» Oskar Deutsch, der oberste Repräsentant der Juden in Österreich, rief in Erinnerung, dass die Menschenrechtskonvention nicht zuletzt unter dem Eindruck des Holocausts entstanden sei. «Kickl beschämt die überwiegende Mehrheit der Bürger im Land.»

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Selbst in der ÖVP-FPÖ-Koalition, in der man stets bemüht ist, möglichst keine Meinungsverschiedenheiten nach aussen dringen zu lassen, regte sich Widerspruch gegen den Ministerkollegen Kickl. «In einem Rechtsstaat steht das Recht an oberster Stelle», sagte Justizminister Josef Moser. Die Menschenrechtskonvention habe sich bewährt, betonte der parteilose Minister, der von der ÖVP eingesetzt worden war.

Österreichs Kanzler Sebastian Kurz wartete zunächst ab mit einer Stellungnahme. Wie so oft, wenn Politiker des Koalitionspartners FPÖ für Ärger sorgen. Aus Davos, wo er am WEF teilnahm, liess der Kanzler schliesslich doch noch verlauten, dass er mit seinem Innenminister ein «klärendes Gespräch» geführt habe. Klar sei, dass die «Verfassung, die Grundprinzipien der EU sowie die Grund- und Menschenrechte Gültigkeit haben und dass diese im Regierungsprogramm klar verankert sind».

Kickls Äusserungen wurden in vielen Medien Österreichs kommentiert und mehrheitlich harsch kritisiert. «Vielleicht hat Kickl zu viel von Carl Schmitt gelesen», mutmasste «Die Presse». Die Äusserungen des einstigen Philosophie-Studenten Kickl erinnerten an den umstrittenen Staatsrechtler Schmitt (1888–1985), der den Versuch unternommen hatte, die nationalsozialistische Diktatur juristisch zu legitimieren.

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FPÖ-Innenminister Herbert Kickl in der ORF-Sendung «Report» (umstrittene Aussagen zum Thema Rechtsstaatprinzip ab der 8. Minute). Quelle: Youtube/FPÖ/ORF

Die FPÖ verteidigte ihren Innenminister. In seiner Partei ist Kickl ohnehin unbestritten. Der 50-Jährige gilt als Architekt des Rechtsrucks in Österreich. Kickl, der als Redenschreiber von FPÖ-Übervater Jörg Haider angefangen hatte, wirkte von 2005 bis 2017 als Generalsekretär der Freiheitlichen. Als Verantwortlicher für das Organisatorische und Ideologische leitete er die Wahlkämpfe. In seiner Zeit entstanden Wahlslogans wie «Daham statt Islam» oder «Abendland in Christenhand». Der grösste Erfolg des Parteistrategen Kickl war die Parlamentswahl 2017: Mit 26 Prozent der Stimmen stieg die FPÖ zur Regierungspartei auf, die sie seit Ende 2017 auch ist.

In der ORF-Sendung «Report» machte der FPÖ-Innenminister klar, dass er Gesetze, die ihm nicht passen, bekämpfen will. Gegen die EMRK wird er jedoch nichts ausrichten können, wie der Innsbrucker Verfassungsjurist Weber im «Standard»-Interview erklärt. Die Menschenrechtskonvention sei ein völkerrechtlicher Vertrag, den nur der Europarat, dem 47 Staaten angehören, abändern könnte. «Österreich allein ist also machtlos.» Ausserdem sei die EMRK Teil der österreichischen Verfassung. «Will man sie aus der Verfassung kicken, käme das einer Gesamtänderung dieser gleich», so Weber. «Das bedeutet, dass darüber eine Volksabstimmung abgehalten werden müsste.»