Innovativer Tourismus Das Glarnerland erwacht aus dem Dornröschenschlaf
Junge Unternehmer mischen das steile Bergtal ganz schön auf. Sei es mit Outdoorkochen, Zirkusvorstellungen oder gar einer fliegenden Bar.

Der kleine, hauptsächlich in einem Tal bevölkerte Kanton wird despektierlich als Schattenloch oder Föhntal bezeichnet. Doch wer etwas genauer hinschaut, merkt bald: Im Glarnerland warten spektakuläre Wandergebiete, tolle Kletterspots und zauberhafte Schneesportgebiete darauf, entdeckt zu werden.
Einige junge engagierte Einheimische wissen um den Wert ihrer Heimat und bieten Spannendes an. Dazu zählen Rolf Bäbler und Noel Laurent. Die beiden Inhaber von Get Outdoor sind seit ihrer Kindheit in den Glarner Bergen unterwegs. Zu Fuss, mit den Schneeschuhen, Kletterseilen und Teleski oder dem Snowboard. Irgendwann keimte in den Jugendfreunden der Gedanke, die Schönheit ihrer Heimat mit anderen zu teilen. Und sie gründeten vor sechs Jahren innerhalb von zwei Tagen ihre GmbH.

«Wir wussten von Beginn an, dass wir nur anbieten wollen, was wir selbst gerne machen», erzählt Noel Laurent. Der 36-Jährige ist unter anderem ausgebildeter Ski-, Telemark- sowie Langlauflehrer. Er führt Interessierte im Winter gerne in abgelegene Täler, um sie im glitzernden Pulverschnee ihre Spuren mit den Ski oder den Splitboards ziehen zu lassen. «Bei uns steht das Erlebnis im Vordergrund», erläutert der leidenschaftliche Bergler. Um seinen Gästen möglichst viel mit auf den Weg zu geben, nimmt er pro ausgeschriebener Tour maximal fünf Teilnehmer mit. Ist die Gruppe grösser, ist ein zweiter Guide dabei.
Sehr gefragt sind derzeit Schneeschuhtouren und Lawinenkurse. Damit auch bei Letzteren der Spass nicht zu kurz kommt, gibt es zwischen den einzelnen Übungen immer wieder Abfahrten abseits der Piste. Dem Glarner Gastgeber bereitet es Freude, seine Gäste zu überraschen. Etwa mit einem frisch gebrühten Kaffee inmitten der grandiosen Natur.
Jung, doch hoch spezialisiert
Da Get Outdoor von jungen einheimischen Freelancern bereichert wird, ist das Angebot inzwischen gross. Neben Outdoorkochen, Iglubauen, Klettern, Wandern und Schwitzen in der Outdoorsauna sind auch Biketouren buchbar. «Unser Team besteht aus Biologen, Jägern, Höhenarbeitern, Kletterprofis sowie Wildkräuterspezialistinnen und Umweltbiologen», so Noel Laurent. «Somit lernen unsere Gäste viel über die umliegende Natur sowie die Tiere, welche hier leben.» Da die Umweltbildung Noel Laurent ein wichtiges Anliegen ist, erarbeitet er mit seinem Kernteam in diesem Bereich derzeit weitere Angebote, auch solche für Schulklassen.
Party und Konzerte auf 1560 Meter über Meer
Eher als Familiengebiet bekannt ist Braunwald. Das Skigebiet auf dem sonnigen Hochplateau tief im Kanton Glarus lockte bis anhin meist Eltern mit ihren Sprösslingen an. Dies ändert sich derzeit. Denn Fabian Noser und Team liessen Anfang Winter in Zusammenarbeit mit den Bergbahnen ihre beliebte Gastrorollbar auf die Alp Grotzenbühl fliegen. «Es benötigte die Kraft eines Superpuma-Helikopters, um unseren 2,2 Tonnen schweren, zur Bar umgebauten Bahnwagen an seinen neuen Winterstandort zu fliegen», berichtet der diplomierte Hotelier-Restaurateur.
Die schmucke Gastrorollbar von Fabian Noser steht das erste Mal im Skigebiet von Braunwald. Während der warmen Monate bereichert der umgebaute Wagen aus dem Jahre 1966 seit 2017 den Stadtgarten Glarus mit Cocktails, selbst gemachter Focaccia und coolem Sound. Nun locken die jungen Gastgeber mit Herzblut mit einem zeitgemässen gastronomischen Angebot, toller Atmosphäre sowie Konzerten und Daypartys ihre Gäste auf den Berg. An den Schlittelabenden hat die Gastrorollbar bis zehn Uhr abends geöffnet. Wer möchte, nimmt ein Bad im Hot Tub oder übernachtet in der Jurte nebenan.

