Kolumne «Tribüne»Das Ende eines Kapitels
Joël Perrin, Slam-Poet aus Männedorf, über das Abschiednehmen.

Seit meinen ersten Zeilen in der «Zürichsee-Zeitung» ist viel Zeit vergangen. Covid. Klima. Krieg. Vielleicht ist es Zeit, jetzt aufzuhören … Ich bin Arzt geworden, habe meine Freundin kennen gelernt – und während Sie diesen Beitrag lesen, finden in Bern zum ersten Mal seit drei Jahren wieder Schweizer Meisterschaften in Poetry-Slam statt. Mit anderen Worten: Vielleicht ist es Zeit, jetzt erst recht loszulegen.
Auf Klein- und Grossbühnen ist das Publikum stets sichtbar – bei Kolumnen hinter der Zeitung verborgen. Wo sind Sie, wenn Sie diese Worte lesen? Wer sind Sie? Wie viele? Und was bleibt? Kolumnisten schreiben einsam in die Leere.
Ich fühle mich in meinen Texten bisweilen alt für meine Jahre. Vielleicht ist etwas dran an Einsteins Theorie, dass das Universum, wenn man es begriffen haben wird, sich durch eine verworrenere Version seiner selbst ersetzt. Im Kleinen tut es das ohnehin jeden Tag.
Dies ist nicht meine poetischste oder ausgefeilteste Kolumne. Hoffentlich auch nicht – jeder letzte Beitrag ist ein neuer Anfang, und jeder neue Anfang muss Steigerungspotenzial bieten. Diese Kolumne ist ein Abschiedsbrief. An Sie, werte Leserinnen und Leser der «Zürichsee-Zeitung», und an Dich.
Vielen Dank, wenn Du meine Gedanken über die letzten Jahre gelesen oder sogar weitergedacht hast. Wenn dies die erste Kolumne ist, die Du liest – Du hast etwas verpasst. Aber an diese Stelle kommt etwas noch Besseres. Immer. Jeden Tag ;) (und ich hoffe ein einziges, letztes Mal druckt mir die Zeitung zwei Smiley in meine Kolumne ;).
Ich hoffe, Dir etwas mitgegeben zu haben. Einen Einblick in eine melancholisch-hoffnungsvolle Weltsicht. Einen Impuls, Grosses im Kleinen zu suchen. Weiter zu denken, weiter zu gehen – und weiter zu schreiben. Da übernimmst Du jetzt wieder.
Ich möchte mich mit Sätzen aus meiner ersten Kolumne verabschieden: Was die Menschheit seit Äonen fasziniert, sind Geschichten – und die besten Geschichten schreibt das Leben. Denn dieses hat, wenn man es denn nur lässt, unausgesprochen viel zu erzählen.
Mit diesem Beitrag verabschiedet sich Joël Perrin als Kolumnist der «Zürichsee-Zeitung».
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