«Mit der selbst umgebauten Gastrorollbar habe ich mir einen Traum verwirklicht», erzählt Fabian Noser, der auch Inhaber der Gastrowärchstatt GmbH in Glarus ist. Mit diesem Unternehmen bietet der 32-Jährige vorwiegend Eventmanagement und Coaching im Corporate-Bereich an. «Die Gastrorollbar entwickelte sich zu einer kleinen Erfolgsgeschichte. Inzwischen arbeiten 15 Personen für die acht Quadratmeter grosse Bar», berichtet der Absolvent der Luzerner Hotelfachschule. Der herzliche Gastgeber sieht ein riesiges Potenzial im Glarnerland und will, entgegen vielen anderen jungen Glarnern, dem Kanton treu bleiben. «Die Liebe zur Heimat ist da.»
Der biozertifizierte Zirkus
Stephan Mugg ist gekommen, um zu bleiben. Der 38-jährige Sohn des bekannten Clowns Mugg ist nach seinen Wanderjahren als Artist 2005 zum gleichnamigen Zirkus gestossen. Heute ist er für die Administration verantwortlich und in der Zirkuspädagogik tätig. Gegründet wurde das Unternehmen vom charismatischen Mugg 2007, nachdem die ganze Familie Zirkus als Hobby betrieben hatte. Das kunterbunte, aber trotzdem gut organisierte Unternehmen beim Bahnhof Betschwanden besteht aus verschiedenen Zirkuswagen sowie Zirkuszelten.

Besonders seit dem Tod von Clown Mugg vor zwei Jahren erfindet sich das Familienunternehmen ständig neu. Seit der Pandemie setzen die Betreiberpaare Stephan Mugg und Milu sowie sein Bruder Ischa und Darinka vermehrt auf den Tagestourismus. «Unser Zirkusbeizli kommt bei Touristen wie auch Einheimischen gut an», freut er sich. Kein Wunder, wo sonst geniesst man Kaffee und Glarner Chübeli oder Meitschibei auf einem zum Café umgebauten Karussell voller gemütlicher Sessel?

Wer Geburtstag, ein Jubiläum, ein Firmenfest oder sonst etwas zu feiern hat, dem bieten die Zirkusfamilien eine Privatshow im beheizten Variétézelt oder vor Ort an. Sei das zu Hause, in der Firma, einer Institution, der Schule oder im Altersheim. Wer im Zirkus feiert, wird nach Wunsch mit einem Fünfgänger oder einem Grillbuffet bewirtet. Die Köchin legt grossen Wert auf frische, saisonale Gerichte in Bioqualität. Vor kurzem liess sich der kleine Glarner Zirkus biozertifizieren. Je nach Saison finden bis zu 400 Personen Platz im Zirkus Mugg. Dann werden die elf Festangestellten von bis zu 60 Freelancern unterstützt.
Mithilfe beim Aufbau des Zirkuszelts
Anfangs April beginnt die Hauptsaison des Familienzirkusses. Wer möchte, darf gerne beim Aufbau der Zelte mithelfen. Ab diesem Moment sind die 55 Schlafplätze in den 15 mit viel Liebe umgebauten Wagen besetzt. Meist von Teilnehmern der Zirkuscamps. «Klassen- und sonstige Lager sind sehr beliebt», so Stephan Mugg. Zum einen, weil wir mit den Kindern eine Zirkusnummer einüben, welche sie dann am Ende der Woche aufführen. Zum anderen, weil wir ihnen auch Vollpension anbieten.» Bei schlechtem Wetter stehen grosse Aufenthaltszelte und Zirkuswagen zur Verfügung.
An den Wochenenden feiern Private im Mugg und übernachten meist auch gleich in den schmucken Zirkuswagen, welche in ihrer Vergangenheit als Pferdetransporter im Zirkus Monti oder als Autoscooterkasse fungierten. Weil das Zirkusleben den beiden Familien Mugg mit ihren fünf Kindern in Fleisch und Blut übergangen ist, leben auch sie in den schmucken Wagen sowie in Tiny Houses.
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